Schlüsselwörter
Influenza - Pneumokokken - RSV - SARS-CoV-2 - Impfung
Keywords
influenza - pneumococci - RSV - SARS-CoV-2 - vaccination
In Zeiten zunehmender Atemwegserkrankungen wird die gezielte Impfung gegen Erreger
von schweren Atemwegsinfektionen immer wichtiger. Während Hausärzte bereits einen
wesentlichen Beitrag bei Impfungen leisten, sind die Impfraten bei den respiratorischen
Erregern weiterhin viel zu niedrig. Dieser Artikel beleuchtet Hintergrundwissen zu
Impfungen der wichtigsten Atemwegserreger. Das Schaubild soll zur praktischen Handhabung
in der täglichen Praxis hilfreich sein und eine Übersicht über zeitgleiche Administration
der hier aufgeführten Impfstoffe geben. Aus Sicht der Autoren ist es essenziell, dass
sich Pneumologen als Impfexperten für ihre Patienten verstehen – ein Schritt, der
maßgeblich zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit beiträgt. Die hier aufgeführten
Empfehlungen folgen den aktuellen STIKO-Empfehlungen für Erwachsene, Informationen
über Kinder sind nicht enthalten ([Abb. 1]).
Abb. 1 Impfempfehlungen für Erwachsene mit chronischen Lungenerkrankungen.
Pneumokokken
Die Krankheitslast durch Pneumokokkeninfektionen ist hoch. Streptococcus pneumoniae ist verantwortlich für eine Vielzahl bakterieller Atemwegsinfektionen – von Sinusitis,
akuter Otitis media und Pneumonie bis hin zu schweren invasiven Erkrankungen wie Meningitis.
Allein bei der ambulant erworbenen Pneumonie werden in Deutschland jährlich über 660.000
Fälle verzeichnet, wobei nahezu die Hälfte der Betroffenen stationär behandelt werden
muss und fast 13% der Patienten im Krankenhaus versterben [1]. Hinzu kommt das Risiko einer funktionellen Verschlechterung nach durchgemachten
schweren Infektionen. Besonders ältere Menschen und Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen
wie COPD sind einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt [2]
[3]. Trotz der signifikanten Reduktion der Erkrankungen durch den Einsatz multivalenter
Pneumokokkenimpfstoffe bleibt die Krankheitslast hoch, was u.a. dem Phänomen des Serotypenaustauschs
geschuldet ist. Diese Fakten unterstreichen die Notwendigkeit, die Serotypen regelmäßig
zu erfassen und die Impfstoffe fortwährend entsprechend anzupassen.
Pneumokokkenimpfstoffe
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen den Polysaccharid- (PPSV) und den Konjugatimpfstoffen
(PCV). Die Konjugatimpfstoffe sind in zweifacher Hinsicht überlegen: Einerseits bewirken
sie eine T-Zell-abhängige Immunantwort, die zu Antikörperreaktionen und Ausprägung
eins immunologischen Gedächtnisses führen, andererseits führen sie auch zu einer mukosalen
Immunität und tragen somit zur Unterbrechung von Übertragungsketten bei. Seit Anfang
2022 ist der 20-valente Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff (PCV20) verfügbar, der somit
mehr Serotypen abdeckt als die bisherigen Konjugatimpfstoffe [4].
Aktuelle Impfempfehlung
Bei bisher ungeimpften Personen ist eine Impfung mit PCV20 indiziert. Dieses schließt
Personen mit 18 Jahren und älter mit Vorerkrankung als Indikationsimpfung sowie Personen
ab 60 Jahren als Standardimpfung ein. Zudem besteht die Möglichkeit, eine gleichzeitige
Impfung gegen Influenza und COVID-19 durchzuführen, was die praktische Umsetzung erleichtert
[5].
Personen, die bereits mit PPSV23 oder sequenziell (PCV13 oder PCV15 + PPSV23) geimpft
wurden, können im Mindestabstand von 6 Jahren mit PCV20 geimpft werden. Wenn eine
Impfung mit PCV13 erfolgt ist, sollte die Impfung mit PCV20 im Abstand von mindestens
einem Jahr durchgeführt werden.
Influenza
Infektionen mit Influenza sind v.a. bei Patienten mit pulmonalen Vorerkrankungen für
eine hohe Morbidität und Letalität verantwortlich.
Impfungen gegen Influenza
Impfungen gegen Influenza
Die Zusammensetzung des Impfstoffs gegen saisonale Grippe wird von der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) jedes Jahr basierend auf den erwarteten Influenza-A- und -B-Virusvarianten neu
festgelegt. Diese Vorhersagen sind jedoch mit Unsicherheiten verbunden, weshalb der
Impfschutz von Saison zu Saison unterschiedlich ausfallen kann. Daher wird eine jährliche
Auffrischungsimpfung empfohlen [6].
Weiterentwicklungen in der Influenzaimpfung gibt es sowohl hinsichtlich der Herstellung
als auch der Wirksamkeit und Dosierung der Impfstoffe. Das Problem bei hühnereibasierten
Impfstoffen liegt in der Anpassung des Virus an die Hühnereizellen, was zu Mutationen
führen kann. Zellkulturbasierte Impfstoffe hingegen werden auf Zelllinien von Säugetieren
produziert und bieten gegenüber herkömmlichen hühnereibasierten Impfstoffen den Vorteil,
dass sie keine hühnereibasierten Mutationen aufweisen [7].
Adjuvantierte Impfstoffe sind Impfstoffe, denen spezielle Substanzen zugesetzt werden,
um die Immunantwort zu verstärken, sodass auch ältere Menschen oder Personen mit geschwächtem
Immunsystem eine stärkere und nachhaltigere Immunantwort entwickeln. In der Grippeimpfung
wird häufig das Adjuvans MF59 verwendet. In einer kürzlich publizierten retrospektiven
Kohortenanalyse wurde die Wirksamkeit des MF59-adjuvantierten trivalenten Influenzaimpfstoffs
(aTIV) mit dem hochdosistrivalenten Influenzaimpfstoff (HD-TIV) bei Erwachsenen ab
65 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für schwere Influenzakomplikationen aufweisen,
untersucht. Die Erwachsenen erhielten während der Grippesaison 2019–2020 entweder
den adjuvantierten trivalenten Influenzaimpfstoff (aTIV) oder den hochdosistrivalenten
Influenzaimpfstoff (HD-TIV). Der adjuvantierte Impfstoff aTIV war besonders bei Personen
mit mindestens einem Risikofaktor für schwere Influenzakomplikationen wirksamer war
als der HD-TIV [8].
Aktuelle Impfempfehlung
Die STIKO empfiehlt, Personen ab 60 Jahren im Herbst jedes Jahres mit einem inaktivierten
Influenza-Hochdosis-Impfstoff zu impfen, der in dieser Population eine höhere Effektivität
aufweist [9]. Ab der Saison 2025/2026 kann bei Personen ab 60 Jahren neben dem Hochdosisimpfstoff
auch ein MF-59-adjuvantierter Impfstoff zum Einsatz kommen. Eine retrospektive Kohortenstudie
bei Patienten im Alter von 65 Jahren und älter stellte eine höhere Wirksamkeit in
der Population mit mindestens einem Risikofaktor fest [6].
Für Personen ab 6 Monaten mit einer Indikation ist ein inaktivierter Influenzaimpfstoff
in
Standarddosis empfohlen. Personen im Alter von 2–17 Jahren können alternativ mit einem
LAIV
(lebend-attenuierter Influenza Impfstoff, nasal) geimpft werden, sofern keine
Kontraindikationen bestehen [7].
RSV
Die Relevanz von Respiratory Syncytial Virus (RSV) bei Erwachsenen, insbesondere bei
älteren Menschen mit Komorbiditäten, wird zunehmend erkannt [10]. Insgesamt verursacht es jährlich 3–7% aller Atemwegserkrankungen bei älteren Erwachsenen
(≥60 Jahre), von denen etwa 17–28% zu Arztbesuchen führen. Bei Erwachsenen mit höherem
Risiko, wie z.B. solchen mit Herz-Lungen-Erkrankungen, liegt die jährliche Inzidenz
von RSV-Infektionen bei 4–10%, mit einer Hospitalisierungsrate von etwa 16%. In schweren
Fällen, die auf Intensivstationen behandelt werden, liegt die Sterblichkeitsrate bei
1–12%. Die Morbidität und Letalität durch RSV ist vergleichbar mit Influenza, wobei
RSV häufiger bei älteren Patienten auftritt und zu schwereren Atemwegssymptomen führt.
Häufige Komplikationen sind Dekompensationen von Vorerkrankungen wie Herzinsuffizienz
und COPD. Derzeit steht keine Standardtherapie für Infektionen mit RSV zur Verfügung.
Impfungen gegen RSV
Seit dem Jahr 2024 stehen gegen RSV 3 Impfstoffe zur Verfügung, die jeweils das
Prefusion-F-Glykoprotein als Zielstruktur adressieren. Eine Phase-III-Studie des bivalenten
Proteinimpfstoffs, bestehend aus Prefusion-F-Antigenen der beiden gängigen zirkulierenden
Subgruppen RSV A und B, belegte eine signifikante Wirksamkeit gegenüber RSV-bedingten
Infektionen der unteren Atemwege mit mehr als 2 respektive mehr als 3 Symptomen (Zulassung
in
der Schwangerschaft und ab 18 Jahre) [11]. Eine Phase-III-Studie ergab auch für ein adjuvantiertes Vakzin eine suffiziente
Wirksamkeit (Zulassung ab 50 Jahre) [12]. Letztes Jahr wurden dann auch die Daten des mRNA-Impfstoffs mRNA-1345 publiziert
und
die positiven Ergebnisse führten ebenfalls zu einer Zulassung (ab 60 Jahre) [13].
Für die beiden Proteinimpfstoffe RSV PreF und adjuvantierter RSV PreF3 konnte bereits
eine Wirksamkeit über 2 Saisons gezeigt werden [14]
[15]. Für den adjuvantierten Impfstoff zeigten neueste Daten auch eine Wirksamkeit über
3 Saisons [16]. Zudem konnte gezeigt werden, dass die RSV-Proteinimpfstoffe problemlos mit hochdosiertem
[17] und adjuvantiertem Influenzaimpfstoff verabreicht werden können [18].
Aktuelle Impfempfehlung
Empfohlen wird eine einmalige RSV-Impfung vor Beginn der Herbst-Winter-Saison für
alle Personen über 75 Jahre sowie ab 60 Jahren bei schwerer Grunderkrankung. Eine
valide Definition einer schweren Grunderkrankung wird dabei nicht aufgeführt [19]. Falls dieser Zeitpunkt verpasst wurde, kann (bei anhaltender Wirksamkeit) auch
zu einem späteren Zeitpunkt geimpft werden. Ob und in welcher Frequenz eine erneute
Impfung notwendig wird, ist aktuell noch Gegenstand von Untersuchungen. Seit April
2025 schließt dies neben dem proteinbasierten und adjuvantierten Impfstoff auch den
mRNA-Impfstoff ein [20].
SARS-CoV-2
Die aktuelle epidemiologische Lage von SARS-CoV-2 zeigt, dass das Virus weiterhin
weltweit zirkuliert. Durch die Einführung von Impfstoffen und das Auftreten neuer
Virusvarianten wie Omikron und seinen Untervarianten hat sich das Infektionsgeschehen
verschoben. Die Omikronvarianten zeigen eine höhere Übertragbarkeit, jedoch oft mildere
Verläufe, insbesondere bei geimpften oder zuvor infizierten Personen.
Dennoch bleibt SARS-CoV-2 eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem, da
es weiterhin zu Hospitalisierungen insbesondere in vulnerablen Gruppen wie älteren
Menschen und Immungeschwächten führt [21]. Aktuelle Daten weisen auf eine Zunahme von Reinfektionen hin, was darauf hindeutet,
dass die Immunität, sei es durch Impfung oder natürliche Infektion, im Laufe der Zeit
abnimmt. Dies hat zu Empfehlungen für Auffrischungsimpfungen geführt, insbesondere
für Hochrisikogruppen.
Impfungen gegen SARS-CoV-2
Impfungen gegen SARS-CoV-2
Heute stehen die mRNA-Vakzine sowie proteinbasierte Impfstoffe mit hoher Wirksamkeit
zur Verfügung [22]
[23]
[24]. Relevant für einen suffizienten Schutz bei Erwachsenen bis 60 Jahre ohne Vorerkrankungen
ist die Basisimmunität, bestehend aus 3 Kontakten mit dem Virus, von dem mindestens
einer durch eine Impfung erfolgen sollte [25]. Eine gleichzeitige Administration mit Influenza und Pneumokokken ist möglich.
Aktuelle Impfempfehlung
Personen ≥60 Jahre sowie mit Vorerkrankungen oder beruflich Exponierte sollen eine
jährliche Auffrischimpfung im Herbst mit einem der zugelassenen und adaptierten Impfstoffe
bekommen.
Im seltenen Fall einer fehlenden Basisimmunität sollte dieses durch initial 2 Impfungen
im Mindestabstand von 4–12 Wochen und die die dritte Impfung im Mindestabstand von
6 Monaten zur zweiten Impfung durchgeführt werden [26].
Herpes Zoster
Die meisten Erwachsenen in Deutschland infizieren sich schon im Kindesalter mit dem
Varizella-Zoster-Virus (VZV), das nach Erstinfektion lebenslang im Körper verbleibt
und im
höheren Alter oder bei Immunsuppression reaktiviert werden kann. Reaktivierungen gehen
häufig
mit einer erheblichen Morbidität einher, auch vital bedrohliche Verlaufsformen sind
möglich.
Eine weitere mögliche Folge stellt die postherpetische Neuralgie dar. Aus pneumologischer
Sicht ist v.a. eine COPD unter Therapie mit inhalativen oder oralen Steroiden mit
einer
gehäuften Reaktivierung assoziiert [27].
Impfstoffe und Impfempfehlung
Impfstoffe und Impfempfehlung
Um Herpes Zoster und postherpetische Neuralgie zu verhindern, wird eine Impfung ab
dem 60. Lebensjahr (bei Vorerkrankungen ab dem 50. Lebensjahr) mit dem adjuvantierten
Herpes-Zoster-Totimpfstoff mit 2 Dosen im Abstand von 2–6 Monaten empfohlen.
Der adjuvantierte Totimpfstoff zeichnet sich durch eine starke Immunantwort aus, die
auch bei älteren Personen eine Impfeffizienz von über 80% erreicht.
Zur Akzeptanzsteigerung sind Impflinge über die Reaktogenität des Impfstoffs mit häufig
auftretenden lokalen und systemischen Immunreaktionen [28]
[29] genauso aufzuklären wie über die langanhaltende Immunantwort und Impfstoffwirksamkeit
auch nach über 10 Jahren [30]. Die gleichzeitige Verabreichung mit einem inaktivierten, nicht-adjuvantierten Influenzaimpfstoff
ist laut Fachinformation möglich. Daten zur gleichzeitigen Anwendung mit anderen Impfstoffen
liegen bisher nicht vor [31].
Pertussis
Pertussis wird durch das Bakterium Bordetella pertussis
ausgelöst und verläuft in mehreren Stadien. Kennzeichnend dabei ist das sog. Stadium
convulsivum durch heftige Hustenanfälle. Ein möglicher Zusammenhang zwischen Exazerbationen
obstruktiver Lungenerkrankungen und Pertussisnachweisen wird durch den vermehrten
Nachweis von
Pertussisinfektionen v.a. in den ersten 4 Wochen nach einer Exazerbation gestützt
[32].
Impfstoffe und Impfempfehlung
Impfstoffe und Impfempfehlung
In Deutschland kommen mittlerweile nur noch azelluläre Totimpfstoffe gegen Pertussis
zum
Einsatz, die i.d.R. 3 verschiedene Pertussisantigene enthalten. Diese Impfstoffe sind
gut
verträglich und gehen mit einer hohen Wirksamkeit einher [27]. Sie werden als Kombinationsimpfstoffe mit Tetanus, Diphtherie (und Polio)
verabreicht. Entsprechend wird empfohlen, bei der nächsten Tetanus- und
Diphtherie-Auffrischimpfung einmalig den Kombinationsimpfstoff Tdap zu verwenden,
der neben
Tetanus- und Diphtherieantigenen auch ein Pertussisantigen enthält [33].