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CO₂-Fußabdruck - Nachhaltigkeit - Green Medical Imaging
Einleitung
Die globale Erderwärmung stellt eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
dar – mit weitreichenden Konsequenzen für Umwelt, Gesellschaft und nicht zuletzt auch
für das Gesundheitswesen [1].
Während die Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit bereits breit analysiert
und diskutiert werden, gerät zunehmend auch das Gesundheitswesen selbst als Mitverursacher
der Umweltkrise in den Blick [2]. Der Gesundheitssektor ist weltweit für etwa 4,4 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich
– Tendenz steigend [2]. Insbesondere bildgebende Verfahren wie die Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) und
die Computertomografie (CT) zeichnen sich hierbei durch einen hohen Energieverbrauch,
komplexe Infrastruktur-Bedarfe und zum Teil umweltrelevante Verbrauchsmaterialien
aus. Die Nutzung dieser ressourcenintensiven Bildgebungsverfahren hat zudem in den
vergangenen Jahren insbesondere durch gestiegene diagnostische Anforderungen – und
nicht zuletzt durch die zunehmende Verfügbarkeit – stark zugenommen [3].
„Green Medical Imaging“ bezeichnet einen neuen Ansatz, in dem sich insbesondere die
Sonografie als ressourcenschonende und zukunftsweisende Bildgebungsmethode profilieren
kann. Als strahlungsfreies, breit verfügbares und energieeffizientes Verfahren bietet
der Ultraschall nicht nur klinisch wertvolle Informationen in Echtzeit und im direkten
Kontakt zwischen Arzt und Patient, sondern verursacht im Vergleich zu CT und MRT nachweislich
eine signifikant geringere Umweltbelastung [4]
[5].
Ziel dieses Editorials ist es, das Bewusstsein für die ökologische Dimension medizinischer
Bildgebung zu schärfen und konkrete Einsparpotenziale für klimarelevante Emissionen
durch den vermehrten Einsatz des Ultraschalls aufzuzeigen. Die Implementierung nachhaltiger
Bildgebungsstrategien sollte dabei insbesondere auch die Diskussion darüber fördern,
inwieweit der routinemäßige Einsatz hochpräziser und ressourcenintensiver Bildgebungsverfahren
in der modernen Medizin stets medizinisch notwendig und verhältnismäßig ist.
Nutzung und Stellenwert bildgebender Verfahren in der modernen Medizin
Nutzung und Stellenwert bildgebender Verfahren in der modernen Medizin
Bildgebende Verfahren sind ein fester Bestandteil in der Diagnostik und Therapie einer
Vielzahl von Erkrankungen und insbesondere in der modernen Onkologie und Notfallmedizin
unabdingbar [6].
Basierend auf Daten der WHO werden jährlich über 3,6 Milliarden „Bildgebungen“ weltweit
durchgeführt [7]. Am Beispiel von England entfallen hiervon immerhin 23 % der Untersuchungen auf
den diagnostischen Ultraschall (US), 16 % sind Computertomografien (CT) und 9 % Magnet-Resonanz-Tomografien
(MRT). Der größte Anteil (47 %) entfällt auf klassische Röntgen-Untersuchungen [3].
Mit der stetig wachsenden Anzahl bildgebender Untersuchungen wächst auch der Anteil
medizinisch nicht sinnvoller oder nur mit geringem Mehrwert assoziierter Untersuchungen.
In einem systematischen Review von 2024 wurde dargelegt, dass jährlich bis zu 2 Milliarden
Dollar für „Low-value-imaging“-Verfahren ausgegeben werden. Durch eine Reduktion dieser
Untersuchungen hätten bis zu 95 % der Kosten eingespart und der Verbrauch umweltrelevanter
Ressourcen vermieden werden können [4].
Vergleich der Umweltbelastung verschiedener bildgebender Verfahren
Vergleich der Umweltbelastung verschiedener bildgebender Verfahren
Die Auswahl des geeigneten bildgebenden Verfahrens hat einen erheblichen Einfluss
auf die Umweltbilanz im klinischen Alltag: Ultraschallbasierte Bildgebungsverfahren
zeichnen sich durch verhältnismäßig geringe Anschaffungs- und Unterhaltskosten sowie
einen minimalen Ressourcen-Verbrauch aus. Zur besonders günstigen CO₂-Bilanz der Sonografie
trägt neben dem geringen Stromverbrauch auch die Möglichkeit zur „Bedside“- bzw. Point-of-Care-Anwendung
bei, wodurch unter anderem innerbetriebliche Transportwege reduziert werden können
[8]. Auch in der Geräteproduktion und bei der Entsorgung ergibt sich ein deutlich geringeres
Maß an CO₂-Emissionen im Vergleich zu anderen Technologien ([Tab. 1]). Zudem sind Ultraschallgeräte in der Regel langlebiger und können im Laufe des
Lebenszyklus an verschiedenen Einsatzstellen oder zu Ausbildungszwecken weiter genutzt
werden. Die breite ambulante und stationäre Verfügbarkeit ermöglicht eine effiziente
Versorgung und reduziert somit auch die Verweildauer und die Transportwege der Patienten,
was wiederum die CO₂-Emissionen und Krankenhauskosten senkt [9]. Zudem sind bei sonografischen Verfahren keine iodhaltigen oder gadoliniumhaltigen
Kontrastmittel [10] erforderlich, was die Patienten- und die Umweltbelastung weiter reduziert. Ferner
sind auch die strukturellen Erfordernisse für die Sonografie im Vergleich zur Schnittbildgebung
deutlich umweltschonender, da weniger Platzbedarf besteht, weniger Abwärme an den
Geräten freigesetzt wird und keine aufwendigen Blei-Abschirmungen konstruiert werden
müssen.
Tab. 1
Vergleich des Ressourcen-Verbrauchs bildgebender Verfahren. US = Ultraschall; CT = Computertomografie;
MRT = Magnet-Resonanz-Tomografie; MTA = Medizinisch-technische/-r Assistent/-in.
|
US
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CT
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MRT
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Anschaffungskosten
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Niedrig
(50–150 k €)
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Hoch
(ca. 500 k €)
|
Sehr hoch
(ab 1 Mio. €)
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Unterhaltskosten
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Gering
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Mittel
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Hoch
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CO2 Verbrauch in kg
pro Untersuchung [15]
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nicht verfügbar
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4,0 kg
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6,0 kg
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nicht verfügbar
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2,6 kg
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14 kg
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0,5–0,65 kg
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6,6 kg
|
20 kg
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Energieverbrauch je Untersuchung unter Berücksichtigung des Energieverbrauchs, bezogen auf den gesamten
Lebenszyklus [19]
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Sehr niedrig, geringer Standby-Energieverbrauch (wenige Watt)
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Ca. 24–34 kWh, für die tatsächliche Bildgenerierung werden hiervon nur ca. 1,6 % des
Gesamt-Energiebedarfs benötigt [20]
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104 kWh, wobei ca. 29 kWh auf den innerklinischen Energieverbrauch und 75 kWh für
Produktion, Transport etc. anfallen [21]
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Kontrastmittel-Belastung
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Treibhausgas
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Jodhaltige Kontrastmittel
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Gadolinium-Belastung der Umwelt
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Verfügbarkeit
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sehr hoch, Bed-Side-Untersuchung
|
Gute Verfügbarkeit
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Variierend, eher zentrale Standorte
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CO2-Emission durch Patiententransporte
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geringer Transportaufwand
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Zentralisiert, aber gut verfügbar
|
Häufig längere Anfahrten notwendig
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Personalaufwand
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1 qualifizierter Untersucher ausreichend
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MTAs + Arzt erforderlich
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Hoher personeller Aufwand
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Verbrauchsmaterial
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Gering
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Mittel (z. B. notwendige bauliche Maßnahmen)
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Hoch (z. B. notwendige Kühlung)
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Entsorgung
|
Einfach zu entsorgen
|
Bleiteile, Rückbau notwendig.
|
komplex (Helium, Schwerlast-Transport)
|
Ein weiterer relevanter Aspekt liegt in der diagnostischen Fokussierung: Anders als
bei großvolumigen CT-Aufnahmen oder multiparametrischen MRT-Protokollen steht beim
Ultraschall häufig eine konkrete klinische Fragestellung im Vordergrund, die durch
den behandelnden erfahrenen Kliniker gezielt beantwortet werden kann. Durch die unmittelbare
ärztliche Einordnung klinisch irrelevanter Nebenbefunde im Dialog mit dem Patienten
während der Ultraschall-Untersuchung lassen sich potenziell kostspielige, für den
Patienten häufig belastende sowie energieintensive Folgeuntersuchungen vermeiden.
Dies betrifft insbesondere die Versorgungssituation in der Akutmedizin mit einem i. d. R.
hohen Anteil an „notwendiger“ Bildgebung [11].
Im Vergleich zur Ultraschalldiagnostik hat die Computertomografie (CT) einen höheren
Ressourcen-Verbrauch. Neben den höheren Anschaffungs- und Unterhaltsaufwendungen tragen
vor allem der Stromverbrauch sowie der häufige Einsatz iodhaltiger Kontrastmittel
zu CO₂-Emissionen und Umweltbelastung bei. Für die Patienten entsteht zudem eine relevante
Strahlen-Exposition, die vor allem im Langzeitverlauf relevante Gesundheitsrisiken
erhöht und somit auch indirekt zu zukünftigem Ressourcenbedarf beiträgt [12].
Die Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) hat, neben nuklearmedizinischen Spezialmethoden,
die höchsten Anschaffungs- und Betriebskosten sowie den höchsten Energiebedarf aller
klinisch relevanten bildgebenden Verfahren. Insbesondere der hohe Strombedarf, die
notwendige Gerätekühlung mit flüssigem Helium, der komplexe Recycling-Prozess sowie
der Einsatz gadoliniumhaltiger Kontrastmittel wirken sich nachteilig auf die CO₂-Bilanz
und Umweltverträglichkeit aus [10]. Die aufwendige Logistik verursacht häufig Wartezeiten, die Klinikaufenthalte verlängern
können. Die gezielte Optimierung, etwa durch Reduktion von Leerlaufzeiten, birgt daher
beträchtliche Potenziale zur Verringerung der Umweltbelastung und der Betriebskosten
[13].
Notwendigkeit eine neues „Bewertungsmaßstabes“ in der medizinischen Bildgebung
Notwendigkeit eine neues „Bewertungsmaßstabes“ in der medizinischen Bildgebung
In Anbetracht der wachsenden ökologischen und ökonomischen Herausforderungen im Gesundheitswesen
erscheint es sinnvoll, den bislang überwiegend technisch basierten Bewertungsmaßstab
für bildgebende Verfahren zu überdenken. Künftig sollte nicht mehr ausschließlich
das „technisch beste“ und aufwendigste Verfahren automatisch zum Einsatz kommen, sondern
jenes, das im Kontext der klinischen Fragestellung „gut genug“ ist – bei gleichzeitig
möglichst geringem Ressourcen-Verbrauch. Die Sonografie erfüllt in vielen Fällen exakt
diese Anforderungen: zielgerichtet, effizient, kostengünstig und mit minimalem CO₂-Fußabdruck.
Eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeits- und Wirtschaftlichkeitskriterien
in medizinischen Leitlinien und Entscheidungsalgorithmen könnte daher einen wichtigen
Beitrag zur ökologischen Transformation des Gesundheitssektors leisten – ohne dabei
die Versorgungsqualität zu beinträchtigen. Somit sollte der Gedanke des „Choosing
wisely“ auch mit Blick auf ökologische Aspekte in der medizinischen Bildgebung breitere
Anwendung finden [14].
Zusammenfassung
Im Zuge der zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion über den ökologischen
Fußabdruck des Gesundheitswesens rückt auch die Umweltbilanz bildgebender Verfahren
verstärkt in den Fokus. Die Ultraschalldiagnostik bietet in diesem Kontext eine Reihe
von Vorteilen, die über die bekannte Vermeidung von Strahlen-Exposition hinausreichen.
So zeichnet sich die Sonografie durch einen signifikant geringeren Energiebedarf sowohl
in der Herstellung als auch im laufenden Betrieb aus. Im Vergleich liegt die CO₂-Belastung
deutlich unter der von CT- oder MRT-Systemen – letztere sind in dieser Hinsicht besonders
ressourcenintensiv [15].
Darüber hinaus ermöglicht die hohe Verfügbarkeit und zunehmende Integration von Ultraschallgeräten
am Patientenbett („Bed-Side“) eine unmittelbare und fokussierte Diagnostik [16]. Diese reduziert die Notwendigkeit weiterführender Untersuchungen, die häufig durch
unspezifische Nebenbefunde in CT und MRT ausgelöst werden. Nicht zuletzt bietet der
diagnostische Ultraschall auch strukturelle und wirtschaftliche Vorteile: Die vergleichsweise
niedrigen Investitions- und Betriebskosten sowie der geringere Personalbedarf tragen
zu einer nachhaltigen Prozess-Optimierung bei. Trotz der genannten Aspekte sollten
klinische Indikationsstellung und diagnostische Anforderungen stets ausschlaggebend
für die Auswahl des Verfahrens bleiben. Die Sicherstellung der Qualität der Befunde
ist dabei stets an die fachliche Expertise gebunden, die insbesondere für sonografische
Verfahren eine fundierte Aus- und Fortbildung erfordert.
Ausblick
Ein erhebliches zukünftiges Einsparpotenzial für die Umweltbilanz ergibt sich zudem
aus einem zielgerichteten und selektiven Einsatz bildgebender Verfahren. Aktuelle
Studien zeigen, dass etwa 20–50 % der durchgeführten Untersuchungen einen geringen
diagnostischen Nutzen haben oder sogar für die jeweilige Fragestellung ungeeignet
sein können [17]. Deshalb besteht das größte Potenzial zur Reduktion der CO₂-Emissionen in der konsequenten
Vermeidung unnötiger Untersuchungen („Choosing-Wisely“-Initiative) [14]. Die Etablierung von klinischen Leitlinien, standardisierten Indikationskriterien
[18] und Entscheidungshilfen könnte hier maßgeblich zur Optimierung beitragen.
Zusammengefasst bieten ein bewusster Umgang mit medizinischer Bildgebung sowie technologische
und organisatorische Innovationen noch großes Potenzial für eine nachhaltigere, ressourcenschonendere
und gleichzeitig qualitativ hochwertige Patientenversorgung.