Der Beginn eines neuen Jahres ist auch eine Gelegenheit, zurückzuschauen und Bilanz
zu ziehen. Die Psychiatrische Praxis tut dies wieder, indem sie die meistzitierten Beiträge des 33. Jahrgangs der Zeitschrift
kürt. Diesmal belegen drei originär sozialpsychiatrische Arbeiten mit jeweils 9 Zitierungen
gleichrangig den ersten Platz [1 ]
[2 ]
[3 ]. Dass ein Fünftel aller Zitationen dieser Arbeiten auf englischsprachige Zeitschriften
zurückgeht zeigt, dass die Beiträge aus der Psychiatrischen Praxis auch international rezipiert werden.
Erstautorin der Untersuchung, die international am häufigsten zitiert wurde, ist Ingrid
Sibitz [1 ]. Sie ist seit 2003 als Fachärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien
tätig und leitet die dortige Tagesklinik. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit
beschäftigt sie sich mit Psychoedukation, Stigma und Angehörigenforschung. In ihrem
Beitrag „Wissen – genießen – besser leben” berichten Ingrid Sibitz und Kollegen über
ein Seminar für Psychoseerfahrene, das – im Unterschied zu anderen Programmen – lebensqualitätsbezogenen
Themen ebensoviel Bedeutung beimisst wie krankheitsspezifischen Themen. Zwischenzeitlich
konnte die Arbeitsgruppe nachweisen, dass die durch das Programm erreichten Verbesserungen
des Krankheitswissens und der Lebensqualität auch nach einem Jahr noch bestehen [4 ].
Ingrid Sibitz
Innerhalb Deutschlands auf großes Interesse gestoßen ist die erste, in einer deutschen
Fachzeitschrift publizierte Übersichtsarbeit zu Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie,
die von Tilman Steinert und Thomas Kallert zusammengestellt wurde [2 ]. Die Autoren konnten zeigen, dass medikamentöse Zwangsbehandlungen bei 2–8 % der
stationär behandelten psychisch Kranken erfolgen. Obwohl das Thema nach wie vor kontrovers
diskutiert wird, versachlicht sich der Diskurs durch die Überprüfung von Evidenz,
klare Gesetze und Leitlinien. Der Erstautor der Übersichtsarbeit, Tilman Steinert,
ist Chefarzt der Allgemeinpsychiatrie am Zentrum für Psychiatrie, Die Weissenau, und
hat 1997 den Arbeitskreis Prävention von Gewalt in der Psychiatrie gegründet. 2008 konnte er in einer Originalarbeit belegen, dass organisatorische
Veränderungen auf Akutaufnahmestationen ohne zusätzliche personelle Ressourcen dazu
beitragen, dass Zwangsmaßnahmen seltener eingesetzt werden müssen [5 ]. Diese Ergebnisse sind auch in die Thesen des Arbeitkreises Prävention von Gewalt
und Zwang eingegangen [6 ].
Tilman Steinert
Erstautorin des dritten meistzitierten Beitrags ist Rita Schmid, die seit 2004 als
klinische Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bezirksklinikum Regensburg
tätig ist und seit 2007 Sprecherin der AG „Familientherapie” im DGPPN-Referat „Psychotherapie”
ist. Neben der Angehörigenforschung beschäftigt sie sich in ihrer wissenschaftlichen
Arbeit mit bipolaren Störungen, Depression und Suizidalität.
In einer qualitativen Studie konnte sie zeigen, dass Geschwister psychisch Kranker
sich nicht nur im Umgang mit den Erkrankten, sondern auch in ihrer persönlichen Lebenssituation
und im Umgang mit ihrer Herkunftsfamilie belastet fühlen [3 ]. Aufbauend auf den in der Angehörigenforschung gewonnenen Erfahrungen empfiehlt
die Arbeitsgruppe um Rita Schmid, bei Zustimmung des Patienten Entlassungsbriefe an
Angehörige in der Routineversorgung einzusetzen, um den Behandlungserfolg zu sichern,
die Angehörigen zu entlasten und die Krankheitsbewältigung in der Familie zu fördern
[7 ].
Rita Schmid
Wir gratulieren den Autoren der drei meistzitierten Arbeiten zu ihren Beiträgen und
bedanken uns auch bei allen anderen Autoren für ihre interessanten und wissenschaftlich
anspruchsvollen Untersuchungen. Gemeinsam mit allen Lesern freuen wir uns auf den
neuen, 36. Jahrgang der Psychiatrischen Praxis.
Christiane Roick, Steffi G. Riedel-Heller