Das Jahre 2009 ist mit Fug und Recht ein Jubiläumsjahr der Superlative: Gleich drei
der größten Komponisten werden gefeiert. Felix Mendelssohn Bartholdy und Friedrich
Schiller feiern runde Geburtstage (200 bzw. 250), die Todestage von Joseph Haydn und
Georg Friedrich Händel jähren sich auch zum 200. bzw. 250. Mal.
Im Februar 2009 wurde weltweit der Geburtstag von Charles Darwin, dem wohl bedeutsamsten
Biologen aller Zeiten, zum 200. Mal gefeiert. Und wir feiern mit, denn die Deutsche
Gesellschaft für Pneumologie blickt auf die ersten 50 Tagungen in ihrer Geschichte
zurück. Dies war Anlass für unsere Ehrenmitglieder Nikolaus Konietzko, Rainer Dierkesmann,
Robert Kropp, Robert Loddenkemper und Bernhard Wiesner mit redaktioneller Unterstützung
von Vera Seehausen kritisch Rückschau zu halten und die wechselhafte Geschichte der
Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) schlaglichtartig
zu betrachten. In ihrem Rückblick in dieser Ausgabe der „Pneumologie” spannen sie
einen weiten Bogen von der Vorgeschichte und Gründung (1925) über die Vorkriegsjahre
und NS-Zeit, den Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg mit der Entwicklung von der
Phthisiologie zur modernen Pneumologie bis hin zur Zeit der Neustrukturierung in den
Jahren 1991 bis heute. Dieser Artikel soll dazu beitragen, die wechselhafte Geschichte
der DGP in Erinnerung zu rufen, die sowohl von Licht als auch Schatten geprägt ist.
Diesen Rückblick auf 50 Tagungen der DGP empfehle ich als „Pflichtlektüre” allen Kolleginnen
und Kollegen, denen die deutsche Pneumologie am Herzen liegt. Einige Aspekte möchte
ich aus meiner ganz persönlichen Sicht besonders herausheben:
Diese historische Zeitreise macht den engen Zusammenhang zwischen Zeitgeschichte und
Entwicklung unseres Faches deutlich. Exemplarisch sei die demonstrative Wahl von Danzig
als Gründungsort genannt, das damals – vom Reich abgetrennt – unter dem Mandat des
Völkerbundes stand. 1926 fiel die Wahl auf Düsseldorf als ersten Tagungsort, kurz
nachdem die Okkupation durch die Franzosen beendet war. Die Tuberkulose war nicht
nur eine Geißel der Menschheit – nein, auch die verhängnisvolle (zu) enge Bindung
unserer Gesellschaft an die Tuberkulose als einzige Krankheit und die darauf fußende
Berufspolitik haben sich spürbar negativ auf die Weiterentwicklung unseres Fachgebietes
ausgewirkt. Exemplarisch seien der Austritt aus der Deutschen Gesellschaft für Innere
Medizin (DGIM) und die Umbenennung vom Lungenarzt in Tuberkulosearzt genannt. Wertvolle
Zeit ging verloren, bis dieser Irrweg verlassen und der angerichtete Flurschaden weitgehend
repariert werden konnte. Zu den Schattenseiten unserer Historie zählen ohne Zweifel
die Verstrickungen von Vertretern auch unseres Faches und unserer Gesellschaft in
die Politik der dunklen Jahre des Nationalsozialismus.
Der rasante Fortschritt der grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse, der molekularbiologischen
und bildgebenden Methoden, der technischen Fertigkeiten und der internistischen Intensivmedizin
beschleunigten die Weiterentwicklung der Pneumologie als eigenständiges Fachgebiet
mit universitärer Präsenz zwar im Ausland, leider aber nicht in Deutschland. Der dramatische
Effekt der Umstrukturierung und Demokratisierung unserer Gesellschaft in den 1990er
Jahren unter Einbeziehung der wissenschaftlichen Sektionen hat maßgeblich dazu beigetragen,
dass die DGP heute nicht nur als Wissens- und Wertegemeinschaft fungiert, sondern
als kraftvoller Motor der medizinischen Entwicklung im Spektrum der Inneren Medizin
etabliert ist.
Große Fortschritte wurden ferner bei der Entwicklung der Beziehungen zu anderen Gesellschaften
gemacht. Dies gilt sowohl im Binnenverhältnis wie beispielsweise mit der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und
Schlafmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie als auch im Außenverhältnis.
So ist die DGP heute als eine der nationalen Gesellschaften fest in der European Respiratiory
Society (ERS) vertreten.
Doch bleibt noch viel zu tun. Dass zahlreiche niedergelassene Pneumologen nicht Mitglied
der DGP sind, schmerzt und sollte Anlass für gemeinsame Anstrengungen sein, diesen
Kollegen den Weg in die DGP zu ebnen. Die Stärkung des Einflusses der deutschen Pneumologie
in der ERS setzt voraus, dass mehr DGP-Mitglieder in die europäische Fachgesellschaft
eintreten und aktiv mitwirken. Auch dafür müssen wir intensiv werben. Die DGP muss
sich weiter professionalisieren, sich zu ökonomischen Rahmenbedingungen wie zu rechtlichen
Vorgaben äußern und zu strukturellen Veränderungen Stellung beziehen, sofern diese
die Weiterentwicklung der Pneumologie beeinträchtigen.
Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass die Pneumologie in Deutschland auf einem
guten Wege ist. Davon zeugen insbesondere die steigende Zahl an Ausschreibungen für
pneumologische Abteilungen an Universitäten, die Beteiligung der Pneumologie an Forschungsnetzwerken
und im außeruniversitären Bereich die zunehmende Zahl pneumologischer Abteilungen
als Ausdruck der notwendigen Spezialisierung innerhalb der Inneren Medizin. Die Beatmungsmedizin
ist ein gutes Beispiel dafür, dass verloren geglaubtes Terrain erfolgreich zurückgewonnen
und zukunftsweisend ausgebaut werden kann, wenn die Fachgesellschaft ihren Einfluss
geltend macht.
Es werden noch Jahre vergehen, bis die Pneumologie in Deutschland den ihr gebührenden
Rang unter den internistischen Disziplinen in Klinik, Forschung und Lehre eingenommen
hat. Doch haben wir meines Erachtens den richtigen Weg eingeschlagen, dabei aus den
positiven Entwicklungen und Fehlern der Vergangenheit gelernt und verstanden, dass
die Vitalität einer Fachgesellschaft von den Aktivitäten ihrer Mitglieder und von
deren Vernetzung im Inneren und nach außen bestimmt wird. Die Jahreskongresse sind
ein lebendiges Beispiel dafür. Die Teilnehmerzahl wächst, die Qualität der Beiträge
steigt und die mediale Präsenz nimmt stetig zu. Der Rückblick auf die hinter uns liegenden
49 Tagungen macht deutlich, dass wir unsere Lektionen gelernt haben und uns nun auf
einem spannenden, vielversprechenden Weg in eine erfolgreiche Zukunft der DGP befinden.
In diesem Sinne freue ich mich auf den diesjährigen 50. Kongress der DGP in Mannheim.