Während die Häufigkeit der Plexusparese bei reifen Neugeborenen rückläufig ist [4] – dies ist nach aktuellen Daten der größeren Häufigkeit der Sectio caesarea bei
cephalo-pelvinem Missverhältnis mit drohender Schulterdystokie zuzuschreiben [5]
[8] – ist die perinatal erworbene Läsion bei sehr kleinen Frühgeborenen selten, aber
in den langfristigen Konsequenzen noch gravierender als bei Reifgeborenen [5].
Die bilaterale Plexuslähmung ist wesentlich seltener als die unilaterale Form, jedoch
noch weitaus schwerwiegender hinsichtlich der Langzeitprognose [1].
Operative Therapieverfahren der Plexusläsionen wurden systematisch seit den 90er-Jahren
des letzten Jahrhunderts eingeführt [6] und mit zunehmender Verbesserung der perioperativen Diagnostik und Therapie sowie
der operativen Methoden in der laufenden Dekade zunehmend Standard [7]
[12].
In der vorliegenden Ausgabe der klinischen Pädiatrie berichtet die Erlanger Gruppe
über die Therapieresultate der operativen Versorgung einer bilateralen Plexuslähmung
bei einem sehr kleinen Frühgeborenen [3]. Die Autoren belegen eindruckvoll, dass die motorischen Funktionen nach der operativen
Behandlung eklatant verbessert wurden und die motorischen Fortschritte des betroffenen
Kindes als außerordentlich gut einzuschätzen sind. Obschon die exakte Pathogenese
der bilateralen Störung der Plexusfunktion des Frühgeborenen nicht in der wünschenswerten
Exaktheit eingegrenzt werden konnte, sind in erster Linie mechanische Faktoren zu
diskutieren.
Die vorliegende Kasuistik hat zwei wesentliche Implikationen, die eines Kommentars
wert sind:
Vorausgesetzt die mechanische Alteration ist der wesentliche pathogenetische Faktor
der vorliegenden bilateralen Plexusläsion, ist dies ein erneuter deutlicher Hinweis
für die Fragilität sehr kleiner Frühgeborener. Neben den bedrohlichen Implikationen
von Hirnblutungen und periventrikulären Leukomalazien hinsichtlich der akuten Morbidität
und der Einschränkung langfristiger psychomotorischer Entwicklungspotenziale sehr
kleiner Frühgeborener [10]
[11], betont diese Kasuistik den Stellenwert sehr kleiner Frühgeborener als eine relevante
Risikogruppe in der Perinatologie für die Strukturen des peripheren Nervensystems,
zum Teil bedingt durch mechanische perinatale Alterationen. Daher ist dem Risikofaktor
der Fragilität sehr unreifer Frühgeborener sowohl in der Geburtsmedizin als auch in
der Neonatologie unter dem Aspekt der Prävention neurologischer Läsionen Rechnung
zu tragen.
Weiterhin ist die Adaptation neuer, teils experimenteller Therapieformen – im vorliegenden
Fall operativer Verfahren – für sehr kleine Frühgeborene ein kritischer Faktor. Aufgrund
der Seltenheit der bilateralen Plexusläsionen sind naturgemäß prospektive randomisierte
Studien mit adäquaten Fallzahlen schwierig umsetzbar. Andererseits sind in den genannten
Bereichen Wissensgewinn und damit Fortschritte nur realisierbar, wenn diese Verläufe
systematisch beschrieben, gesammelt und dokumentiert werden. Als wesentliche Messgrößen
des Therapieerfolgs sind hier neben der Verbesserung der motorischen Funktionen als
primäres Ziel der Therapie die Verbesserung der langfristigen Lebensqualität zu werten
[2]
[9]. Hierzu soll die Kasuistik ein Anstoß sein.