Die Spezialisierung in der Medizin schreitet immer weiter voran. Erst vor kurzem wurde
die Weiterbildungsordnung in der Chirurgie geändert, um dieser Entwicklung Rechnung
zu tragen. Statt der früher üblichen Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie beginnt
der Facharztanwärter nun nach einer zweijährigen gemeinsamen Anfangsphase der Weiterbildung
(sog. common trunk) gleich mit der Ausbildung in einem Schwerpunkt (Viszeralchirugie,
Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie etc.). Abgesehen von erheblichen Problemen in der
Ausgestaltung der neuen Ausbildungsordnung war diese Entwicklung überfällig. Aber
die Spezialisierung geht weiter. Die Viszeralchirurgie gliedert sich weiter in Spezialgebiete
wie kolorektale Chirurgie, hepatobiliäre Chirurgie oder endokrine Chirurgie. Ähnliches
gilt für andere Fachdisziplinen.
Spezialisierung macht fachübergreifende Zusammenarbeit unverzichtbar
Spezialisierung macht fachübergreifende Zusammenarbeit unverzichtbar
Diese Entwicklung führt dazu, dass der einzelne Arzt über eine immer größere Expertise
auf einem immer kleineren Gebiet verfügt. Angesichts des immer größer werdenden Literaturangebots
ist es auch kaum möglich, auf breiter Front alle entscheidenden Neuentwicklungen im
eigenen Fachgebiet zeitnah zu verfolgen, geschweige denn die Literatur der Nachbardisziplinen
ausreichend zu kennen. Eine sachgerechte Behandlung im besten Interesse des Patienten
ist daher heute vielfach nur in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit möglich. Dazu
müssen die häufig noch starren Abteilungsgrenzen verschwinden. Wie ein Patient behandelt
wird, darf nicht dem Zufall überlassen werden, welcher Fachdisziplin z. B. die Schwester
in der Notaufnahme einen Patienten zuordnet. Dies gilt für viele interdisziplinär
zu behandelnde Krankheitsbilder wie z. B. die akute Pankreatitis, die Cholelithiasis
oder das kolorektale Karzinom. Vielfach wird an die Möglichkeiten der anderen Fachdisziplin
nicht gedacht oder die Expertise des Kollegen nicht genutzt.
Ansätze zur Bereitschaft, Abteilungsgrenzen abzubauen
Ansätze zur Bereitschaft, Abteilungsgrenzen abzubauen
Der fachübergreifende Behandlungsansatz dokumentiert sich in einer Reihe von Entwicklungen
der letzten Jahre bzw. des letzten Jahrzehnts. Interdisziplinäre Tumorkonferenzen
sind heutzutage in fast allen größeren Krankenhäusern eine feste Einrichtung. Innerhalb
kurzer Zeit können auch komplexe Tumorprobleme besprochen und ein konsentierter Behandlungsplan
festgelegt werden, weil Vertreter aller beteiligten Disziplinen anwesend sind und
die verschiedenen Optionen diskutiert werden können. Verschiedene Leitlinien der AWMF
wurden interdisziplinär erstellt und sind daher gemeinsame Empfehlungen aller beteiligten
Fachgesellschaften.
Auch die Einrichtung von sogenannten Bauchstationen ist Ausdruck der Bereitschaft,
Abteilungsgrenzen abzubauen und in enger Zusammenarbeit mit dem gastroenterologischen
bzw. chirurgischen Partner zum Wohle des Patienten Entscheidungen gemeinsam zu treffen.
Durch gemeinsame Visiten wird ein formalisiertes Konsiliarwesen überflüssig, Entscheidungen
werden schneller getroffen und Aspekte der jeweils anderen Fachdisziplin können sofort
berücksichtigt werden.
Interdisziplinär zu behandelnde Krankheiten im Fokus von Krankenhausökonomen
Interdisziplinär zu behandelnde Krankheiten im Fokus von Krankenhausökonomen
Die wirtschaftlichen Engpässe im Gesundheitswesen machen die partnerschaftliche und
vertrauensvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit auch zu einer überlebenswichtigen
Notwendigkeit für viele Krankenhäuser. Im Zeitalter der DRGs müssen die Liegezeiten
von Patienten so weit wie möglich reduziert werden. Interdisziplinär zu behandelnde
Krankheitsbilder stehen hier besonders im Fokus von Krankenhausökonomen. Wie häufig
kam es vor, dass für einen Patienten mit einem kolorektalen Karzinom nach Abschluss
aller Staging–Untersuchungen eine schriftliche Konsilanforderung an den Chirurgen
geschickt wurde. Dieser kam möglicherweise erst am nächsten Tag, stellte die Operationsindikation,
konnte jedoch keinen kurzfristigen Operationstermin vergeben, da kein entsprechender
Platz im Operationsprogramm zur Verfügung stand. Nicht selten war auch eine ASS–Medikation
nicht abgesetzt worden oder es wurden noch weitere Untersuchungen zur Risikoabklärung
benötigt, die parallel zum Staging hätten erfolgen können. Eine frühzeitige gemeinsame
Planung von Diagnostik und Therapie macht solche Ressourcenverschwendungen vermeidbar
und ermöglicht es, entscheidende Rationalisierungsreserven zu heben.
Abläufe lassen sich in Behandlungspfaden formalisieren
Abläufe lassen sich in Behandlungspfaden formalisieren
Derartige Abläufe lassen sich in Behandlungspfaden sehr gut formalisieren. Auch hier
muss das Vorgehen von den beteiligten Fachabteilungen gemeinsam festgelegt, dann aber
auch konsequent umgesetzt werden. Da es notwendig ist, Abweichungen von dem Behandlungspfad
zu begründen, können Schwachstellen im System gut identifiziert werden. Zudem besteht
in der Regel eine hohe Motivation, die festgelegten Zeitvorgaben einzuhalten.
Ohne jeglichen Zweifel ist heutzutage eine enge interdisziplinäre Kooperation bei
der Patientenversorgung vor allem im Krankenhaus sowohl im Hinblick auf die Behandlungsqualität
als auch im Hinblick auf die Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven ein absolutes
Muss. In den meisten Institutionen wurden viele der genannten Veränderungen bereits
realisiert.