Die vorliegende Multizenterstudie vergleicht die unaufgebohrte gegen die aufgebohrte
Marknagelosteosynthese bei Tibiaschaftfrakturen in Hinblick auf Komplikations- und
Reoperationsrate. Beide Verfahren sind weit verbreitet und es gibt jeweils überzeugende
Gründe für die unaufgebohrte und aufgebohrte Marknagelosteosynthese. Randomized Trial of Reamed and Unreamed Intramedullary Nailing of Tibial Shaft Fractures.
J Bone Joint Surg Am. 2008; 90: 2567 - 2578
Material und Methoden
Es handelt sich um eine prospektive, randomisierte und einfach blinde Multizenterstudie,
in die 1 319 Patienten mit einer offenen (32,5 %) oder geschlossenen (67,5 %) Tibiaschaftfraktur
eingeschlossen werden konnten. Die Frakturen wurden entweder mit einer unaufgebohrten
oder einer aufgebohrten Marknagelosteosynthese versorgt. Die perioperative Behandlung
erfolgte unter standardisierten Bedingungen für alle teilnehmenden Kliniken. Reoperationen
wegen ausbleibender knöcherner Durchbaung wurden erst nach 6 Monaten zugelassen. Nach
12 Monaten postoperativ erfolgte schließlich die Evaluation im Hinblick auf die Komplikations-
und Reoperationsrate.
Ergebnisse
Nach 12 Monaten postoperativ konnten 1 226 (93 %) Patienten untersucht werden. 622
Patienten erhielten einen aufgebohrten und 604 Patienten einen unaufgebohrten Tibiamarknagel.
4,6 % (57) aller Patienten erhielten einen Implantatwechsel oder einen Knochenersatz.
In der Gruppe der mit einem aufgebohrten Tibiamarknagel versorgten Frakturen fanden
sich 105 Patienten mit einer Pseudarthrose, einem Kompartmentsyndrom oder einer postoperativen
Infektion, welche einen Implantatwechsel, einen Knochenersatz, eine Faszienspaltung
oder eine Dynamisierung erforderlich machten. Dem stehen 114 Patienten aus der Gruppe
der unaufgebohrt versorgten Frakturen gegenüber. Betrachtet man nur die Patienten
mit einer geschlossenen Fraktur und einer aufgebohrten Marknagelosteosynthese erlitten
45 (11 %) Patienten Komplikationen bzw. mussten sich einer erneuten Operation unterziehen.
Im Vergleich dazu fanden sich in der Gruppe, die mit einem unaufgebohrten Tibiamarknagel
versorgt wurde, 68 (17 %) Patienten mit Komplikationen bzw. einer erneuten Operation.
Die deutlich höhere Komplikations- und Reoperationsrate in der Gruppe der unaufgebohrt
versorgten geschlossenen Frakturen entstand hauptsächlich durch die hohe Anzahl von
erforderlichen Dynamisierungen. In der Gruppe der offenen Frakturen ließen sich keine
signifikanten Unterschiede feststellen.
Dr. med. Jörn Scherler
Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Email: joern.scherler@gmx.de