Konkretisierung der Delegationsmöglichkeiten ärztlicher Leistungen durch die Bekanntmachung
der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Oktober 2008
Einleitung
Einleitung
Grundsätzlich hat der Arzt seine angebotene Leistung persönlich zu erbringen. Das
Gebot der persönlichen ärztlichen Leistungserbringung stellt aufgrund der Freiberuflichkeit
der ärztlichen Tätigkeit einen der bedeutendsten Grundsätze im Arztrecht dar. Sinn
und Zweck des Grundsatzes ist der Schutz der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen
Arzt und Patient, auf Grundlage derer die Leistung erbracht wird.
Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung bedeutet jedoch nicht, dass der
Arzt jede Maßnahme im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten auch eigenhändig
ausführen muss. Der Einsatz von nicht-ärztlichen und ärztlichen Mitarbeitern ist in
begrenztem Umfang zulässig, wenn der delegierende Arzt dabei leitend und eigenverantwortlich
tätig wird.
Zur näheren Konkretisierung der Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher
Leistungen haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
im Oktober 2008 im Deutschen Ärzteblatt (vgl. DÄ 2008, Heft 41, A 2173 - A 2177) eine
Bekanntmachung zum Grundsatz der Persönlichen Leistungserbringung veröffentlicht.
Diese Bekanntmachung soll hier in ihren Auswirkungen für den Bereich der Radiologie
zusammengefasst und erläutert werden. Insbesondere soll auch auf Unterschiede zur
bisher maßgeblichen Erklärung der Bundesärztekammer und der KBV von 1987 eingegangen
werden.
Rechtsgrundlagen
Rechtsgrundlagen
Trotz der großen Bedeutung des Grundsatzes der Persönlichen Leistungserbringung fehlt
es nach wie vor an einer klaren gesetzlichen oder untergesetzlichen Inhaltsbestimmung,
die konkret vorgibt, welche Anforderungen genau an die behandelnden Ärzte gestellt
werden. Allerdings finden sich im Vertragsarztrecht anlässlich der Umsetzung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes
in den Bundesmantelverträgen erstmalig nähere Vorgaben und zwar insbesondere hinsichtlich
des Umgangs mit angestellten Ärzten. Normen, die den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung
voraussetzen, gibt es indes viele - so etwa im Zivilrecht oder in den Gebührenordnungen
(EBM-Ä GOÄ). Somit wird die gesamte Tätigkeit des Arztes (GKV-Leistungen, Privatleistungen)
von diesem Grundsatz beeinflusst. So schreibt § 613 Abs.1 BGB den Grundsatz der Persönlichen
Leistungserbringung für das Dienstvertragsrecht vor und findet dadurch Anwendung,
dass Verträge zwischen Arzt und Patient in der ambulanten Versorgung regelmäßig als
Dienstverträge einzuordnen sind. Im Berufsrecht findet der Grundsatz seinen Niederschlag
in § 19 der Musterberufsordnung. Im Vertragsarztrecht ist Rechtsgrundlage § 32 Ärzte-Zulassungsverordnung.
Zwar findet sich seit der Umsetzung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetz in den Bundesmantelverträgen
eine Definition zur persönlichen Leistungserbringung. Dort heißt es jedoch nur, dies
sei die durch gesetzliche und vertragliche Bestimmung näher geregelte Verpflichtung
des Vertragsarztes bzw. angestellten Arztes zur unmittelbaren Erbringung der vorgesehenen
medizinischen Leistungen, auch im Rahmen zulässiger Delegation.
Bei der Frage, in welchem Umfang und an wen welche ärztlichen Leistungen delegationsfähig
sind, kann eine Orientierung an den durch die Rechtsprechung aufgestellten Maßstäben
erfolgen. Viele Detailfragen sind inzwischen schon gerichtlich geklärt worden. Als
grundsätzliche Leitlinie für das tägliche Vorgehen sind daneben auch die folgenden
Anhaltspunkte aus der Erklärung der Bundesärztekammer und der KBV aus Oktober 2008
zu verstehen.
Höchstpersönliche Leistungen
Höchstpersönliche Leistungen
-
Als höchstpersönliche (= nicht an nicht-ärztliche Mitarbeiter delegierbare) Leistungen
werden nach der neuen Erklärung von Bundesärztekammer und KBV solche Leistungen eingestuft,
die wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der
Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen vom Arzt höchstpersönlich mit seiner besonderen
Fachkenntnis und Erfahrung erbracht werden müssen. Im Prinzip wird damit genau der
sog. Kernbereich der ärztlichen Leistung beschrieben, der auch nach der Erklärung
von 1987 als nicht delegierbar angesehen wurde. Zusätzlich werden aber in der neuen
Erklärung beispielhaft als höchstpersönlich anzusehende Leistungen angegeben:
-
Anamnese (aber: vorbereitender Fragebogen durch nicht-ärztliche Mitarbeiter möglich,
wenn nachfolgende Überprüfung durch Arzt im Gespräch mit Patienten)
-
Indikationsstellung
-
Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen
-
Stellen der Diagnose
-
Aufklärung und Beratung des Patienten (aber: Aushändigung schriftlicher Informationen
durch nicht-ärztliche Mitarbeiter möglich, wenn Sicherstellung des Verständnisses
des Patienten im Aufklärungsgespräch durch Arzt)
-
Entscheidung über die Therapie und
-
Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe.
Delegation an nichtärztliche Mitarbeiter
Delegation an nichtärztliche Mitarbeiter
Solche Leistungen, die nicht als höchstpersönlich einzustufen sind, können auch an
nichtärztliche Mitarbeiter delegiert werden. Die Entscheidung ist – wie auch bereits
nach der Erklärung der Bundesärztekammer und KBV von 1987 – von der Qualifikation
des Mitarbeiters abhängig zu machen. Den delegierenden Arzt trifft zunächst eine Auswahlpflicht.
Bei einer abgeschlossenen Ausbildung des Mitarbeiters reicht die Feststellung der
formalen Qualifikation sowie eine einmalige Überprüfung, ob die tatsächliche Arbeitsweise
dieser Qualifikation entspricht, neben weiteren (dann lediglich stichprobenhaften)
Kontrollen. Wenn keine abgeschlossene Ausbildung vorliegt, muss der Mitarbeiter nach
seinen allgemeinen Fähigkeiten ausgewählt, sodann angelernt und überwacht werden.
Bei der Vornahme von Leistungen durch nichtärztliche Mitarbeiter muss sich der delegierende
Arzt grundsätzlich in unmittelbarer Nähe aufhalten (Rufnähe). In der neuen Erklärung
der Bundesärztekammer und der KBV wird als Grundregel angegeben, dass die Abwesenheit
des Arztes eher hingenommen werden könne, wenn der Kenntnisstand und die Erfahrung
des Mitarbeiters hoch und das Gefährdungspotential für den Patienten gering sei.
Röntgen
Röntgen
In der Erklärung der Bundesärztekammer und der KBV von Oktober 2008 werden zudem erstmals
für einzelne Fachgebiete konkrete Hinweise dazu gegeben, welche Leistungen in welchem
Umfang delegierbar sind. Für den Bereich Röntgen ist wie folgt zu unterscheiden:
-
Indikation zur Anwendung von Röntgenstrahlen: nur der Arzt, §§ 23, 24 I Nr. 2 oder
2 RöV
-
Technische Durchführung: auch nicht-ärztliche Mitarbeiter mit Qualifikation nach RöV,
§ 24 II RöV; Arzt muss nicht zwingend im Röntgenraum, wohl aber für Rückfragen kurzfristig
erreichbar sein; Achtung: bei intravenöser Kontrastmittel-Gabe muss der Arzt in unmittelbarer
Nähe sein
MRT
MRT
Ähnliches ist für den Bereich MRT angegeben. Anordnung und Befundung kann nur durch
den Arzt erfolgen. Bei einer technischen Durchführung durch nicht-ärztliche Mitarbeiter
muss der Arzt so zur Verfügung stehen, dass er die entstehenden Aufnahmen bewerten
und den weiteren Untersuchungsverlauf steuern kann. Bei Risiko-Patienten ist das Aufhalten
des Arztes in unmittelbarer Nähe erforderlich. Ausreichend ist die Nähe eines anderen
Arztes, der das mit der Leistung verbundene Risiko beherrscht.
Nuklearmedizin/Strahlentherapie
Nuklearmedizin/Strahlentherapie
Auch im Bereich Nuklearmedizin und Strahlentherapie darf die Indikationsstellung nur
durch einen fachkundigen Arzt erfolgen. Nicht-ärztliche Mitarbeiter müssen für die
technische Mitwirkung eine Qualifikation nach der Strahlenschutzverordnung (§ 82 II
Nr. 1 oder Nr. 2 StrlSchVO) besitzen oder Kenntnisse im Strahlenschutz (§ 24 II Nr.
3 und 4 StrlSchVO) nachweisen. Dies gilt auch für medizinisch-technische Assistenten
in der Radioonkologie und Strahlentherapie (§ 9 I Nr. 2 MTA-Gesetz). Der fachkundige
Arzt muss die Teilleistungen im Einzelfall anordnen.
Delegation an ärztliche Mitarbeiter
Delegation an ärztliche Mitarbeiter
Während sich die Erklärung der Bundesärztekammer und KBV von 1987 schwerpunktmäßig
auf die Frage der Delegation an nicht-ärztliche Mitarbeiter konzentrierte, werden
nun auch Hinweise für die Delegation an ärztliche Mitarbeiter innerhalb des Bereichs
der höchstpersönlichen Leistungen gegeben.
Für eine solche Delegation muss sich der delegierende Arzt von der fachlichen Qualifikation
des die Leistung erbringenden Arztes (Facharztanerkennung nach Weiterbildungsrecht
sowie ggf. Abrechnungsgenehmigung) überzeugen und sich bei einer einmaligen gemeinsamen
Durchführung der Leistung Gewissheit über die Qualität und Sorgfalt der Leistung des
Kollegen verschaffen. Im Anschluss daran besteht eine Überprüfungspflicht erst bei
konkreten Anhaltspunkten.
Bei der Erbringung von GKV-Leistungen durch angestellte Ärzte fordert § 14a BMV-Ä
die "persönliche Leitung des Vertragsarztes", woraus sich eine zahlenmäßige Begrenzung
ergibt. Denn die persönliche Leitung ist bei einer Vollzulassung nur dann anzunehmen,
wenn pro Vertragsarzt max. drei vollzeitbeschäftigte Ärzte tätig sind oder teilzeitbeschäftigte
Ärzte, bis deren zeitlicher Tätigkeitsumfang drei vollen Stellen entspricht. Hier
ist also eine höhere Anzahl an Ärzten möglich. So können beispielsweise zwei Angestellte
mit 25 % und fünf Angestellte mit 50 % beschäftigt werden. Bei einer Teilzulassung
(hälftiger Versorgungsauftrag) kann pro Vertragsarzt ein vollzeitbeschäftigter Arzt
oder zwei teilzeitbeschäftigte Ärzte beschäftigt werden. Allerdings ist bei Vertragsärzten,
die überwiegend medizinisch-technische Leistungen erbringen wie z.B. Radiologen und
Nuklearmediziner, eine höhere Anzahl an angestellten Ärzten möglich. Bei einer Vollzulassung
können je Vertragsarzt maximal vier vollzeitbeschäftigte Ärzte angestellt werden bzw.
wieder so viele teilzeitbeschäftigte Ärzte, bis deren zeitlicher Tätigkeitsumfang
vier vollen Stellen entspricht. Bei einer Teilzulassung sind je Vertragsarzt ein vollzeitbeschäftigter
Arzt bzw. zwei teilzeitbeschäftigte Ärzte möglich. Eine Beschäftigung von angestellten
Ärzten über die genannte Anzahl hinaus ist dann möglich, wenn der Vertragsarzt dem
Zulassungsausschuss vor der Erteilung der Genehmigung nachweist, durch welche Vorkehrungen
er die persönliche Leitung der Praxis gewährleistet. Die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten
ist nicht anzurechnen, d.h. Weiterbildungsassistenten sind unabhängig von der Zahl
der beschäftigten Ärzte möglich. Eine Delegation an einen Arzt ohne Facharztanerkennung
ist nur im Rahmen der Weiterbildung dieses Arztes möglich. Die Anforderungen an den
Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung sind deutlich strenger als bei einem
angestellten Arzt, der bereits die Facharztanerkennung hat.
Bei einem Weiterbildungsassistenten muss sich der delegierende Arzt in unmittelbarer
Nähe des leistenden Arztes aufhalten.
Zu beachten ist, dass vertragsarztrechtlich sowohl der angestellte Facharzt als auch
der Weiterbildungsassistent vor Tätigkeitsbeginn genehmigt werden muss. Liegt eine
Genehmigung nicht vor, so ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung
gegeben. Es kann u.a. zu Honorarrückforderungen kommen. Eine rückwirkende Genehmigungserteilung
ist nicht möglich.
Die Anstellung von fachgebietsfremden Ärzten ist ebenfalls grundsätzlich denkbar,
allerdings ist zu beachten, ob auch das jeweilige Berufsrecht dies ermöglicht. Hier
kann es in den verschiedenen Kammerbezirken Unterschiede geben. Für überweisungsabhängige
Fächer (Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie, Nuklearmedizin, Pathologie, Radiologische
Diagnostik bzw. Radiologie, Strahlentherapie, Transfusionsmedizin) gelten vertragsarztrechtliche
Sonderregeln. Eine Anstellung ist nicht zulässig, wenn der Vertragsarzt und der angestellte
Arzt verschiedenen Fachgruppen angehören und der angestellte Arzt Facharzt eines überweisungsabhängigen
Fachgebietes ist. Dies gilt auch dann, wenn im EBM-Ä hochspezialisierte Leistungen
bestimmt werden, die wegen besonderer apparativer und fachlicher Voraussetzungen oder
zur Sicherung der Qualität der Versorgung nur auf Überweisung in Anspruch genommen
werden können. Es geht letztlich darum, dass keine Vermischung von Arztgruppen mit
solchen Arztgruppen erfolgen soll, die nur auf Überweisung tätig werden dürfen. Das
Verbot der Zuweisung gegen Entgelt soll nicht umgangen werden.
Eine Delegation an einen Arzt ohne Facharztanerkennung ist hingegen nur im Rahmen
der Weiterbildung dieses Arztes möglich. In diesem Fall muss sich der delegierende
Arzt auch in unmittelbarer Nähe des leistenden Arztes aufhalten oder sich davon überzeugen,
dass der leistende Arzt bereits über genügend Erfahrung für die Erbringung der Leistung
besitzt.
Rechtsfolgen einer unzulässigen Delegation
Rechtsfolgen einer unzulässigen Delegation
Wenn nicht delegationsfähige Leistungen delegiert oder delegationsfähige Leistungen
an nichtqualifiziertes Personal abgegeben werden, kann es zu Honorarrückforderungen
bzw. vorsorglichen Honorareinbehaltungen von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung
(KV), zu Disziplinar-, Entziehungs- und Strafverfahren kommen. Die KV kann Abrechnungsbescheide
bei unzulässiger Delegation aufheben und bei großen Rückforderungssummen auch weiteres
Honorar einbehalten, weil die Leistungen im System der vertragsärztlichen Versorgung
nicht lege artis erbracht und somit nicht abrechnungsfähig sind. In berufsrechtlicher
Hinsicht kann ein Verstoß gegen den Grundsatz der Persönlichen Leistungserbringung
zu einem berufsgerichtlichen Verfahren führen. Ferner kommt beim Verstoß gegen den
Grundsatz der Persönlichen Leistungserbringung ein Strafverfahren wegen Betruges nach
§ 263 StGB in Betracht.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die Bekanntmachung der Bundesärztekammer und der KBV klärt einige bisher offene Fragen
bezüglich des Grundsatzes der Persönlichen Leistungserbringung. Für den Bereich der
Radiologie waren durch gesetzliche Vorgaben wie RöV und StrlSchVO bereits vorher einschränkende
Vorgaben vorhanden. Dennoch werden sich die Klarstellungen insbesondere für die Delegation
an ärztliche Mitarbeiter als hilfreich erweisen. Auch sind die konkreten Beispiele
für höchstpersönliche Leistungen zu begrüßen.