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DOI: 10.1055/a-2725-5650
Versorgungssituation von 3345 Long-COVID-Betroffenen in Deutschland: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung
Healthcare Situation of 3,345 Long COVID Patients in Germany: Results of a Nationwide SurveyAuthors
Zusammenfassung
Hintergrund
Long-COVID umfasst persistierende Symptome nach SARS-CoV-2-Infektion und führt zu vielfältigen körperlichen und psychosozialen Belastungen.
Methoden
Zwischen März und April 2025 wurde mittels anonymer Online-Umfrage eine bundesweite Stichprobe von Long-COVID-Betroffenen rekrutiert. Erfasst wurden demografische Parameter, Beschwerdeprofile, Inanspruchnahme ambulanter/stationärer Versorgungsangebote sowie subjektive Versorgungszufriedenheit.
Ergebnisse
Insgesamt füllten 3345 Personen (Durchschnittsalter 49 ± 13 Jahre; 81,5% Frauen) den Fragebogen vollständig aus. 83,8% gaben eine ärztlich gesicherte Long-COVID-Diagnose an, weitere 12,2% berichteten über ein Post-Vac-Syndrom. Die Symptomdauer betrug im Mittel 2,8 ± 1,1 Jahre, wobei nur 36,4% eine Besserung ihrer Beschwerden angaben. Fast 9 von 10 Betroffenen (89,1%) waren langfristig krankgeschrieben (Ø 1,8 ± 1,3 Jahre), 70,8% meldeten eine vollständige oder teilweise Arbeitsunfähigkeit und 46,4% stellten einen Rentenantrag. Hausärztliche Versorgung war für 75,7% die erste Anlaufstelle; im Verlauf konsultierten 93% mehr als 3 und 21,5% mehr als 10 verschiedene Ärzte. Die finanziellen Eigenleistungen waren hoch: 41,4% investierten über 1000 € und 11,3% über 10.000 € in Diagnostik oder Therapie, während etwa 60% eine Rehabilitationsmaßnahme erhielten. Insgesamt bewerteten 97,2% ihre Versorgung als „schlecht“ oder „sehr schlecht“.
Schlussfolgerung
Diese Umfrage verdeutlicht ein hohes und anhaltendes Belastungsniveau bei Long-COVID-Patienten sowie erhebliche sozioökonomische Folgen, die von einer überwiegend negativen Bewertung der Versorgungssituation begleitet werden. Zur Verbesserung sind strukturierte, niedrigschwellige und sektorenübergreifende Angebote erforderlich, mit gestärkter Primärversorgung, klaren Überweisungspfaden und bei geeigneter Indikation einer gezielten Integration rehabilitativer Maßnahmen in ein interdisziplinäres Versorgungskonzept.
Abstract
Background
Long COVID includes persistent symptoms after SARS CoV 2 infection and leads to multiple physical and psychosocial burdens.
Methods
Between March and April 2025, a nationwide sample of long COVID patients was recruited by means of an anonymous online survey. Demographic parameters, symptoms, use of outpatient/inpatient care services and subjective satisfaction with care were recorded.
Results
In total, 3345 people (average age 49 ± 13 years; 81.5% women) completed the survey. 83.8% reported a medically confirmed long COVID diagnosis, with a further 12.2% reporting a post-vac syndrome. The average duration of symptoms was 2.8 ± 1.1 years, with only 36.4% reporting an improvement in their symptoms over time. Almost nine out of ten patients (89.1%) were on long-term sick leave (average 1.8 ± 1.3 years), 70.8% reported total or partial incapacity for work and 46.4% applied for a pension. General practitioner care was the first point of contact for 75.7%. Over the course of the illness, 93% consulted more than three and 21.5% more than ten different doctors. Personal financial contributions were high: 41.4% invested more than € 1,000 and 11.3% more than € 10,000 in diagnostics or therapy. 60% received a rehabilitation intervention. Overall, 97.2% rated their care as “poor” or “very poor”.
Conclusion
This survey highlights a high and persistent burden among long COVID patients, as well as significant socioeconomic consequences, accompanied by a predominantly negative evaluation of the current care situation. Improvements require structured, easily accessible, and cross-sectoral services. Improving the primary care system, establishing clear referral pathways, and (where clinically indicated) integrating rehabilitative interventions into an interdisciplinary care concept could help to improve the care situation of patients with long COVID.
Einleitung
Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass ein relevanter Anteil der Betroffenen über die akute Krankheitsphase hinaus persistierende oder neu auftretende Beschwerden entwickelt. Die WHO definiert die Post-COVID-19 Condition (Long-COVID) als Symptome, die 3 Monate nach akuter SARS-CoV-2-Infektion neu auftreten oder fortbestehen, mindestens 2 Monate andauern und nicht durch eine andere Diagnose erklärbar sind [1]. Systematische Übersichtsarbeiten zeigen jedoch eine erhebliche Heterogenität in den verwendeten Zeitkriterien, Symptomdefinitionen und diagnostischen Ansätzen [2]. Diese Heterogenität erschwert die Vergleichbarkeit von Studien, die Abschätzung der Prävalenz und die Entwicklung standardisierter Versorgungspfade.
Parallel zu den diagnostischen Unsicherheiten bestehen in der klinischen Versorgung erhebliche Herausforderungen. Internationale Studien weisen auf eine lückenhafte Versorgung, lange Wartezeiten und fehlende standardisierte diagnostische Verfahren hin [3]. Auch in Deutschland berichten Betroffene und Hausärzte über unklare Zuständigkeiten, eingeschränkten Zugang zu spezialisierten Versorgungsangeboten sowie Defizite in der Koordination [4] [5].
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, auf Grundlage einer bundesweiten Befragung die Versorgungssituation von Long-COVID-Patienten in Deutschland zu analysieren, bestehende Defizite zu identifizieren und Ansatzpunkte für eine strukturierte Weiterentwicklung der Versorgung abzuleiten, wie sie in der aktuellen deutschen S1-Leitlinie Long/Post-COVID diskutiert wird [6].
Methoden
Hierfür erstellten die Autoren eine Liste von 17 Fragen, die soziodemografische Daten, Symptomatik, Krankheitsverlauf, Versorgungswege, finanzielle Belastung und Auswirkungen auf Beruf und Alltag von Long-COVID-Betroffenen erfragten (siehe Infobox). Die Fragen wurden Long-COVID-Patienten vorab zum Test gegeben, um die Verständlichkeit zu überprüfen und gegebenenfalls weitere relevante Fragen oder Antwortoptionen zu ergänzen. Die Fragen wurden anhand des Feedbacks der Patienten überarbeitet. Die Befragung („LoCoVers“) wurde über die Plattform Unipark programmiert und war für die Teilnehmenden anonym. Die Befragung wurde über die Long-COVID-Plattform der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe sowie das soziale Netzwerk BlueSky veröffentlicht und beworben. Die Programmierung wurde so konzipiert, dass ein erneutes Ausfüllen der Umfrage vom selben Endgerät ausgeschlossen war. Das Vorhaben wurde der Ethikkommission der Philipps-Universität Marburg vorgelegt und positiv bewertet (ID: 25/83 ANZ).
Auflistung aller Fragen der LoCoVers-Umfrage
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Leiden Sie unter Long-COVID-Symptomen, und wenn ja welche? (Mehrfachantwort möglich)
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Seit wie vielen Monaten bestehen Ihre Long-COVID-Symptome bereits?
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Wie hat sich Ihre Long-COVID-Symptomatik im Allgemeinen seit Beginn ihrer Symptomatik verändert?
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Wurde bei Ihnen eine Long-COVID-Erkrankung durch eine Ärzt*in festgestellt (Diagnose Long-COVID)?
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Lag bei Ihnen eine durch einen Test (z.B. Schnelltest oder PCR-Test) gesicherte SARS-CoV-2-Infektion vor?
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Liegt bei Ihnen ein ärztlich gesichertes Post-Vac-Syndrom vor? (Post-VAC bezeichnet Beschwerden nach einer COVID-19-Impfung, die ärztlich als Long-COVID zugeordnet wurden.)
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Wer war Ihre erste Anlaufstelle zur Abklärung Ihrer Long-COVID-Symptome?
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Zu wie vielen Ärzten hatten Sie im Rahmen der Behandlung Ihrer Long-COVID-Erkrankung Kontakt?
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Wie lange (in Monaten) mussten Sie auf einen Termin in einem Long-COVID-Zentrum oder einer Long-COVID-Ambulanz warten?
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Wie viel Geld haben Sie privat für Diagnostik und/oder Therapien Ihrer Long-COVID-Erkrankung ausgegeben (was nicht von der Krankenkasse übernommen wurde)?
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Waren Sie aufgrund Ihrer Long-COVID-Symptome in einer ambulanten oder stationären Rehabilitation?
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Waren Sie aufgrund Ihrer Long-COVID-Symptome krankgeschrieben, und wenn ja wie lange insgesamt? (Falls es mehrere Krankschreibungen waren, bitte zusammenfassen)
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Sind Sie aktuell trotz Ihrer Long-COVID-Symptome arbeitsfähig (unabhängig davon, ob Sie aktuell eine Arbeitsanstellung haben)?
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Erhalten Sie aufgrund Ihrer Long-COVID-Symptome eine Rente?
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Wie würden Sie die Versorgungssituation von Long-COVID-Betroffenen in Deutschland ganz allgemein beschreiben?
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Bitte teilen Sie uns noch ihr Alter mit.
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Bitte teilen Sie uns noch ihr Geschlecht mit.
Ergebnisse
Die Umfrage war vom 13.03.2025 bis 23.04.2025 aktiv. In diesem Zeitraum haben 3345 Personen (Alter: 49 ± 13 Jahre; 81,5% weiblich) den Fragebogen vollständig ausgefüllt (durchschnittliche Bearbeitungszeit: 5,3 Minuten). Da alle Fragen als Pflichtfelder definiert waren, gab es keine fehlenden Werte.
Belastungen durch Long-COVID
Bei 89,7% der Befragten lag ein testdiagnostisch bestätigter Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion vor ([Abb. 1]). 83,8% berichteten über eine ärztlich gestellte Long-COVID-Diagnose und 12,2% über ein ärztlich bestätigtes Post-Vac-Syndrom. Beide Patientengruppen gaben vergleichbare Antworten bei der Befragung. Die mittlere Dauer der Symptomatik betrug 2,8 ± 1,1 Jahre. Am häufigsten wurden Leistungsminderung (96,1%), Fatigue (94,7%), Konzentrationsstörungen (87,0%), post-exertionelle Malaise (PEM; 85,9%), Muskelschmerzen (77,7%), Kopfschmerzen (58,9%) und Dyspnoe (49,7%) genannt. Nur 36,4% berichteten über eine Besserung ihrer Beschwerden. Bei der Mehrheit stagnierten (14,5%) die Symptome oder verschlechterten (49,1%) sich im Verlauf. Entsprechend hoch waren die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit: 89,1% der Betroffenen waren längerfristig krankgeschrieben (durchschnittlich 1,8 ± 1,3 Jahre), 70,8% gaben eine vollständige oder teilweise Arbeitsunfähigkeit an, und 46,4% hatten einen Rentenantrag gestellt (in 28,3% der Fälle bereits bewilligt) ([Abb. 2]).




Versorgungswege
Die erste medizinische Anlaufstelle war in 75,7% der Fälle die hausärztliche Versorgung, gefolgt von anderen Fachärzten (7,0%) und Long-COVID-Zentren (4,5%) ([Abb. 3]). Rund 93% suchten im Verlauf ihrer Erkrankung mehr als 3 verschiedene Ärzte auf; 21,5% hatten Kontakt zu mehr als 10 Ärzten. Etwa die Hälfte der Befragten erhielt einen Termin in einem Long-COVID-Zentrum, die durchschnittliche Wartezeit betrug 8,2 ± 6,9 Monate. 59,9% haben eine Rehabilitationsmaßnahme erhalten, während nur 4,5% von einer Ablehnung ihres Reha-Antrags berichteten.


Die gewählte medizinische Versorgung ging häufig mit erheblichen finanziellen Eigenleistungen einher: 41,4% der Befragten gaben an, mehr als 1000 € privat für Diagnostik oder Therapie ausgegeben zu haben, 11,3% sogar mehr als 10.000 €.
Insgesamt fiel die allgemeine Bewertung der erfahrenen Versorgungssituation überwiegend negativ aus: 97,2% der Befragten bezeichneten sie als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ ([Abb. 3]).
Diskussion
Diese bundesweite Befragung gibt einen deutlichen Hinweis auf bestehende Defizite in der medizinischen Versorgung von Long-COVID-Betroffenen in Deutschland. Die meisten Teilnehmenden berichteten von einer langwierigen und vielfach als unzureichend empfundenen Versorgung. Eine ähnliche Befragung von Long-COVID-Betroffenen, die im Jahr 2023 durchgeführt wurde, deckte vergleichbare Defizite auf [7]. Die Bewertung der Versorgungssituation fiel mit über 97% negativer Rückmeldungen außerordentlich kritisch aus – ein Ergebnis, das in dieser Eindeutigkeit kaum Interpretationsspielraum lässt. Dieses Bild deckt sich mit internationalen Analysen, die heterogene und bislang nur partiell etablierte Versorgungspfade dokumentieren. Eine Scoping Review von Wolf et al. identifizierte weltweit verschiedene vorgeschlagene Long-COVID-Versorgungsmodelle, stellte jedoch fest, dass deren Evidenzbasis schwach ist und ein international einheitlicher Standard fehlt [8].
Long-COVID-Patienten nennen als Probleme in der medizinischen Versorgung u.a. unklare Zuständigkeiten, mangelndes Ernstgenommenwerden oder fehlende Therapieoptionen und wünschen sich v.a. eine koordinierte, interdisziplinäre Versorgung [9] [10]. Von zentraler Bedeutung ist die Rolle der Primärversorgung. Auch international wird benannt, dass Hausärzte die erste Anlaufstelle darstellen und ein systematisches Screening, Symptommanagement und gezielte Weiterleitung übernehmen sollten [11]. Eine britische Analyse unterstreicht, dass ein erheblicher Anteil der Patienten ausschließlich im hausärztlichen Setting versorgt wird, wodurch die dort vorhandene Expertise maßgeblich für den Krankheitsverlauf ist [12]. Auch in der aktuellen Befragung waren Hausärzte meist die erste und zentrale Anlaufstelle. Diese benötigen dafür jedoch spezifische Kompetenzen. Eine Studie aus Baden-Württemberg verdeutlicht jedoch strukturelle Defizite und Unsicherheiten im hausärztlichen Umgang mit Long-COVID (z.B. durch schlecht fassbare Beschwerden) [13]. Die Vielzahl der Arztkontakte und die langen Wartezeiten in Long-COVID-Zentren deuten auf mangelnde Koordination, unklare Zuweisungswege und zu geringe Ressourcen in den Ambulanzen hin. Die Ergebnisse zeigen ein strukturelles Versorgungsdefizit auf, trotz G-BA-Richtlinie 2024, die genau diese koordinierte, sektorenübergreifende Versorgung empfiehlt [14].
Gravierend sind auch die persönlichen, sozioökonomischen Folgen. Eine aktuelle Metaanalyse (n=21.155) zeigt, dass nur 61% der Long-COVID-Patienten nach ≥12 Wochen erfolgreich an den Arbeitsplatz zurückkehren, häufig mit Anpassungen der Arbeitsbedingungen [15]. Die Ergebnisse der aktuellen Befragung zeigen, dass bei längerer Krankheitsphase fast 75% der Befragten dauerhaft oder vorübergehend arbeitsunfähig waren, was die Bedeutung gezielter Reha- und/oder Unterstützungsmaßnahmen für den erfolgreichen Arbeitswiedereinstig unterstreicht.
Die vergleichsweise hohe Rehabilitationsrate von 60% und geringe Ablehnungsquoten deuten darauf hin, dass Rehabilitation als zugänglicher Versorgungsbaustein wahrgenommen wird. Auch wenn sich der Stellenwert der Rehabilitation aus dieser Befragung nicht ableiten lässt, so zeigen mehrere Studien, dass rehabilitative Interventionen bei Long-COVID-Betroffenen die körperliche Belastbarkeit und Lebensqualität verbessern können, wenn sie individualisiert angeboten werden [16] [17]. Es ist hervorzuheben, dass die bisherige Evidenz zu rehabilitativen Interventionen ausschließlich Long-COVID-Patienten ohne eine manifeste Diagnose einer myalgischen Enzephalomyelitis/Chronic-Fatigue-Syndrom (ME/CFS) einschließt. Für Patienten mit diagnostizierter ME/CFS gelten andere Empfehlungen, da bei dieser Subgruppe rehabilitative Ansätze, insbesondere körperliches Training, kontraindiziert sein können [18]. Die Interpretation der positiven Reha-Effekte muss daher auf Patienten ohne ME/CFS sowie mit leichten bis mittelschweren Long-COVID-Symptomen begrenzt bleiben. Auch in Deutschland ist die Reha bei Long-COVID-Patienten (ohne ME/CFS) untersucht worden [19]. Eine große deutsche Multicenterstudie (n=1028) ergab, dass Long-COVID-Patienten mit ihrer Rehabilitation überwiegend zufrieden sind [20]. Rund 90% bewerteten die Behandlungsqualität als gut bis ausgezeichnet und würden die Rehabilitation weiterempfehlen bzw. erneut in Anspruch nehmen [20]. Zudem sind mehr als 80% der berufstätigen Long-COVID-Patienten im Median 4 Wochen nach einer Rehabilitation wieder arbeitsfähig [21]. Dies spricht für den weiteren Ausbau von Rehabilitationsangeboten und ihrer Integration in die Versorgungskette, v.a. für Patienten ohne schwerste Beeinträchtigungen durch ME/CFS [22] [23]. Des Weiteren werfen hohe finanzielle Eigenleistungen, die von Patienten für Diagnostik und Therapie – teilweise im fünfstelligen Bereich aufgebracht werden, Fragen nach nicht evidenzbasierten Therapien auf.
Neben klassischen Versorgungswegen gewinnen auch digitale und telemedizinische Ansätze an Bedeutung. Eine systematische Übersichtsarbeit hob hervor, dass virtuelle Long-COVID-Kliniken, telemedizinische Konsile und digitale Monitoring-Tools geeignet sind, Versorgung niederschwellig zugänglich zu machen und Kapazitätsengpässe zu überbrücken [24].
Aus den vorliegenden Ergebnissen lassen sich mehrere Ansatzpunkte für eine strukturierte Weiterentwicklung der Versorgung ableiten. Zunächst sollte die hausärztliche Versorgung als primäre Anlaufstelle gestärkt und mit klaren Überweisungspfaden zu spezialisierten Einrichtungen verknüpft werden. Darüber hinaus erscheinen der Ausbau von Long-COVID-Ambulanzen sowie die Integration individualisierter rehabilitativer Maßnahmen in die Versorgungskette sinnvoll. Angesichts der erheblichen sozioökonomischen Belastungen erscheint zudem eine frühzeitige Einbindung arbeitsmedizinischer und psychosozialer Expertise als notwendig. Digitale und telemedizinische Angebote könnten als Ergänzung zur Präsenzversorgung dienen und Versorgungslücken überbrücken. Schließlich sollten Versorgung und Forschung enger verzahnt werden, um im Sinne eines Learning-Health-Systems die Evidenzlage kontinuierlich zu verbessern und Versorgungskonzepte dynamisch anzupassen.
Limitationen: Die Befragung basiert auf einer freiwilligen Online-Stichprobe. Die Angaben zu Diagnose, Symptomen und Verlauf beruhen auf Selbstberichten und konnten nicht klinisch verifiziert werden. Hierdurch sowie durch eine mögliche Auswahlverzerrung zugunsten stärker belasteter, unzufriedener oder besonders engagierter Teilnehmender ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt. Die große Fallzahl und eine 100%ige Datenvollständigkeit sind hingegen klare Stärken dieser Arbeit.
Schlussfolgerung
Diese bundesweite Befragung (n=3345) zeigt ein hohes und anhaltendes Symptom- und Belastungsniveau mit erheblichen sozioökonomischen Folgen (lange Krankschreibungen, Arbeitsunfähigkeit, hohe Eigenkosten) und eine überwiegend negative Bewertung der Versorgung (97% „schlecht/sehr schlecht“). Charakteristisch sind unkoordinierte Versorgungswege, viele Arztkontakte sowie lange Wartezeiten trotz häufiger Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen. Es besteht daher ein dringender Bedarf an strukturierten, niedrigschwelligen, sektorenübergreifenden Angeboten. Entscheidend erscheinen eine Stärkung der Primärversorgung sowie klare Überweisungs-/Koordinationspfade zu sein. Darüber hinaus könnte bei geeigneter Indikation und unter expliziter Abgrenzung gegenüber Patienten mit ME/CFS die Integration individueller, rehabilitativer Maßnahmen im interdisziplinären Versorgungskonzept die Versorgungssituation von Long-COVID-Patienten in Deutschland verbessern.
Interessenkonflikt
R. G. ist Mitglied des unabhängigen Beirats der Long-COVID-Plattform der BAG Selbsthilfe und ist Co-Autor der AWMF-Leitlinie Long-/Post-COVID. R. G., T. S., I. J., and R. K. haben Forschungsmittel des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) für Long-COVID-Forschung erhalten. R. R. ist Mitarbeiter der BAG SELBSTHILFE und Mitglied im G-BA-Unterausschuss postCov. C. B. hat Forschungsmittel der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS erhalten. R. K. ist federführender Autor der AWMF-Leitlinie Long-/Post-COVID.
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Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 10 July 2025
Accepted after revision: 01 October 2025
Article published online:
11 November 2025
© 2025. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
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