Einleitung
Das amelanotische maligne Melanom zeichnet sich durch verschiedene, weitgehend uncharakteristische
Merkmale aus, sodass der Tumor in der Regel klinisch nicht zu diagnostizieren ist.
Innerhalb der Gruppe der malignen Melanome werden die amelanotischen Varianten zunächst
nur selten beobachtet. Bei der Auswertung zweier größerer Melanomstatistiken mit 1483
und 2881 Patienten betrug die Häufigkeit der amelanotischen malignen Melanome 1,8
bzw. 1,9 % [1]
[2]. Gleichzeitig konnte bei den beiden Untersuchungen weder eine anatomisch-topografische
Prädilektion noch eine geschlechtsspezifische Prädisposition festgestellt werden.
Auch die klinische Morphologie der amelanotischen malignen Melanome ist vielfältig.
Von Fall zu Fall beinhaltet diese Polymorphie makulöse, plaqueförmige oder knotige
Strukturen und entspricht somit den Wachstumsformen pigmentierter maligner Melanome.
Diese Übereinstimmung der Wachstumsformen ist jedoch für die Diagnose der amelanotischen
malignen Melanome nicht entscheidend. In unserem Bewusstsein ist ein malignes Melanom
pigmentiert, ergo kann ein nicht pigmentierter Tumor auch kein malignes Melanom sein.
Da bei den amelanotischen Formen der malignen Melanome die Pigmentierung als somit
entscheidendes Kriterium für die klinische Verdachtsdiagnose fehlt, verzögert sich
auch die histopathologische Untersuchung, der eigentliche Schlüssel zur Diagnose.
Entsprechend werden die amelanotischen malignen Melanome erst in einem fortgeschrittenen
Tumorstadium erkannt, mit einer damit verbundenen Verschlechterung der Prognose der
Patienten. Dass es jedoch auch klinische Merkmale gibt, die auf ein amelanotisches
malignes Melanom hinweisen können, soll in der vorliegenden Arbeit dargestellt werden.
Patienten- und Tumordaten
In den Jahren 1994 – 2008 wurden in der Hautklinik Bremerhaven 443 maligne Melanome
exzidiert. In 254 Fällen (57 %) waren Frauen betroffen, während der Anteil der Männer
mit 189 Tumoren (43 %) geringer ausfiel. In der gesamten Gruppe fanden sich 8 Patienten
mit amelanotischen malignen Melanomen, entsprechend einer Häufigkeit von 1,8 %. Von
diesen 8 Patienten waren 5 Frauen und 3 Männer, sodass man vor dem Hintergrund des
höheren Frauenanteils in der gesamten Patientengruppe von einer weitgehend ausgeglichenen
Geschlechtsverteilung der amelanotischen malignen Melanome ausgehen kann. Als auffälliger
Befund muss das hohe Lebensalter unserer Patienten mit amelanotischen malignen Melanomen
angesehen werden. Zum Zeitpunkt der Diagnose war der jüngste Patient bereits 59, der
älteste 87 Jahre alt. Bei einem Durchschnittsalter von 72 Jahren waren nur 3 der 8
Patienten jünger als 70 Jahre. Auch bei der Lokalisation der amelanotischen malignen
Melanome zeigte sich eine ungewöhnliche Verteilung. In 3 Fällen war der Tumor am Kopf
aufgetreten, davon zweimal am Kapillitium. Die übrigen 5 Tumoren fanden sich an den
Extremitäten, wobei jeweils zweimal die Hände und Füße betroffen waren. Ein bevorzugtes
Auftreten in lichtexponierten Arealen konnte nicht beobachtet werden. Innerhalb unserer
Patientengruppe zeigten sich alle üblichen Wachstumsformen maligner Melanome. Mit
4 Fällen war die noduläre Tumorform am häufigsten vertreten, gefolgt von 2 Lentigo-maligna-Melanomen
und je einem superfiziell spreitenden und einem akro-lentiginösen malignen Melanom.
Alle Tumoren zeichneten sich durch ein tiefes infiltratives Wachstum aus. Bei der
Hälfte der Fälle wurde ein Clark-Level V, bei jeweils 2 Tumoren ein Clark-Level IV
oder III nachgewiesen. Prognostisch vergleichbar ungünstige Ergebnisse fanden sich
auch bei den Bestimmungen des vertikalen Tumordurchmessers nach Breslow. Hier wurden
Befunde zwischen 1,1 und 16 mm ermittelt bei einem Durchschnittswert von 6,5 mm. Bei
3 der 8 Patienten konnte ein Breslow von über 10 mm bestimmt werden. Bei 4 Tumoren
lag eine Ulzeration vor. Die Staging-Untersuchungen zum Zeitpunkt der Diagnose führten
bei 3 Patienten zum Nachweis von Lymphknotenmetastasen. Eine weitergehende Metastasierung
war hingegen bei keinem Patienten nachzuweisen gewesen.
Fallbeobachtungen
Fall 1: Patientin E. S., 85 Jahre
Die Patientin hatte seit ca. 2 Jahren einen langsam wachsenden Knoten im Bereich der
Fersenbeinregion rechts bemerkt. Zusätzlich war seit 3 – 4 Monaten eine Schwellung
in der rechten Leiste aufgefallen. Am Fersenbein rechts lateral zeigte sich ein kreisrunder,
3 cm durchmessender, scharf begrenzter, roter Tumor mit zentral speckigen Auflagerungen
und einer umschriebenen schwarzen Kruste im Randbereich ([Abb. 1]).
Klinische Verdachtsdiagnose: B-Zell-Lymphom.
Histopathologische Diagnose: Amelanotisches ulzeriertes noduläres malignes Melanom,
Clark-Level V, Breslow 16 mm.
Zusätzlich fand sich eine ca. 1 cm durchmessende, ebenfalls rötlich tingierte kutane
Metastase im Bereich der Außenknöchelregion und mehrere inguinale Lymphknotenmetastasen
rechts.
Abb. 1 Patientin E. S.: Amelanotisches ulzeriertes noduläres malignes Melanom Fersenbeinregion
rechts (Clark-Level IV, Breslow 16 mm).
Fall 2: Patientin H. W., 62 Jahre
Bei der Patientin war seit der Jugend ein Pigmentmal proximal an der Streckseite des
rechten Unterschenkels bekannt gewesen. Nach einer Stoßverletzung im Bereich des Pigmentmals
kam es zunächst zu einer nicht heilenden Wunde, anschließend zu einem kontinuierlichen,
etwa 3 Jahre anhaltenden Tumorwachstum. An der Unterschenkelstreckseite rechts proximal
fand sich ein 7 × 5 cm großer, plaqueförmig aufgeworfener, hell- bis dunkelrot gefärbter
Tumor mit umschrieben kleinpapulöser Oberfläche und gelblichen Auflagerungen. Der
Tumor war von relativ weicher Konsistenz ([Abb. 2]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Z. B. Lymphom, z. B. malignes Histiozytom.
Histopathologische Diagnose: Amelanotisches ulzeriertes noduläres malignes Melanom,
Clark-Level V, Breslow 12 mm.
Sentinel-Lymphknoten und übrige Staging-Untersuchungen ohne Anhalt für Metastasierung.
Abb. 2 Patientin H. W.: Amelanotisches ulzeriertes noduläres malignes Melanom Unterschenkelstreckseite
rechts (Clark-Level V, Breslow 12 mm).
Fall 3: Patientin H. F., 87 Jahre
Seit unbekannter Zeit, möglicherweise seit 1 – 2 Jahren, war ein Tumorwachstum am
rechten Handteller beobachtet worden. Klinisch fand sich am Thenar rechts ein ca.
2,5 cm durchmessender, plaqueförmig aufgeworfener, sich in die Tiefe ausdehnender,
derber, erythematöser Tumor mit gelblichen Auflagerungen, punktförmigen Blutungen
und Krusten ([Abb. 3]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Plattenepithelkarzinom.
Histopathologische Diagnose: Amelanotisches ulzeriertes noduläres malignes Melanom,
Clark-Level V, Breslow 12 mm.
Kein Nachweis einer lymphogenen oder viszeralen Metastasierung.
Abb. 3 Patientin H. F.: Amelanotisches ulzeriertes noduläres malignes Melanom Thenar rechts
(Clark-Level V, Breslow 12 mm).
Fall 4: Patientin R. B., 63 Jahre
Der Patientin war, 9 Monate bevor sie sich erstmals bei uns vorstellte, eine Rötung
im Bereich der 4. Zwischenfingerfalte links aufgefallen. Anschließend hatte der Befund
langsam an Größe zugenommen. In angegebener Lokalisation stellte sich ein 4 × 6 mm
großer, flach erhabener, unregelmäßig aufgebauter, rötlich tingierter Tumor von derber
Konsistenz dar. In der Oberfläche fanden sich ganz vereinzelt punktförmige braune
Pigmentierungen eingelagert ([Abb. 4]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Basalzellkarzinom, angiomatöser Tumor.
Histopathologische Diagnose: Noduläres malignes Melanom, Clark-Level IV, Breslow 2 mm.
Sentinel-Lymphknoten und übrige Staging-Untersuchungen ohne Anhalt für Metastasierung.
Abb. 4 Patientin R. B.: Amelanotisches noduläres malignes Melanom 4. Fingerzwischenfalte
links (Clark-Level IV, Breslow 2 mm).
Fall 5: Patient W. J., 74 Jahre
Der Patient berichtete über juckende und zwischenzeitlich auch schmerzhafte Hautveränderungen
am behaarten Kopf, die, seit einem Jahr bestehend, kontinuierlich an Ausdehnung zugenommen
hatten. Der klinische Befund zeichnete sich an der Stirn und am behaarten Kopf durch
ein zusammenhängendes, flächenhaftes, scharf begrenztes Erythem mit pflastersteinartig
angeordneten Papeln aus. Eingestreut fanden sich bis fingernagelgroße psoriasiforme
Keratosen und Krusten ([Abb. 5]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Z. B. granulomatöse Dermatose, z. B. Angiosarkom.
Histopathologische Diagnose mehrerer Biopsien: Amelanotisches Lentigo-maligna-Melanom,
größte Tumorwerte Clark-Level IV, Breslow 1,5 mm. Zervikal rechts konnte eine Lymphknotenmetastase
nachgewiesen werden. Die weiterführenden Staging-Untersuchungen waren unauffällig.
Abb. 5 Patient W. J.: Amelanotisches Lentigo-maligna-Melanom Stirn-Haar-Grenze rechts (Clark-Level
IV, Breslow 1,5 mm).
Fall 6: Patient H. B., 59 Jahre
Der Patient berichtete über einen Pigmentfleck an der rechten Wange, den er mit etwa
50 Jahren erstmals bemerkt hatte. In den letzten 1 – 2 Jahren sei es zu einem Pigmentverlust
gekommen. Im Zentrum der rechten Wange zeigte sich ein 1 cm durchmessender, flach
erhabener, unscharf begrenzter, rötlicher Tumor mit einer randständig umschriebenen,
sehr diskreten, braunen Pigmentierung. Derber Palpationsbefund ([Abb. 6]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Z. B. Histiozytom, z. B. kutane Metastase, z. B. Merkelzellkarzinom.
Histopathologische Diagnose: Lentigo-maligna-Melanom, Clark-Level III, Breslow 1,1 mm.
Bei den Staging-Untersuchungen ergab sich kein Hinweis für eine Metastasierung.
Abb. 6 Patient H. B.: Amelanotisches Lentigo-maligna-Melanom Wange rechts (Clark-Level III,
Breslow 1,1 mm).
Fall 7: Patientin E. M., 79 Jahre
Der Patientin war zunächst ein kleiner Knoten am rechten Großzeh aufgefallen. 15 Monate
später bemerkte sie eine Schwellung im Bereich der rechten Leiste. Histopathologisch
wurde eine Lymphknotenmetastase diagnostiziert, möglicherweise eines malignen Melanoms.
Daraufhin wurde die Patientin zur dermatologischen Untersuchung vorgestellt. Klinisch
zeigte sich dorsal am Großzeh rechts ein ca. 1,5 cm durchmessender, erythematöser
Knoten mit einer oberflächlichen, teilweise von Krusten belegten Erosion. Im Randbereich
fiel eine aschgraue Pigmentierung in den tiefer gelegenen Anteilen des Tumors auf.
Derber Palpationsbefund ([Abb. 7]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Amelanotisches malignes Melanom.
Histopathologische Diagnose: Ulzeriertes akro-lentiginöses malignes Melanom, Clark-Level
V, Breslow 5,8 mm.
Mit Ausnahme der inguinalen Lymphknotenmetastase ergaben sich bei den Staging-Untersuchungen
keine Hinweise für eine weitergehende Metastasierung.
Abb. 7 Patientin E. M.: Amelanotisches ulzeriertes akro-lentiginöses malignes Melanom Großzeh
dorsal rechts (Clark-Level V, Breslow 5,8 mm).
Fall 8: Patient H. K., 70 Jahre
Zur Bestandsdauer des Befundes retroaurikulär links konnte der Patient keine verwertbaren
Angaben machen. Klinisch fand sich ein 2,0 × 1,5 cm großer, oberflächlich kleinpapulös
aufgebauter, roter Tumor mit randständiger Krustenbildung ([Abb. 8]).
Klinische Verdachtsdiagnose: Basalzellkarzinom.
Histopathologische Diagnose: Superfiziell spreitendes malignes Melanom, Clark-Level
III, Breslow 1,5 mm.
Eine Metastasierung konnte nicht nachgewiesen werden.
Abb. 8 Patient H. K.: Amelanotisches superfiziell spreitendes malignes Melanom retroaurikulär
links (Clark-Level III, Breslow 1,5 mm).
Diskussion
Das amelanotische maligne Melanom ist ein Ausnahmetumor, der uns die Grenzen der klinischen
Morphologie als Grundlage jeder dermatologischen Diagnose unmissverständlich aufzeigt.
Das morphologische Problem wird bereits bei der Frage deutlich, was man unter einem
amelanotischen malignen Melanom zu verstehen hat. Eine einheitliche klinische oder
eine gemeinsame klinisch-histopathologische Definition existiert nicht. Für den Kliniker
stellt sich das amelanotische maligne Melanom als ein Tumor dar, der sich durch das
vollständige Fehlen, durch eine fragmentarische oder eine völlig uncharakteristische,
das klinische Bild in keiner Weise prägende Pigmentierung auszeichnet. Maligne Melanome
mit Pigmentresten wurden vereinzelt auch als hypomelanotische oder hypopigmentierte
maligne Melanome bezeichnet [3]. In der Praxis ist diese Terminologie jedoch wenig hilfreich, da auch eine Restpigmentierung
das maligne Melanom nicht charakterisiert und man deshalb erfahrungsgemäß nicht an
die Diagnose denken wird. Im Gegensatz zur Situation des Klinikers ist die histopathologische
Diagnose eines malignen Melanoms im Allgemeinen auch dann unproblematisch, wenn klinisch
eine amelanotische Variante des Tumors vorliegt. Einerseits ist der Pathologe bei
einem malignen Melanom grundsätzlich nicht auf den Nachweis von Pigment angewiesen,
andererseits finden sich auch bei klinisch amelanotisch imponierenden malignen Melanomen
histopathologisch häufig noch Pigmentanteile [4]
[5]
[6]
[7]. Der Pathologe wird in dieser Situation häufig die Diagnose eines malignen Melanoms
stellen, da sich für ihn der amelanotische klinische Charakter des Tumors nicht eröffnet.
Die Auffassung, das amelanotische maligne Melanom als eine eigenständige Variante
anzusehen, ist somit hauptsächlich auf die klinische Morphologie zurückzuführen. Einen
Einfluss auf das biologische Verhalten und damit auf die Prognose des Tumors zeigt
das Fehlen einer Pigmentierung im Übrigen nicht [8]
[9]
[10]. Wenn der Kliniker trotzdem und selbst bei histopathologischem Pigmentnachweis an
dem Begriff des amelanotischen malignen Melanoms festhält, geschieht dies letztendlich,
um die besondere Problematik der klinischen Beurteilung des Tumors deutlich zu machen.
Die geschlechts- und altersspezifischen Verteilungen sowie die anatomischen Lokalisationen
der amelanotischen malignen Melanome zeigen im Vergleich zu den pigmentierten Tumorformen
keine wesentlichen Abweichungen. Darüber hinaus liefern die entsprechenden Daten der
amelanotischen malignen Melanome keine sicheren Hinweise, die im Einzelfall für das
Vorliegen des Tumors sprechen würden. Bei 28 Patienten mit amelanotischen malignen
Melanomen, deren Daten von Huvos et al. ausgewertet wurden, waren mit 19 Fällen Frauen
häufiger betroffen als Männer [1]. Die Untersuchungen von Ariel et al. zeigten hingegen eine geringfügig höhere Erkrankungshäufigkeit
bei Männern [11]. Innerhalb einer Gruppe von 77 Patienten waren bei dieser Studie 45 Männer und 32
Frauen beobachtet worden. Giuliano et al. konnten anhand der von ihnen erhobenen Daten
keine geschlechtsspezifische Prädisposition ermitteln [2]. Als eine Besonderheit ist möglicherweise die Geschlechtsverteilung bei den amelanotischen
Lentigo-maligna-Melanomen anzusehen. Durch eine umfangreiche Literaturstudie und Beobachtung
eigener Fälle konnten Rahbari et al. 22 Patienten mit amelanotischen Lentigo-maligna-Melanomen
zusammenstellen [12]. Innerhalb dieser Gruppe fanden sich 18 Frauen und nur 4 Männer, entsprechend einer
Ratio von 4,5 : 1. Eine vergleichbare Geschlechtsverteilung dieser amelanotischen
Tumorform mit einer Ratio von 7 : 2 bei insgesamt 28 erfassten Patienten konnten auch
Rocamora et al. feststellen [13]. In beiden Literaturstudien sind allerdings teilweise die gleichen Kasuistiken ausgewertet
worden. Diese deutlich gesteigerte Häufigkeit der amelanotischen Lentigo-maligna-Melanome
bei Frauen lässt sich bei den pigmentierten Lentigo-maligna-Melanomen nicht beobachten,
die eine ausgeglichene Geschlechtsverteilung aufweisen [14].
Amelanotische maligne Melanome können in jedem Lebensalter auftreten. Übereinstimmend
haben die Arbeitsgruppen von Huvos und Ariel die höchste Inzidenz des Tumors in der
5. Lebensdekade bestimmen können [1]
[11]. Die von uns beobachteten Patienten waren mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren
deutlich älter. Patienten mit amelanotischen Lentigo-maligna-Melanomen zeigen ebenfalls
ein höheres Erkrankungsalter, wie dies auch für die pigmentierte Form dieses malignen
Melanoms typisch ist [14]. Bei den Untersuchungen von Rocamora et al. betrug das mittlere Lebensalter der
Patienten mit amelanotischen Lentigo-maligna-Melanomen zum Zeitpunkt der Diagnose
62 Jahre, bei Rahbari 66 Jahre [12]
[13]. Aber auch bei Kindern ist das Auftreten amelanotischer maligner Melanome beschrieben
worden. Nachdenklich stimmt eine Untersuchung von Ferrari et al. [15]. In einer Gruppe von 33 Kindern mit malignen Melanomen im Alter zwischen 3 und 14
Jahren konnten die Autoren bei 28 Kindern den klinischen Farbton der Tumoren ermitteln.
Bei 14 dieser 28 Kinder hatten amelanotische maligne Melanome vorgelegen.
Eine bevorzugte Lokalisation der amelanotischen malignen Melanome ließ sich bisher
nicht sicher nachweisen. Bei den Untersuchungen von Huvos et al. fand sich keine Prädilektion
am Integument [1]. Giuliano et al. beobachteten nur eine geringfügig häufigere Manifestation der amelanotischen
Tumorformen im Bereich der oberen Extremitäten [2]. Als eine Ausnahme könnte möglicherweise die subunguale Lokalisation angesehen werden,
allerdings nur dann, wenn man die hier auftretenden malignen Melanome als Sonderfall
betrachtet. Während sich nur 1 – 3 % aller malignen Melanome subungual entwickeln,
finden sich bei verschiedenen Untersuchungen mit 15 – 25 % auffällig viele amelanotische
maligne Melanome in dieser Lokalisation [16]
[17]
[18]
[19]. Bei ähnlicher Betrachtungsweise der Lentigo-maligna-Melanome als eigenständige
Gruppe lässt sich auch das Gesicht als bevorzugte Lokalisation der amelanotischen
Variante dieser Melanomform auffassen, wobei selbstverständlich zu berücksichtigen
ist, dass das Gesicht per se eine Prädilektionsstelle der Lentigo-maligna-Melanome
darstellt. Bei den Untersuchungen der Arbeitsgruppen von Rocamora und Rahbari waren
mehr als die Hälfte der ausgewerteten Fälle amelanotischer Lentigo-maligna-Melanome
im Gesicht aufgetreten [12]
[13]. Es bleibt jedoch festzustellen, dass weder die subunguale Lokalisation noch das
Gesicht anatomisch-topografische Prädilektionen darstellen, wenn man die Gesamtheit
der amelanotischen malignen Melanome betrachtet. Allerdings sind die wenigen malignen
Melanome, die in den genannten Lokalisationen auftreten, überproportional häufig amelanotisch,
was man bei differenzialdiagnostischen Überlegungen nicht pigmentierter Tumoren insbesondere
in subungualer Lokalisation berücksichtigen sollte. Als Rarität gelten amelanotische
maligne Melanome im Bereich von Schleimhäuten. Einzelne Kasuistiken konnten ihr Auftreten
an den Konjunktiven, an der Vulva oder im Rektum dokumentieren [20]
[21]
[22]. Neben den bisher dargestellten epidemiologischen Daten und den Angaben zur anatomisch-topografischen
Manifestation können anamnestische Angaben der Patienten Hinweise für das Vorliegen
eines amelanotischen malignen Melanoms beinhalten. Von besonderer Bedeutung kann dabei
die Aussage eines Patienten sein, dass sich der vorliegende Tumor im Bereich eines
ursprünglich vorhandenen Pigmentmals entwickelt habe. Von unseren 8 Patienten haben
wir zweimal einen entsprechenden Hinweis erhalten. Selbstkritisch muss hierbei festgestellt
werden, dass wir trotz dieser Aussagen bei beiden Patienten ein amelanotisches malignes
Melanom nicht in unsere klinischen Differenzialdiagnosen aufgenommen haben, was sich
rückblickend nicht mehr nachvollziehen lässt. Möglicherweise ist die Pigmentierung
ein so prägender klinischer Befund, dass man bei ihrem Fehlen ein malignes Melanom
nicht mehr erwägt. Ein weiterer, bisweilen anamnestisch zu erfragender Befund, der
auf ein amelanotisches malignes Melanom hinweisen kann, ist die Wachstumsdynamik des
Tumors. Im Gegensatz zu gutartigen Neubildungen, die wie z. B. das Granuloma pyogenicum
ein sehr schnelles Wachstum aufweisen, zeigt das amelanotische maligne Melanom häufig
ein langsames und kontinuierliches Wachstum, das dann nach Monaten oder Jahren plötzlich
von einer schnellen Wachstumsphase abgelöst werden kann. Der letzte Punkt, der hier
als „anamnestischer Hinweis” aufgeführt werden soll, ist der beunruhigte Patient.
Im Gegensatz zum Patienten, der, wenn auch häufig unbewusst, die Entwicklung bzw.
Veränderung eines Befundes registriert, muss man das klinische Bild bei einer dermatologischen
Untersuchung immer als Momentaufnahme werten. Die Dynamik einer Entwicklung entzieht
sich dabei der klinisch-morphologischen Beurteilung. Erfahrungsgemäß kann man nur
von den wenigsten Patienten erwarten, dass sie die Veränderungen eines dermatologischen
Befundes beschreiben können. Was in der Sprechstunde dann bleibt, ist ein beunruhigter
Patient. Wenn man in einer solchen Situation einen Befund klinisch nicht absolut sicher
einordnen kann, was eben auch bei amelanotischen malignen Melanomen fast immer der
Fall sein wird, kann man nur dringend dazu raten, eine histopathologische Sicherung
der Diagnose anzustreben.
Die klinische Morphologie der amelanotischen malignen Melanome ist uncharakteristisch
und lässt im Einzelfall jeden Hinweis auf eine maligne Neoplasie vermissen. Andererseits
finden sich einzelne Merkmale, die besonders in ihrer Kombination für die Diagnose
richtungweisend sein können. Grundsätzlich kommen alle Subtypen pigmentierter maligner
Melanome auch als amelanotische Varianten vor [7]
[12]
[23]
[24]. Die Wachstumsformen und damit verbunden die morphologischen Grundstrukturen der
amelanotischen malignen Melanome zeigen sich in Gestalt makulöser, plaqueförmiger
und nodulärer Morphen, die eine runde oder häufiger polyzyklische Form aufweisen.
Im Gegensatz zu den pigmentierten malignen Melanomen findet sich bei den amelanotischen
Tumoren ein größerer Anteil nodulärer Formen [10]. Der Gesamtaufbau aller Grundformen ist in der Mehrzahl der Fälle asymmetrisch,
vereinzelt jedoch auch regelmäßig, was besonders für knotige Tumorformen in einem
frühen Stadium der Entwicklung gelten dürfte. Die Oberflächen plaqueförmiger oder
knotiger Tumoren sind glatt oder papillomatös aufgebaut. Bei knotigen amelanotischen
malignen Melanomen finden sich auffällig häufig erodierte Oberflächen mit gelblichen
bis grauen Auflagerungen oder Ulzera mit fötider, purulenter Sekretion [7]
[11]
[24]
[25]
[26]. Erstaunlicherweise werden Blutungen nur selten beobachtet oder von den Patienten
beschrieben. Von den 77 Patienten der Studie von Adler et al. hatten nur 2 Patienten
eine Tumorblutung angegeben [25]. Auch unsere 8 Patienten verneinten Blutungen, jedoch ließen sich bei der Untersuchung
der Patientin H. F. spontan punktförmige Blutungen beobachten ([Abb. 3]). Berücksichtigt werden muss, dass sowohl die Patienten der Arbeitsgruppe von Adler
als auch unsere eigenen Patienten in der Mehrzahl histopathologisch fortgeschrittene
Invasionstiefen aufgewiesen haben, sodass man Blutungen eigentlich häufiger erwartet
hätte. Während sich plaqueförmige und knotige amelanotische maligne Melanome in der
Regel scharf begrenzt darstellen, können die makulösen Formen auch unscharfe Begrenzungen
aufweisen [7]
[27]
[28]. Als eine morphologische Besonderheit der makulösen amelanotischen malignen Melanome
kann möglicherweise eine immer wieder auftretende Schuppung der Oberfläche angesehen
werden. Auffällig ist die Anzahl der Publikationen, in denen eine schuppende Oberfläche
beobachtet wurde, die für pigmentierte maligne Melanome auch vom superfiziell spreitenden
Typ sicher nicht kennzeichnend ist [3]
[4]
[7]
[13]
[23]
[29]
[30]. Die Farbe amelanotischer maligner Melanome ist von wenigen Ausnahmen abgesehen
als rot, rötlich oder erythematös bezeichnet worden [3]
[4]
[7]
[10]
[12]
[13]
[23]
[27]
[28]
[31]. Das Vorkommen roter Farbtöne ist zahlmäßig so ausgeprägt, dass das amelanotische
maligne Melanom zu Recht auch als rotes Melanom bezeichnet wurde [4]. Wir halten diese Namensgebung für sinnvoll, weil bei entsprechender Kenntnis ein
roter Farbton für den Kliniker eher als richtungweisender Befund angesehen werden
kann als das Fehlen eines Merkmals, hier die Pigmentierung, die in unserem Bewusstsein
für die Diagnose eines malignen Melanoms von so fundamentaler Bedeutung ist. Nur sehr
selten wurden amelanotische maligne Melanome beschrieben, deren Farbton sich nicht
von der umgebenden Haut unterschied, oder es fanden sich weiße, vollständig depigmentierte
Läsionen [10]
[11]
[22]
[32]. Auch hypopigmentierte Tumorformen sind vereinzelt beobachtet worden, deren Pigmentierung
für ein malignes Melanom jedoch nicht als charakteristisch angesehen werden konnte
[3]. Ein klinisch meist nur diskret ausgeprägter, für die Diagnose hingegen entscheidender
Befund zeigt sich in Form umschriebener oder ringförmig angeordneter Pigmentreste
im Randbereich amelanotischer maligner Melanome [25]
[27]
[28]. Ein typisches Beispiel für diese Form der Pigmentierung ist der Befund unseres
Patienten H. B. ([Abb. 6]).
Neben der beschriebenen klinischen Morphologie können vereinzelt auch diaphanoskopische
Befunde auf das Vorliegen eines amelanotischen malignen Melanoms hinweisen. Der Dermatoskopie-Punktwert
nach Stolz ist bei den amelanotischen Formen maligner Melanome nicht aussagekräftig,
da den amelanotischen Tumorformen typische, dermatoskopisch zu erfassende Strukturen
fehlen, die bei der Berechnung des Punktwertes berücksichtigt werden [33]. Zu den immer wieder zu beobachtenden, jedoch nicht obligat vorkommenden und auch
keineswegs spezifischen Befunden der Dermatoskopie amelanotischer maligner Melanome
zählen polymorphe Gefäßmuster mit unregelmäßig aufgebauten Gefäßstrukturen, Punktgefäße
und milchig-blassrosa tingierte Areale vorwiegend im Zentrum der Läsionen. Vereinzelt
noch vorhandene Pigmentreste zeigen sich in Form unregelmäßiger Netzstrukturen, aggregierter
Schollen oder homogener Brauntöne [3]
[34]
[35].
Die Differenzialdiagnosen der amelanotischen malignen Melanome sind von der jeweiligen
Grundform der Tumoren abhängig. Zu den typischen klinischen Verdachtsdiagnosen der
makulösen Form amelanotischer maligner Melanome gehören die Psoriasis vulgaris, Ekzeme,
Narben, sklerodermiforme oder erythematoide Basalzellkarzinome, Plattenepithelkarzinome,
das Granuloma anulare und der Morbus Bowen [12]
[12]
[23]
[31]
[36]. Bei den knotigen amelanotischen malignen Melanomen muss das Granuloma pyogenicum
als die häufigste klinische Fehldiagnose angesehen werden [15]. Aber auch der Glomus-Tumor, vulgäre Warzen, noduläre Basalzellkarzinome, Plattenepithelkarzinome
und das Merkelzellkarzinom sind im Einzelfall als klinische Differenzialdiagnosen
zu berücksichtigen [25]
[37]
[38]
[39]. Das ganze Spektrum der Differenzialdiagnosen wird durch amelanotische maligne Melanome
vervollständigt, die unter dem klinischen Bild eines Lichen sclerosus et atrophicus,
eines Rhinophyms oder eines Mal perforans beobachtet wurden [22]
[28]
[40].
Die Prognose der amelanotischen malignen Melanome ist von den gleichen histopathologischen
und klinischen Kriterien abhängig, die auch für die pigmentierten Tumorformen gelten.
Da die amelanotischen Varianten der malignen Melanome jedoch häufig erst in einem
fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert werden, ist ihre Prognose im Allgemeinen
ungünstig [8]
[12]
[25]
[32]. Die Behandlung der amelanotischen malignen Melanome und der pigmentierten malignen
Melanome unterscheidet sich im Übrigen nicht [41].
Zusammenfassend lässt sich abschließend feststellen, dass man amelanotische maligne
Melanome nur in Ausnahmefällen klinisch erkennen wird. Nichtsdestotrotz gibt es anamnestische,
klinisch-morphologische und diaphanoskopische Befunde, die für die Existenz eines
amelanotischen malignen Melanoms sprechen können. Von entscheidener Bedeutung ist
unserer Auffassung nach, dass man sich auch im klinischen Alltag von der Vorstellung
befreit, maligne Melanome müssten pigmentiert sein.