Einleitung
Einleitung
Die neue A/H1N1-Influenzavirus-Pandemie scheint nach den bisherigen Beobachtungen
klinisch häufig mild zu verlaufen. In Deutschland wurde nur die Hälfte aller infizierten
Patienten stationär aufgenommen, überwiegend aus Gründen des Infektionsschutzes. Todesfälle
sind bisher nicht aufgetreten, Berichte über eine notwendige Beatmung liegen nicht
vor (RKI Epidemiologisches Bulletin 16. 6. 2009). Gleichwohl gibt es Todesfälle im
Ausland und es wurde von Patienten mit respiratorischer Insuffizienz und Beatmungspflichtigkeit
berichtet. Insbesondere Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere, aber auch betagte Patienten
(> 65 Jahre) und Patienten mit eingeschränkter Abwehr im Rahmen schwerwiegender chronischer
Grunderkrankungen, maligner Erkrankungen, medikamentöser Immunsuppression oder HIV-Infektion
sind als gefährdet anzusehen.
Die weitere Entwicklung der Pandemie ist schwer vorhersehbar. Sollte sich jedoch die
Virulenz des A/H1N1-Influenzavirus bei gleichbleibender Transmissionsrate (> 30 %)
aggravieren, so muss mit einer erheblichen Exzess-Hospitalisierung von Influenza-Patienten
auch in Deutschland gerechnet werden. Diese Empfehlung für das Management einer Influenza-Pandemie
im Krankenhaus soll Orientierung im Rahmen einiger klinisch wichtiger Aspekte geben.
Es handelt sich um eine Experten-Empfehlung, da es in der Natur der Sache liegt, dass
Evidenz-basierte Empfehlungen wegen des Fehlens entsprechender Daten nicht gegeben
werden können. Statt Literaturverweise zu geben, beschränken wir uns auf die Angabe
wichtiger Informationsseiten im World Wide Web. Hiermit soll zum Ausdruck gebracht
werden, dass im Fall einer mit substanzieller Morbidität und Letalität einhergehenden
Pandemie aktuelle Informationen im Web zur Verfügung stehen werden, die immer zu Rate
gezogen werden müssen.
In dieser Empfehlung wird auf die folgenden Themenkomplexe eingegangen:
-
Bestimmung des Schweregrades und Indikationen zur Hospitalisation
-
Patientenmanagement im Krankenhaus
-
Hygienemaßnahmen im Krankenhaus
-
Diagnostik in der Notaufnahme und im Krankenhaus
-
Therapie und Chemoprophylaxe der A/H1N1-Infektion
-
Therapie der Influenza-assoziierten Pneumonie
-
Behandlung der respiratorischen Insuffizienz: Sauerstoff-Insufflation, nicht-invasive
und invasive Beatmungsformen
Bestimmung des Schweregrads und Indikationen zur Hospitalisation
Bestimmung des Schweregrads und Indikationen zur Hospitalisation
Erhebung des Schweregrades
Die Erhebung des Schweregrads einer akuten Infektion der unteren Atemwege bzw. einer
Pneumonie gehört zu den wichtigsten Maßnahmen der Versorgung entsprechend erkrankter
Patienten. Der Schweregrad ist ausschlaggebend für Entscheidungen über den Behandlungsort,
das Ausmaß der erforderlichen Überwachung sowie die Therapie.
Während für die ambulant erworbene Pneumonie einfache klinische Regeln zur Schweregraderhebung
entwickelt und validiert worden sind, die geeignet sind, das klinische Urteil des
Untersuchers zu ergänzen, stehen solche für die akute Bronchitis, die akute Exazerbation
der COPD sowie die akute Influenza-Infektion nicht zur Verfügung. Daher beruhen die
Empfehlungen zum Teil auf klinischer Erfahrung und theoretischen Überlegungen.
Eine akute Influenza-Infektion kann aus folgenden Gründen schwer verlaufen:
-
akute respiratorische Insuffizienz auf der Grundlage einer ausgeprägten viralen Bronchitis
und Bronchiolitis, einer viralen Pneumonie oder einer bakteriellen Superinfektion
bis hin zur bakteriellen Pneumonie
-
schwere Sepsis bzw. septischer Schock im Falle einer komplizierenden bakteriellen
Pneumonie
-
hämodynamische Komplikationen bei Rhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz im Rahmen
einer viralen Peri- bzw. Myokarditis
-
Meningo-Enzephalitis bei ZNS-Befall und andere neurologische Komplikationen
-
Dekompensation im Rahmen einer schweren Komorbidität
Liegt eine ambulant erworbene Pneumonie vor (primär viral oder sekundär bakteriell
superinfiziert), gelten die Regeln der Erfassung ihres Schweregrads. Der CRB-65 Score
(C = confusion ja/nein; R = respiratory rate ≥ 30/Minute: ja/nein; B = blood pressure
diastolisch ≤ 60 oder systolisch < 90 mm Hg: ja/nein; 65 = Alter ≥ 65 Jahre: ja/nein;
ja = 1 Punkt) erlaubt dabei eine Risikostratifizierung in drei Klassen (niedriges
(CRB-65 = 0 Punkte), mittleres (CRB-65 = 1 + 2 Punkte) und hohes Risiko (CRB-65 = 3 + 4
Punkte sowie primäre Intubation und Beatmung).
Patienten mit mittlerem und hohem Risiko sollten dabei in der Regel stationär aufgenommen
werden.
Bei der Erfassung des Schweregrades einer akuten Influenza-Infektion ist allerdings
nicht nur auf respiratorische Symptome und ihren Schweregrad zu achten, sondern auch
auf kardiale und neurologische Symptome sowie Art und Schweregrad der Komorbidität
bzw. mögliche Dekompensationen von Begleiterkrankungen.
Indikation zur stationären Aufnahme aufgrund des Schweregrades
Liegt eine der fünf oben genannten Komplikationen vor, besteht eine Indikation zur
stationären Aufnahme. Die akute respiratorische Insuffizienz kann dabei über eine
erhöhte Atemfrequenz (> 30/min) und/oder eine Gasaustauschstörung in der Oxymetrie
bzw. Blutgasanalyse objektiviert werden. Eine hospitalisationspflichtige akute respiratorische
Insuffizienz bemisst sich dabei nach der Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe bzw. einer
(nicht-invasiven oder invasiven) Beatmung. Diese ist gegeben bei einer Sauerstoffsättigung
< 90 % bzw. einem paO2 < 60 mm Hg unter Raumluftatmung. Bei vorerkrankten Patienten
sind eine Ventilationsinsuffizienz mit Hyperkapnie und eine respiratorische Azidose
auch bei grenzwertigen PaO2 Werten ein Aufnahmegrund.
Indikationen zur stationären Aufnahme aufgrund schwerer Komorbidität
Darüber hinaus ist aufgrund des Risikos einer vitalen Gefährdung eine stationäre Aufnahme
auch dann zu erwägen, wenn eine der folgenden schweren Komorbiditäten vorliegt:
-
Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atemwege (z. B. Asthma, COPD, Mukoviszidose),
des Herzens, der Leber, der Nieren, des ZNS oder des Stoffwechsels (z. B. Diabetes
mellitus)
-
Patienten mit Tumoren unter Therapie (Chemo- oder Strahlentherapie)
-
Patienten mit schwerer Immunsuppression (z. B. iatrogene Immunsuppression, Neutropenie,
HIV-Infektion, Transplantation)
Weitere seltenere, hier nicht genannte schwere Erkrankungen sind in gleicher Weise
zu bewerten.
Indikationen zur stationären Aufnahme aus präventiven Gründen
Unabhängig von Schweregrad und Komorbidität kann eine stationäre Isolation in Einzelfällen
auch zur Verhinderung einer Ausbreitung des Influenzavirus oder zur Erhebung von Daten
zu dem neuen Krankheitsbild indiziert sein. In einer pandemischen Ausbruchssituation
ist eine massenhafte präventive Aufnahme weder sinnvoll noch durchführbar.
Links
CAPNETZ-DGP-DGI-PEG-S3 Leitlinie zur ambulant erworbenen Pneumonie:
www.thieme-connect.de/ejournals/html/pneumologie/doi/10.1055/s-2005-870988
Patientenmanagement im Krankenhaus
Patientenmanagement im Krankenhaus
Bildung eines Managementteams
Im Pandemiefall muss jedes Krankenhaus über ein Managementteam verfügen. Dieses sollte
bestehen aus:
-
dem Ärztlichen Direktor
-
der Pflegedienstleitung
-
dem Verwaltungsdirektor
-
den zuständigen Chefärzten (z. B. Innere Medizin, Pneumologie, Notfallaufnahme, Intensivmedizin,
Infektiologie, Pädiatrie)
-
dem hygieneverantwortlichen Arzt bzw. dem Krankenhaushygieniker
-
dem Apotheker
-
dem Leiter des Zentrallabors bzw. dem Mikrobiologen
-
dem Betriebsarzt
sowie dem Sicherheitsingenieur und dem Verantwortlichen für die Öffentlichkeitsarbeit.
Dieses Team koordiniert die Krankenhausorganisation in der Pandemie.
Strukturelle präventive Vorkehrungen zur Vermeidung nosokomialer Übertragungen
Jedes Krankenhaus soll Vorkehrungen treffen, die sicherstellen, dass die Wahrscheinlichkeit
der nosokomialen Virusübertragung auf Patienten, Besucher und Personal minimiert wird.
Das Ziel ist die Herstellung einer größtmöglichen Distanz zwischen Infizierten und
anderen Patienten und Besuchern. Dazu gehören die Identifikation eines geeigneten
Behandlungsraumes in der Notfallaufnahme (Zielkriterien: kurze Wege, Distanz zum Warteraum,
Schleusenfunktion), die Wahl des Patientenweges von dort zur Pflegestation jenseits
der allgemeinen Verkehrswege und die Festlegung geeigneter Patientenzimmer (möglichst
mit Schleusenfunktion) sowohl im Bereich der Regelpflege wie auch der Intensivpflege.
Außerdem sollten Regelungen gegen eine Ansteckungsgefährdung bei diagnostischen und
therapeutischen Maßnahmen und beim Leichentransport getroffen werden. Auf die rasche
Verbesserung der Influenzaimpfrate (saisonal und bei Verfügbarkeit auch gegen die
Neue Influenza A/H1N1) und auf die Schulung des Personals ist ebenso zu achten wie
auf die Beschaffung ausreichender Mengen von Schutzmasken, Schutzkitteln, antiviral
wirksamen Desinfektionsmitteln, Einweghandschuhen und Arzneimitteln (z. B. Neuraminidaseinhibitoren,
Antibiotika).
Kliniken ohne Notfallaufnahme sollten einen gesonderten Raum auswählen, in dem die
weitere Diagnostik bei Patienten mit Verdacht auf Influenzainfektion erfolgen kann.
Erstevaluation eines Verdachtsfalles in der Notfallaufnahme
Zwei Wege der stationären Evaluation bzw. Aufnahme sind möglich:
Im Pandemiefall ist daher bei jedem Patienten zuerst nach Symptomen der Influenzainfektion
zu fahnden, bevor der Patient die Räumlichkeiten der Notaufnahme betritt. Im Falle
einer stationären Einweisung wird das Krankenhaus vor dem Patiententransport von zu
Hause oder aus der Arztpraxis über die Verdachtsdiagnose bzw. Erkrankung informiert.
Besteht der Verdacht auf eine Influenzainfektion, werden Personalschutzmaßnahmen eingeleitet
(FFP-2-Maske) und der Patient wird, wenn es der Gesundheitszustand erlaubt, mit einem
Mund-Nasen-Schutz („chirurgische Maske”) versorgt.
Die virusspezifische Diagnostik sowie die Anamnese und klinischen Untersuchungen erfordern
bei nicht kritisch kranken Patienten in der Notaufnahme keine stationäre Aufnahme,
solange nicht die hohe Anzahl der anfallenden Patienten die Kapazität der Notaufnahmeräume
übersteigt. Sollte dieser Fall jedoch eintreten, sind Triagebereiche in Isolationszimmern
auf ausgewählten Stationen einzurichten.
Der Patient verbleibt so lange in der Notfallaufnahme bzw. im Isolationszimmer, bis
das Ergebnis des Schnelltestes vorliegt. Im Fall eines Influenzanachweises erfolgt
ein zweiter Abstrich zur molekularen Identifizierung von Influenza A/H1N1. Bei negativem
Schnelltest und weiter bestehendem Verdacht (intensive Exposition, schwere Symptomatik
entsprechend der Falldefinition) sollten die Isoliermaßnahmen aufrecht erhalten werden
und eine PCR angefordert werden.[1]
Grundregeln der Prävention nosokomialer Übertragungen im Rahmen der stationären Behandlung
Wenn eine stationäre Aufnahme eines Patienten mit wahrscheinlicher Erkrankung durch
Influenza A/H1N1 nicht zu umgehen ist, wird die vorgesehene Pflegestation darüber
informiert. Dort werden die Distanzierungs- und Personalschutzmaßnahmen (entsprechend
den Empfehlungen des Arbeitsschutzes) eingeleitet. Anschließend erfolgt die begleitete
Verbringung des Patienten. Die stationäre Betreuung von Patienten mit gesicherter
Influenza A/H1N1 steht unter der fortlaufenden Überwachung des Managementteams, in
der Regel vor Ort vertreten durch den Verantwortlichen für Krankenhaushygiene. Transporte
von infektiösen Patienten sind – soweit möglich – zu vermeiden. Dabei kann die Verwendung
mobiler Geräte (z. B. Röntgen, Endoskopie) hilfreich sein. Ist ein Transport im Krankenhaus
unvermeidbar, so ist der Zielbereich vorab zu informieren. Dort sind zuvor die notwendigen
Distanzierungs- und Hygienemaßnahmen einzuleiten.
Bei Aufnahme eines vital bedrohten Patienten erfolgen zunächst in dem dafür ausgewiesenen
Behandlungsraum der Notaufnahme die erforderlichen Notfallmaßnahmen. Die zuständige
Intensivstation wird informiert und in die Lage versetzt, sich räumlich und technisch
(Bereitstellung von Geräten) vorzubereiten, um den Patienten angemessen und nach Durchführung
der Schutzmaßnahmen aufzunehmen. Nach Erreichen der Transportfähigkeit wird der Krankentransport
zur Intensivstation durchgeführt.
Eskalationspläne
Stellt sich im Verlauf der Pandemie heraus, dass mit zahlreichen Erkrankten zu rechnen
ist und/oder schwere Verläufe häufig vorkommen, ist es die Aufgabe des lokalen Managementteams,
einen Eskalationsplan zu erarbeiten. Dazu gehören unter anderem die Ausweitung der
räumlichen Ressourcen (Kohortenisolation, Umwidmung ganzer Stationen oder Stockwerke,
Auslagerung in eigene Gebäude im Klinikbereich) ebenso wie die Rekrutierung medizinischen
Personals (z. B. Studenten, Teilzeitkräfte, Ruheständler). Ein Konzept für die simultane
Betreuung zahlreicher Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz wurde von
der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin vorgestellt.
Links
Robert-Koch-Institut: Infektionsschutz für Krankentransport sowie in der ambulanten
und stationären Patientenbehandlung
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Für Experten > Maßnahmen
Robert-Koch-Institut: Empfehlung des RKI zum Vorgehen bei Verdachtsfall auf Neue Influenza
(A/H1N1):
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Für Experten > Maßnahmen
Robert-Koch-Institut: Empfehlungen des Robert Koch-Institutes für die Hygienemaßnahmen
bei Patienten mit Verdacht auf Influenza:
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin: Empfehlungen zur Behandlung
respiratorischer Komplikationen bei einer Viruspandemie:
www.pneumologie.de/fileadmin/pneumologie/downloads/Viruspandemie.pdf
Hygiene-Maßnahmen
Hygiene-Maßnahmen
Ziele
Die Hygiene-Maßnahmen haben zwei Ziele: Personalschutz und Vermeidung einer Übertragung
auf andere Patienten bzw. Angehörige. Mögliche Infektionswege sind der direkte Patientenkontakt
und die Keimverschleppung über kontaminierte Gegenstände bzw. Flächen.
Personalschutz
Das eingesetzte Personal (hierzu zählt neben dem medizinischen insbesondere auch das
Raumpflegepersonal) sollte hinsichtlich der Übertragungswege und der Schutzmaßnahmen
geschult sein. Der Arbeitsschutz ist zu beachten.
Hygiene-Maßnahmen des Patienten
Falls medizinisch möglich, sollte der Patient bei Kontakt zu Personal oder Angehörigen
einen Mund-Nasen-Schutz („chirurgische Maske”) tragen. Der Patient sollte auf die
Händehygiene und eine Händedesinfektion mit einem Desinfektionsmittel (Desinfektionsmittel
mit nachgewiesener Wirksamkeit für das Wirkungsspektrum „begrenzt viruzid”) hingewiesen
werden. Patienten sollten „hygienisch husten” (in den Ärmel und nicht in die vorgehaltene
Hand), um Kontaminationen zu vermeiden. Als Taschentücher sollten grundsätzlich nur
Einwegtücher verwendet werden, die im Anschluss in dichten Kunststoffsäcken hygienisch
entsorgt werden.
Schutzkleidung des Personals
Vor jedem Kontakt mit dem Patienten sollte das Personal einen geeigneten Atemschutz
(s. u.), einen Schutzkittel (langärmlig mit Rückenschluss, Einmalhandschuhe und gegebenenfalls
(s. u.) eine Schutzbrille (Gestellbrille mit Seitenschutz) anziehen. Schutzkittel
und Einmalhandschuhe werden im Patientenzimmer bzw. der Schleuse an- und ausgezogen,
Handschuhe werden in einem geschlossenen Behältnis entsorgt. Das Waschen der Hände
mit anschließender Händedesinfektion (Wirkungsspektrum „begrenzt viruzid”) ist nach
jedem Patientenkontakt erforderlich.
Auswahl des Atemschutzes (Masken)
Während der Mund-Nasen-Schutz des Patienten eine Kontamination der Umgebung während
des Hustens/Niesens vermindert, soll die Atemschutzmaske des Personals eine Einatmung
von Viren verhindern. Für Patienten wird ein Mund-Nasen-Schutz bzw. eine einfache
Mund-Nasen-Maske (MNS, Synonyma: chirurgische Maske, Operationsmaske, OP-Maske) empfohlen.
Das Personal sollte sogenannte partikelfiltrierende Atemschutz- (Filtering Face Piece;
FFP) Masken tragen. Die bei korrekter Benutzung nach innen gerichtete Leckage bezüglich
Partikel für < 5 µm ist bei FFP1-Masken 22 %, bei FFP2-Masken 8 % und bei FFP3-Masken 2 %.
Empfohlen werden FFP1 Masken bei normalem Patientenkontakt, FFP2-Masken bei hustenden Patienten und FFP3 bei provoziertem Hustenstoß wie Bronchoskopie, Intubation und Absaugung. Zur Vereinfachung
des Prozedere sollten bei allen Kontakten ohne erhöhtes Expositionsrisiko FFP2-Masken, bei invasiven Maßnahmen FFP3-Masken angelegt werden.
Schutzbrillen
Eine Schutzbrille (Gestellbrille mit Seitenschutz) ist zu tragen bei der Gefahr einer
Tröpfchenkontamination der Augenschleimhäute. Das ist theoretisch möglich bei Tätigkeiten
im Abstand unter einem Meter. Die Schutzbrille wird daher bei hustenden Patienten
und bei provoziertem Hustenstoß wie Bronchoskopie, Intubation und Absaugung empfohlen.
Hygienemaßnahmen bei Intubation
Im Rahmen der Intubation ist ebenfalls eine FFP3-Schutzmaske zu tragen, ebenso bei anschließenden Diskonnektionen im Rahmen von Absaugmanövern
oder Bronchoskopien. Wenn Intensivventilatoren mit Exspirationsfilter zur Verfügung
stehen, sind beim Betreten des Zimmers intubierter Patienten – Diskonnektion vom Beatmungsgerät
sind hierbei zu vermeiden – FFP2-Masken zum Personenschutz ausreichend.
Bei invasiv beatmeten Patienten mit A/H1N1-Infektion sind geschlossene Absaugsysteme
zu bevorzugen. Bei Transporten intubierter und beatmeter Patienten sind aufgrund des
engen Kontaktes und des höheren Risikos einer Diskonnektion (z. B. bei Umlagerungen)
FFP3-Masken zu bevorzugen.
Desinfektion und Reinigung
Ziel ist, die Virusübertragung durch kontaminierte Flächen zu verhindern. Patientennahe
(Handkontakt-) Flächen (z. B. Nachttisch, Nassbereich, Tisch, Stühle, Türgriffe) und
bei Bedarf weitere kontaminationsgefährdete Flächen sollen täglich mit einem Desinfektionsmittel
mit nachgewiesener Wirksamkeit für das Wirkspektrum „begrenzt viruzid” behandelt werden.
Geräte und Medizinprodukte sind möglichst patientenbezogen zu verwenden und vor Anwendung
bei anderen Patienten zu desinfizieren. Aus praktischen Gründen sollten Stethoskope
und Blutdruckgeräte daher im Patientenzimmer verbleiben. Insbesondere mobile Röntgen-
bzw. EKG-Geräte und Endoskope müssen nach Gebrauch desinfiziert werden. Bei flexiblen
Endoskopen ist die maschinelle Aufbereitung in einer Endoskopspülmaschine (= chemothermische
Aufbereitung) der manuellen Aufbereitung vorzuziehen. Ansonsten sind thermische Verfahren
in Reinigungsautomaten zu bevorzugen. Es müssen vom RKI anerkannte Desinfektionsmittel
(Wirkungsbereich AB gemäß Liste) und -verfahren verwendet werden.
Wird ein Patient im Haus transportiert und untersucht, müssen vor Ort kontaminationsgefährdete
Flächen und Geräte, wie oben beschrieben, desinfiziert werden. Geschirr sollte in
einem geschlossenen Behältnis zur Spülmaschine transportiert und bei Temperaturen
> 60 ° C gereinigt werden. Wäsche kann dem Routineverfahren für Krankenhauswäsche
zugeführt werden. Matratzen sollten wischdesinfiziert werden. Die Schlussdesinfektion
erfolgt für alle Flächen mit einem Desinfektionsmittel „begrenzt viruzid”.
Links
Robert-Koch-Institut: Infektionsschutz für Krankentransport sowie in der ambulanten
und stationären Patientenbehandlung:
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Für Experten > Maßnahmen
Masken:
Beschluss 609 des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS):
www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/pdf/Beschluss-609.pdf
Liste der vom Robert-Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und
Verfahren:
www.rki.de > Infektionsschutz > Krankenhaushygiene > Desinfektion
Robert-Koch-Institut: Anforderung der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes an
die Hygienebekleidung und persönliche Schutzausrüstung
www.rki.de > Infektionsschutz > Krankenhaushygiene > Empfehlungen der Kommission für
Krankenhaushygiene > Infektionsprävention in Pflege, Diagnostik und Therapie
Diagnostik
Diagnostik
Indikation zur erregerspezifischen Diagnostik
Aufgrund der auch in Deutschland rasch ansteigenden Fallzahlen ist ein ressourcenschonender
Einsatz der erregerspezifischen Diagnostik notwendig und medizinisch sinnvoll. Die
im Folgenden dargestellten Indikationen zur erregerspezifischen Diagnostik haben daher
eine ausschließlich individualmedizinische Grundlage, d. h. epidemiologische Indikationen
sind hier nicht berücksichtigt. Das Ziel der erregerspezifischen Diagnostik auf dieser
Grundlage ist es daher, einerseits den Erreger bei Patienten mit erhöhtem Risiko für
Komplikationen zeitnah zu erkennen und andererseits bei schweren Krankheitsbildern
die Möglichkeit einer spezifischen antiviralen Behandlung einschätzen zu können.
Eine Diagnostik zum Nachweis oder Ausschluss einer Infektion mit Influenza A/H1N1
ist bei Erwachsenen:
-
Bei den Personen indiziert, die Symptome aufweisen, die einen Krankheitsverdacht begründen
(ein Krankheitsverdacht liegt vor, wenn respiratorische Beschwerden mit oder ohne
Fieber im zeitlichen Zusammenhang mit einer wahrscheinlichen Exposition z. B. bekannten
Kontakten mit erkrankten Personen im engeren privaten oder beruflichen Umfeld [auch
im Rahmen einer Reise] auftreten, die zu einer Ansteckung durch A/H1N1 geführt haben
können)
und
-
bei denen sich eine therapeutische Konsequenz ergibt (z. B. Personen ab dem 65. Lebensjahr,
Schwangerschaft, Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines
Grundleidens, wie z. B.: chronische Krankheiten der Atmungsorgane, chronische Herz-Kreislauf-,
Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, Multiple
Sklerose mit durch Infektionen getriggerten Schüben, Personen mit angeborenen oder
erworbenen Immundefekten mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion, HIV-Infektion
sowie Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen).
Dabei ist zu beachten, dass die Virusausscheidung durch Erkrankte im Median bei 7
Tagen liegt (Inkubationszeit 1 – 3, maximal 5 Tage). Für die Diagnostik bei Kindern
liegen gesonderte Empfehlungen auf der Website des RKI vor. Bei typischer Influenzasymptomatik
und einem Krankheitsbild mit eindeutiger therapeutischer Indikation sollte im Rahmen
der differenzialdiagnostischen Untersuchungen auch an eine Neue Influenza A/H1N1 gedacht
werden, da nicht in jedem Fall die Infektionsquelle bekannt sein muss (z. B. unerkannte
Exposition, Infektion durch wenig oder asymptomatisch Infizierte). Eine Diagnostik
bei asymptomatischen Kontaktpersonen ist nicht indiziert. Anamnese und komplette körperliche
Untersuchung sind auch zur Erfassung wichtiger Differenzialdiagnosen erforderlich.
Der aktuelle Impfstatus gegenüber Influenza spielt bei der Indikation zur erregerspezifischen
Diagnostik keine Rolle, da eine Kreuzimmunität der saisonalen mit der Pandemievariante
nicht zu erwarten ist.
PCR-Nachweis von A/H1N1
In der jetzigen Situation wird der Virusnachweis mittels einer PCR empfohlen. Die
PCR kann in allen Laboratorien durchgeführt werden, welche eine spezifische Influenzadiagnostik
anbieten. Der Probentransport sollte nach den jeweils aktuellen Richtlinien des RKI
erfolgen. Die PCR wird mit respiratorischem Material durchgeführt. Hierzu werden in
der Regel Rachen- oder Nasenabstriche gewonnen. Alternativ besteht die Möglichkeit
einer vorderen Nasenspülung (liegende Position, Injektion von 10 – 50 ml NaCL 0,9%
in die Nase, sofortige Aspiration durch Absaugkatheter; cave: Atemschutz wegen Aerosolproduktion).
Bei vorliegender Indikation (s.u.) sollte auch Material aus den tiefen Atemwegen asserviert
werden. Nach der Abstrich-Entnahme wird der Abstrichtupfer in ein steriles Röhrchen
mit 0,5 ml NaCl-Transportmedium überführt. Die beste Ausbeute wird erreicht, wenn
sowohl Nasenabstriche als auch Rachenabstriche entnommen werden. Da Rachenabstriche
unter Druck und Drehung von der hinteren Rachenwand entnommen werden müssen, sollte
das durchführende Personal eine Schulung zur effektiven Materialentnahme erhalten.
Ein positives Ergebnis ist nach § 7 Infektionsschutzgesetz durch das untersuchende
Labor zu melden (Bei einem positiven Schnelltest [s. u.] ist auch der durchführende
Arzt zu einer Meldung verpflichtet.). Auch der Nachweis von saisonalen Influenzaviren
(Subtypen A/H3 oder saisonale Influenza A/H1 sowie Influenza B) ist meldepflichtig.
In allen anderen Fällen ist die influenzaspezifische Diagnostik abgeschlossen, der
Patient sollte aber darüber informiert werden, dass bei persistierenden oder zunehmenden
Symptomen eine Reevaluation nach 48 – 72 h indiziert ist.
Influenza-Schnelltest
Zur zeitnahen Vorort-Diagnostik steht ein Antigen-Schnelltest zur Verfügung, der zwischen
Influenza A und Influenza B unterscheiden kann und dessen Ergebnisse innerhalb von
weniger als 60 Minuten vorliegen. Wird Influenza B nachgewiesen, ist eine Infektion
mit Neuer Influenza A/H1N1 nicht anzunehmen. Der Test wird allerdings auf Grund seiner
geringen Sensitivität (< 50 %) für die Neue Influenza in der aktuellen Situation nicht
mehr empfohlen.
Influenza-Serologie
Ein während der akuten Infektion abgenommener Einzeltiter der Influenzaserologie kann
nicht zuverlässig interpretiert werden und ist daher nicht hilfreich. Gepaarte Serumproben
können allenfalls retrospektiv zur Diagnose beitragen. Daher wird die Abnahme von
Serologien für diagnostische Zwecke nicht empfohlen. Die serologischen Tests für saisonale
Influenza können die Neue Influenza A/H1N1 nicht nachweisen.
Differenzialdiagnose
Die klinische Symptomatik der Influenzainfektion ist unspezifisch und mit einer Vielzahl
weiterer respiratorischer Erkrankungen vereinbar. Die diagnostische Abklärung sollte
insbesondere auch im Hinblick auf die Abgrenzung bakterieller Infektionen oder Koinfektionen
durchgeführt werden. Am wichtigsten ist der Ausschluss oder Nachweis einer bakteriellen
Pneumonie. Die Intensität der Diagnostik richtet sich nach Schweregrad der Erkrankung
und anamnestischen und klinischen Hinweisen.
Diagnostisches Basisprogramm
Als Basisprogramm für hospitalisierte Influenza-Patienten wird empfohlen:
-
Laboruntersuchungen: Blutbild und Differenzialblutbild, C-reaktives Protein, Procalcitonin
(zur Abgrenzung eines bakteriellen Infektes), ggf. Elektrolyte, Serumkreatinin, Creatinkinase
und Leberenzyme
-
Blutgasanalyse oder zumindest Oximetrie
-
Elektrokardiogramm
-
Röntgenuntersuchung des Thorax
Erweiterte Diagnostik
Zusätzliche Maßnahmen sind bei hospitalisierten Patienten und Personen mit definierten
Risikofaktoren zu erwägen.
Folgende diagnostische Maßnahmen werden in bestimmten Situationen empfohlen:
-
zwei Blutkulturen bei Verdacht auf Pneumonie vor Einleitung einer Antibiotikatherapie
-
transthorakale Echokardiografie bei kardial instabilen Patienten
-
Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage bei immundefizienten Patienten mit Nachweis
von Lungeninfiltraten in der Röntgenuntersuchung, wenn die Influenzadiagnostik negativ
ist.
Links
Robert-Koch-Institut: Falldefinition für Neue Influenza (A/H1N1) beim Menschen:
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Für Experten > Surveillance
Robert-Koch-Institut: Hinweise für Ärzte zur Feststellung und Meldung eines Verdachtes
auf Neue Influenza (A/H1N1):
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Für Experten > Meldungen
Robert-Koch-Institut: Hinweise zur Probenentnahme:
www.rki.de > Infektionskrankheiten A – Z > Neue Influenza > Für Experten > Diagnostik
und Umgang mit Probenmaterial
Robert-Koch-Institut: Management in der Primärversorgung:
www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=64540
Therapie und Chemoprophylaxe
Therapie und Chemoprophylaxe
Antivirale Therapie der Influenza A/H1N1-Infektion
Die spezifische antivirale Therapie sollte ambulant auf Erwachsene und Kinder mit
einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Komplikationen begrenzt werden. Bei
hospitalisierten Patienten mit bestätigter und wahrscheinlicher A/H1N1-Infektion mit
schwerem Verlauf und/oder schwerer Komorbidität liegt ebenfalls eine Therapieindikation
vor. Für die Therapie der Kinder < 15 Jahre existiert eine Empfehlung der DGPI, sie
ist nicht Gegenstand dieser Empfehlung (http://www.dgpi.de/pdf/Influenza_A_H1N1_neu_DGPI-Empfehlung_Mai2009.pdf).
In der aktuellen CDC-Empfehlung zählen dazu alle Personen, die auch ein erhöhtes Risiko
für Komplikationen im Rahmen der saisonalen Grippe haben:
-
Kinder < 5 Jahre. Das Risiko für schwere Komplikationen ist am größten bei Kindern < 2
Jahren
-
Erwachsene > 65 Jahre
-
Personen
– mit chronischen pulmonalen (inklusive Asthma), kardio-vaskulären (außer arterieller
Hypertonie), renalen, hepatischen, hämatologischen (inklusive Sichelzellanämie), neurologischen,
neuromuskulären oder metabolischen (inklusive Diabetes mellitus) Erkrankungen
– mit Immunsuppression (inklusive HIV-Infektion)
– in der Schwangerschaft
– < 19 Jahre und Langzeittherapie mit Acetylsalicylsäure (Risiko eines Reye-Syndroms)
– wohnhaft in Altersheimen oder anderen Langzeitpflegeeinrichtungen
Wirksame antivirale Medikamente
Aktuell sind neue Influenza A/H1N1-Viren abgesehen von wenigen Ausnahmen, gegenüber
den Neuraminidasehemmern Zanamivir und Oseltamivir empfindlich und resistent gegen
Adamantane (Amantadin, Rimantadin). Die aktuelle lokale Resistenzlage kann sich jedoch
rasch ändern und sollte regelmäßig überprüft werden. Dies kann auf der CDC-Webseite
(http://www.cdc.gov/flu) oder der RKI-Webseite (http://www.rki.de) geschehen. Die Behandlung sollte innerhalb von 48 h nach Symptombeginn erfolgen.
Ein Therapiebeginn nach mehr als 72 h hat wenig Aussicht auf Erfolg. Die Therapiedauer
beträgt fünf Tage. Die Dosierung entspricht der für die saisonale Influenza zugelassenen
([Tab. 1]).
Tab. 1 Dosierungsempfehlungen für die antivirale Therapie oder Chemoprophylaxe der neuen
Influenza A/H1N1-Infektion.
|
Oseltamivir |
Zanamivir |
Erwachsene Therapie Chemoprophylaxe |
75 mg Kapseln 2 × täglich über 5 Tage 75 mg Kapsel 1 × täglich |
Zwei 5-mg-Inhalationen 2 × täglich Zwei 5-mg-Inhalationen 1 × täglich |
Oseltamivir hat von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) eine Emergency Use
Authorization (EUA) erhalten. In Gegenden, in denen Oseltamivir-resistente A/H1N1-Stämme
während der saisonalen Grippe zirkulierten, sollte vorzugsweise Zanamivir eingesetzt
werden.
Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen bei Oseltamivir (beides
ca. 10 %) und die mögliche akute Obstruktion der Atemwege bei Zanamivir (daher soll
Zanamivir nicht bei Patienten mit Atemwegserkrankungen eingesetzt werden).
Antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion
Die antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion (Dosierungen siehe [Tab. 1]) kann erwogen werden bei
-
Personen mit engem Kontakt zu Fällen (bestätigt, wahrscheinlich oder Verdacht),
-
Personen mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen
-
Beschäftigten im Gesundheitswesen
-
Ersthelfern, die einen ungeschützten Kontakt zu einem Fall (bestätigt, wahrscheinlich
oder Verdacht) hatten.
In der Praxis sollte die Chemoprophylaxe begrenzt gehalten werden, auch um einer zu
schnellen Resistenzentwicklung vorzubeugen. Wir empfehlen daher die Prophylaxe vor
allem für Personen mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen und für Beschäftigte
im Gesundheitswesen. Bei allen anderen Gruppen sollte die Indikation sehr zurückhaltend
gestellt werden.
Sowohl Oseltamivir als auch Zanamivir werden für die antivirale Chemoprophylaxe der
Influenza A/H1N1-Infektion empfohlen. Die Dauer der Postexpositionsprophylaxe beträgt
mindestens 10 Tage nach der letzten wissentlichen Exposition gegenüber der A/H1N1-Influenza.
Die Indikation besteht für den engen Kontakt während der infektiösen Periode zu Personen
mit bestätigter, wahrscheinlicher oder dem Verdacht auf A/H1N1-Infektion. Es wird
davon ausgegangen, dass die infektiöse Periode der Influenza A/H1N1 mit der der saisonalen
Influenza vergleichbar ist, also einen Tag bis sieben Tage nach Symptombeginn. Kinder
können ggf. länger infektiös sein.
Ob eine Präexpositionsprophylaxe z. B. bei Beschäftigten im Gesundheitswesen durchgeführt
werden soll, muss von der aktuellen Resistenzsituation und den jeweils aktuellen Empfehlungen
des RKI abhängig gemacht werden. Bei der Präexpositionsprophylaxe sollen die genannten
antiviralen Medikamente während der gesamten Exposition und weitere zehn Tage nach
der letzten Exposition verabreicht werden.
Im Falle von Ausbrüchen in Altersheimen oder anderen Langzeitpflegeeinrichtungen sollten
erkrankte Bewohner umgehend therapiert werden (s. o.) und eine Chemoprophylaxe bei
allen anderen engen Kontaktpersonen sowie beim Personal für mindestens zwei Wochen
durchgeführt werden. Ergeben sich im Rahmen der Surveillance neue Fälle, soll die
Chemoprophylaxe für weitere 8 Tage nach Krankheitsbeginn des zuletzt erkrankten Bewohners
fortgeführt werden. Weiterhin sollen die bekannten Maßnahmen zur Eindämmung von Ausbrüchen
von Infektionskrankheiten durchgeführt werden.
Einsatz von Neuraminidasehemmern bei Schwangeren
Es existieren keine Daten klinischer Studien zur Sicherheit von Neuraminidasehemmern
bei Schwangeren. Da Schwangere ein höheres Risiko für Komplikationen haben, sollte
die Schwangerschaft aber keine Kontraindikation für eine antivirale Therapie darstellen.
Aufgrund der systemischen Wirksamkeit ist wahrscheinlich Oseltamivir für die Therapie
vorzuziehen. Für die Prophylaxe könnte Zanamivir von Vorteil sein.
Von der saisonalen Grippe ist bekannt, dass Neuraminidasehemmer eine Effizienz von
ca. 60 % bei Patienten mit symptomatischer Influenza haben. Bei asymptomatischer Influenza
zeigen sie keinen Effekt. Der wesentliche Therapieeffekt besteht in der Reduktion
der Entwicklung von Komplikationen der unteren Atemwege. Es gibt noch keine belastbaren
Daten zur Effizienz der Neuraminidasehemmer im Pandemiefall. In Anbetracht der geringen
Effizienz der Medikamente bei der saisonalen Grippe sollte ihr Einsatz aber streng
auf die oben genannten Personengruppen begrenzt bleiben.
Links
Internationale Resistenzsituation:
www.cdc.gov/flu
Nationale Resistenzsituation:
www.rki.de
Therapie bei Kindern:
www.dgpi.de/pdf/Influenza_A_H1N1_neu_DGPI-Empfehlung_Mai2009.pdf
Influenza-assoziierte Pneumonie
Influenza-assoziierte Pneumonie
Bedeutung der Influenza-assoziierten Pneumonie
Sekundäre bakterielle Pneumonien sind eine häufige Komplikation und finden sich bei
etwa einem Viertel aller Influenza-assoziierten Todesfälle. Diese Ko-Infektionen wurden
signifikant häufiger bei Patienten nachgewiesen, die im Rahmen einer Influenza-Infektion
verstarben.
Erreger und Risikogruppen
Generell entspricht das Spektrum der bakteriellen Erreger dem der primär ambulant
erworbenen Pneumonie; in den meisten Studien waren Pneumokokken die häufigsten bakteriellen
Ko-Pathogene. An zweiter Stelle stehen bei Influenza-Patienten allerdings Staphylokokken,
die bei nicht Influenza-assoziierter, ambulant erworbener Pneumonie selten sind (http://www.capnetz.de).
Verschiedene epidemiologische Arbeiten schlussfolgern, dass im Rahmen einer Influenza-Epidemie
die Inzidenz bakteriämischer Pneumokokkenpneumonien um 30 % ansteigen kann. Ursache
hierfür ist eine stark verminderte Pneumokokkenabwehr durch eine durch die Influenzaviren
verursachte schwere lokale Immunsuppression.
Da eine HIV-Infektion ein unabhängiger Risikofaktor für eine Pneumokokkeninfektion
ist (bis zu 40-fach erhöht), sind diese Personen hinsichtlich eines schweren Verlaufes
im Rahmen einer Influenza-Infektion besonders gefährdet.
Welche Antibiotika sollten eingesetzt werden?
Eine begleitende antibiotische Therapie bei Influenza-assoziierter Pneumonie sollte
daher auf jeden Fall erfolgen, auch wenn kein bakterielles Pathogen nachgewiesen werden
kann. Gerade für die häufigsten bakteriellen Ko-Pathogene, die Pneumokokken, haben
die derzeit verfügbaren diagnostischen Nachweisverfahren (Sputum- und Blutkultur,
Urin-Antigentest) keine ausreichende Sensitivität.
Die einzusetzenden Antibiotika sollten Pneumokokken und Staphylokokken erfassen. Entsprechend
eignen sich v. a. Laktamase-feste Beta-Laktame wie Cephalosporine der 2. Generation
und beta-Laktam/beta-Latamaseinhibitoren sowie im Falle einer β-Laktam-Allergie bzw.
-Unverträglichkeit respiratorische Fluorchinolone (Levo- oder Moxifloxacin, nicht
Ciprofloxacin) (Dosierungen siehe CAPNETZ-DGP-DGI-PEG-S3 Leitlinie).
Verschiedene retrospektive klinische Studien zeigen, dass Patienten mit schwerer Pneumokokkenpneumonie
von einer zusätzlichen Makrolidtherapie profitieren. Der Benefit der Kombinationstherapie
geht dabei über die Erfassung „atypischer Erreger” (Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien)
hinaus und beruht auf einer antiinflammatorischen Wirkung.
Spezielle klinische Untersuchungen zur Influenza-assoziierten Pneumokokkenpneumonie
fehlen, allerdings zeigt eine aktuelle Untersuchung im Mausmodell, dass gerade bei
einer Influenza-assoziierten sekundären Pneumokokkenpneumonie Makrolide deutlich bessere
Ergebnisse erzielen als beta-Laktame. Eine Makrolid-Monotherapie ist jedoch vor dem
Hintergrund der hohen Makrolidresistenzlage in Deutschland (20 %) nicht zu empfehlen.
Aufgrund der hohen Rate ambulant erworbener MRSA-Infektionen in den USA empfehlen
die CDC den zusätzlichen empirischen Einsatz der MRSA-wirksamen Antibiotika zur o. g.
Therapie, sobald der Verdacht auf eine Staphylokokkenpneumonie (Abszesse, Empyem)
vorliegt. Da in Deutschland ambulant erworbene MRSA-Stämme selten sind, ist dieses
Vorgehen nicht zu empfehlen. Eine MRSA-wirksame Therapie sollte jedoch durchgeführt
werden, wenn MRSA nachgewiesen oder im Vorfeld eine MRSA-Besiedlung bekannt ist.
Wann sollte mit der antibiotischen Therapie begonnen werden?
Einige Autoren empfehlen den Beginn der antibiotischen Therapie (Prophylaxe) unabhängig
von der Diagnose „Pneumonie” zeitgleich mit der Initiierung der antiviralen Therapie
bei Patienten mit Risikofaktoren. Neben den oben genannten gehören hierzu vor allem
Patienten mit COPD. Ein solches Vorgehen kann in Fällen mit schwerem Verlauf berechtigt
sein, jedoch nicht für alle Patienten mit Verdacht auf eine Influenza-Infektion generell
empfohlen werden. Hier sollte auf jeden Fall zeitnah eine zweite Konsultation erfolgen
(nach 48 h) und bei fehlender Besserung bzw. den Zeichen für eine Pneumonie unverzüglich
mit einer Antibiotikatherapie begonnen werden.
Impfung
Auch wenn nicht-konjugierte Impfstoffe gegen Pneumokokken nicht sicher vor der Pneumonie
schützen, so gibt es doch Evidenz für eine Reduktion der Influenza-assoziierten Sterblichkeit,
so dass die Impfung von Patienten > 60 Jahre bzw. mit Risikofaktoren entsprechend
den Empfehlungen der STIKO anzuraten ist.
Links
CAPNETZ-DGP-DGI-PEG-S3 Leitlinie Vollversion: Atemwegsinfektionen und ambulant erworbene
Pneumonie
www.thieme-connect.de/ejournals/html/pneumologie/doi/10.1055/s-2005-870988
CAPNETZ-DGP-DGI-PEG-S3 Leitlinie Kurzversion:
www.capnetz.de/html/docs/ll-cap-final.pdf
Daten zur ambulant erworbenen Pneumonie:
www.capnetz.de
Behandlung respiratorischer Komplikationen: Sauerstoffinsufflation und Beatmungsformen
Behandlung respiratorischer Komplikationen: Sauerstoffinsufflation und Beatmungsformen
Formen der akuten respiratorischen Insuffizienz
Eine Störung des Gasaustauschs bei einer Influenza ist fast immer eine hypoxische
Insuffizienz mit kompensatorischer Hypokapnie infolge der Hyperventilation. Ursache
ist entweder eine direkt viral induzierte Pneumonie oder eine im Verlauf der Influenza
auftretende bakterielle Superinfektion. Nur bei sehr schwerer Pneumonie mit erheblicher
Hypoxämie oder Husteninsuffizienz wegen massiver Sekretproduktion sowie bei vorbestehender
Grunderkrankung mit überlasteter Atemmuskulatur kommt es über den kompensatorischen
ventilatorischen Bedarf oder durch eine obstruktive Bronchitis auch zur hyperkapnischen
Insuffizienz.
Therapie der Hypoxämie
Bei einer milden Hypoxämie mit Sättigungswerten > 88 %, die mit Dyspnoe einhergeht,
ist die Applikation von Sauerstoff über Nasensonde zur Symptomkontrolle ausreichend.
Der Patient kann auf der Normalstation verbleiben, sollte aber auch in der Isolierpflege
im Einzelzimmer überwacht werden.
Auch bei ausgeprägter Hypoxämie mit Sättigungswerten < 88 % und kompensatorischer
Tachypnoe mit Hypokapnie, die jedoch ohne schwerwiegende klinische Symptomatik wie
Dyspnoe oder Bewusstseinsstörung einhergeht, ist die nasale Sauerstoffinsufflation
oftmals ausreichend. Es können durchaus Sauerstoffsättigungen von 70 – 80 % toleriert
werden, wenn die Hb-Werte über 12 g % sind und keine Herzinsuffizienz mit niedriger
Sauerstofftransportkapazität vorliegt.
Zielgröße für die Indikation zur Beatmung bei normaler Herzleistung ist erst eine
Reduktion des Sauerstoffgehaltes (Sauerstoffsättigung × Hb × 1,34) unter 10 ml O2/ml
Blut. Ausgeprägt hypoxämische Patienten sollten auf einer Intensiv- oder Überwachungsstation
behandelt werden, auch dort ist auf eine strikte Isolierpflege zu achten.
Nicht-invasive Beatmung (NIV) bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Bei schwerer Hypoxämie mit ausgeprägter Luftnot, Tachypnoe und Hypokapnie, aber erhaltener
Vigilanz und hämodynamischer Stabilität kann auf der Intensiv- oder Überwachungsstation
der Einsatz von high-flow CPAP erwogen werden, hierbei sind höhere inspiratorische
Sauerstoffkonzentrationen zu erzielen. Es stehen Geräte mit komfortablen nasalen Interfaces
und leistungsfähigen Atemgasbefeuchtern zur Verfügung, sodass auch langfristige Anwendungen
toleriert werden.
Sobald es bei deutlicher Hypoxämie zu einer Normokapnie oder sogar leichten Hyperkapnie
kommt (eine deutliche Hyperkapnie ist fast ausschließlich nur bei vorbestehender pulmonaler
Grunderkrankung zu beobachten), muss eine Erschöpfung der Atempumpe angenommen werden.
Diese ventilatorische Insuffzienz muss in jedem Fall mittels maschineller Beatmung
behandelt werden. Eine maschinelle Überdruckbeatmung kann jedoch insbesondere bei
inflammatorisch bedingten Lungenaffektionen einen Ventilator-induzierten Lungenschaden
(VILI) auslösen. Hohe Beatmungsdrucke, hohes Tidalvolumen und hohe inspiratorische
Sauerstoffkonzentrationen können gerade bei invasiver Beatmung eine Influenza-assoziierte
generalisierte Schrankenstörung der Lunge verstärken und die Ausbildung eines akuten
Lungenversagens (ARDS) mit schwerem und prolongiertem Verlauf begünstigen. Unter invasiver
Beatmung kommt es zudem recht häufig zu einer beatmungsassoziierten Pneumonie.
Aus diesem Grund sollte bei akuter respiratorischer Insuffizienz eine nicht-invasive
Beatmung stets erwogen werden. Insbesondere Patienten mit führender hyperkapnischer
Atmungsinsuffzienz profitieren von dieser Behandlung.
Die NIV kann bei hypoxischer Insuffizienz bei guter Patientencompliance und Maskenakzeptanz,
hämodynamischer Stabilität, fehlender Bewusstseinsstörung und Abwesenheit weiterer
Organversagen zum Einsatz kommen. Voraussetzung hierzu ist jedoch die ausreichende
Erfahrung des Ärzte- und Pflegeteams.
Der Einsatz der NIV darf eine erforderliche Intubation keinesfalls verzögern, wenn
sich der Zustand des Patienten nicht in den ersten zwei Stunden nach Beginn der NIV
stabilisiert. Klinische Zielparameter unter Einsatz der NIV sind eine Abnahme der
Atemfrequenz mit Abnahme der Dyspnoe, die Rückbildung der Hyperkapnie, eine verbesserte
Oxygenierung und der Rückgang einer ggf. vorhandenen metabolischen Azidose. Unter
engmaschiger Überwachung und hoher Aufmerksamkeit des Teams kann der Einsatz der NIV
auch bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffzienz erfolgreich sein. Insbesondere
Patienten mit zugrunde liegender krankheitsbedingter oder medikamentöser Immunsuppression
profitieren von dem Einsatz der NIV im Rahmen einer hypoxischen Insuffzienz.
Details zur NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz finden sich in der aktuellen
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.
Invasive Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Eine Intubation ist bei zunehmender Hypoxie infolge progredienter Infiltrate oder
eines Ventilation-Perfusions-Missverhältnisses notwendig (ALI/ARDS).
Nach der Intubation ist auf die konsequente Einhaltung einer möglichst nur gering
lungenschädigenden Beatmung zu achten: auf einen ausreichend hohen PEEP, ein niedriges
Tidalvolumen von maximal 6 ml/kg Idealkörpergewicht und auf niedrige inspiratorische
Spitzen- bzw. Plateaudrucke. Bei ausreichend hohem Hb, guter Herzleistung, ausreichender
Nierenfunktion und nicht vorhandener zerebrovaskulärer Insuffzienz können auch niedrige
Sauerstoffsättigungen (80 – 85 %) akzeptiert werden, um die inspiratorische Sauerstoffkonzentration
so gering wie möglich zu halten.
Grundsätzlich sind bei der Behandlung dieser schwer erkrankten Patienten die gleichen
Therapieprinzipien zu beachten wie bei anderen Patienten mit ARDS und/oder Sepsis
(Deutsche Sepsisleitlinie, http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/ll_079.htm).
Die oben beschriebenen Maßnahmen können nur bei einer überschaubaren Anzahl von Influenza-Patienten
zur Anwendung kommen, da die komplette Infrastruktur des Krankenhauses für eine differenzierte
Therapie vorhanden sein muss. Im Falle einer Pandemie mit sehr hohen Patientenzahlen
und mit einer hohen Letalität müssen andere Maßnahmen in Kraft treten, die den erschwerten
Bedingungen gerecht werden. Dieses ist in der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin näher beschrieben.
Links
Deutsche Sepsisleitlinie:
www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/ll_079.htm
DGP: S-3 Leitlinie zur nicht-invasiven Beatmung:
www.pneumologie.de/fileadmin/pneumologie/downloads/Leitlinien/S3_LL_NIV_bei_ARI_Pneumologie_VIII_2008.pdf
DGP: Empfehlungen zur Viruspandemie:
www.pneumologie.de/fileadmin/pneumologie/downloads/Viruspandemie.pdf
Interessenkonflikte
Interessenkonflikte
Keine angegeben.