Der Klinikarzt 2009; 38(6): 264-265
DOI: 10.1055/s-0029-1233398
MEDICA e. V.

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Diagnostische Pfade

Ein Ansatz zur Verbesserung klinischer Abläufe
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Prof. Dr. med. Walter Hofmann

Department Klinische Chemie der StKM-GmbH

Kölner Platz 1

80804 München

Fax: 089/3068-3911

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Prof. Dr. med. Harald Renz

Klinikum der Philipps-Universität Marburg

Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik

Baldingerstraße

35043 Marburg

Fax: 06421/58-65594

Email: renzh@med.uni-marburg.de

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Prof. Dr. med. Johannes Aufenanger

Institut für Laboratoriumsmedizin

Klinikum Ingolstadt GmbH

Krumenauerstraße 25

85049 Ingolstadt

Fax: 0841/880-2909

Email: johannes.aufenanger@klinikum-ingolstadt.de

Publication History

Publication Date:
29 June 2009 (online)

 
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Mit der Entwicklung klinischer Pfade und den erweiterten Möglichkeiten, über Labor-EDV-Systeme beleglos Laboruntersuchungen anfordern zu können (Order-Entry), wurde die Idee geboren, den klinisch tätigen Kollegen EDV-Module anzubieten, die sie in ihrer täglichen Arbeit inhaltlich und organisatorisch unterstützen können. "Diagnostische Pfade", implementiert in klinische Pfade, könnten diese Aufgabe erfüllen.

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Bild: CD 06 Professional Science

Ein diagnostischer Pfad beschreibt den gesamten Prozess von der medizinischen Fragestellung bis zur Befunderstellung. Er besteht aus Testindikationen (was?) für definierte Fragestellungen (wofür?). Ergänzend soll er Zeitpunkte (wann?) und Erläuterungen (warum?) enthalten.

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Was können diagnostische Pfade leisten?

Ausgehend von der Definition sind "diagnostische Pfade" medizinische Empfehlungen einer Expertengruppe oder Fachgesellschaft, die das aktuelle Wissen zu einer Fragestellung oder einem Prozess zusammenfassen. Dieses Wissen ist aufbereitet und soll den Kliniker bei der Diagnosefindung durch einen Entscheidungsbaum oder Ablaufplan, integriert in eine KIS- oder LIS-Umgebung, unterstützen. Die standardisierte Testanforderung ist der erste Schritt zu einer rascheren Diagnosefindung und damit einer gezielteren Therapie.

Neben den genannten Aspekten gibt es zahlreiche weitere Gründe für den Einsatz von diagnostischen Pfaden:

  • Wissen beim Nutzer erweitern, der damit am Expertenwissen partizipiert,

  • Transparenz der gesamten Prozessabläufe für alle Beteiligten verbessern,

  • Kostentransparenz schaffen und

  • Laboratoriumsmedizin als hochinnovatives medizinisches Fach weiterentwickeln.

Die standardisierte Testanforderung und die raschere Diagnosefindung stellen das medizinische Postulat eines diagnostischen Pfades dar, daneben können aber auch eine kürzere Verweildauer und korrekte Erlöse im DRG-System ein wichtiges Ergebnis von Pfadstrategien sein. Beides sind wesentliche Triebfedern, dieses Hilfsmittel in die Praxis einzubeziehen.

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Wie sieht das Konzept zur Erarbeitung diagnostischer Pfade aus?

Bisher wurden in einzelnen Unterarbeitsgruppen die Themenbereiche Aufnahmeprofile, Vorgehen bei Verdacht von Autoimmunerkrankungen, Vorgehen bei akuten Erkrankungen des Zentralnervensystems, Vorgehen bei hämatologischen Fragstellungen, Ausschluss und Differenzierung von Nierenerkrankungen und Fragen zur Toxikologie u.a. Vorgehen bei unklarer Bewusstlosigkeit bearbeitet. Die Unterarbeitsgruppen und ihre Tätigkeit sind wie folgt strukturiert.

Pro Arbeitsgruppe werden 4 Mitglieder bestimmt, 2 autorisierte Experten der jeweiligen Fachgesellschaft (z. B. Nephrologie, Neurologie), ein Experte der Vereinten Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie (DGKL) und Laboratoriumsmedizin. Diese Gruppe sichtet die vorhandenen Guidelines bzw. Leitlinien und erarbeitet Vorschläge, bei welchen entsprechende Vorlagen fehlen. Die Vorschläge werden in der Jahressitzung der jeweiligen Fachgesellschaften (z. B. Nephrologie, Neurologie) vorgestellt, diskutiert und abschließend genehmigt.

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Welche Arbeitsgruppen wurden bisher etabliert?

Bisher wurden 6 Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich den Themen internistisch-chirurgische Aufnahmeprofile/Aufnahmeprofil Hausarzt, Nephrologie, Immunologie, Hämatologie, Neurologie und Toxikologie widmen (Tab. [1]).

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Tab. 1 Bisher etablierte Arbeitsgruppen.

Auf der Medica 2008 wurden die ersten Ergebnisse vorgestellt. Beispielhaft sollen 3 Themenkomplexe dargestellt werden:

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Diagnostische Pfade bei der Krankenhausaufnahme

Einen typischen Schlüsselprozess stellt die Aufnahme eines Patienten dar. Probenlogistik, treffsichere Labordiagnostik und zeitnahe Befundübermittlung zeigen sich besonders in diesem Bereich als wichtige Faktoren für die Steigerung der Effektivität der Behandlung. Während in vielen Krankenhäusern organbezogen Laborprofile (Herzprofil, Leber, Niere etc. standardmäßig die Basis der Aufnahmediagnostik darstellen, bilden die symptomorientierten Pfade eine Möglichkeit zur differenzialdiagnostischen Vorgehensweise zur Abklärung der medizinischen Symptomatik ab. Bisher wurden folgende Laborprofile im Sinne der diagnostischen Pfade für die Krankenhausaufnahme erarbeitet:

  • Thoraxschmerz

  • Abdominalschmerz

  • Anämie

  • Unklares Fieber

  • Thromboembolie

  • Schock/Koma

  • Trauma

Ein Beispiel für das Profil "Thoraxschmerz" ist in Abbildung [1] dargestellt.

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Abb. 1 Eingangslaborprofil zur Abklärung thorakaler Schmerzen.

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Diagnostische Pfade in der Immunologie und Autoimmundiagnostik

Die Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) hat vor über 10 Jahren eine Arbeitsgruppe zur Thematik der Autoimmunerkrankungen ins Leben gerufen. Ziel der Arbeitsgruppe ist die Erarbeitung von laboratoriumsmedizinischen Algorithmen zur Diagnosestellung und Verlaufsbeobachtung von Patienten mit systemischen und organbezogenen Autoimmunerkrankungen. Im Rahmen der Arbeitsgruppe "Diagnostische Pfade" sollen die hier interdisziplinär erarbeiteten Algorithmen nunmehr so aufbereitet werden, dass sie den Standards und Anforderungen an die best medical practice gerecht werden.

Bisher sind zu den folgenden Krankheiten Algorithmen erstellt worden:

  • Lupus erythematodes

  • Rheumatoide Arthritis

  • Autoimmune Lebererkrankungen

  • Idiopathische Myositiden

  • Bullöse Autoimmundermatosen

  • Diabetes mellitus Typ 1

  • Antiphospholipid Syndrom

  • Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen

  • Glutensensitive Enteropathie

  • Polyglanduläre Autoimmunerkrankungen

  • Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz

Die Algorithmen sind abrufbar unter der Homepage der Arbeitsgruppe www.autoimmundiagnostik.de.

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Diagnostische Pfade in der Nephrologie

Die Zahl der terminal niereninsuffizienten Patienten liegt in der Bundesrepublik bei ca. 80 000 Patienten, 60 000 davon sind chronisch dialysepflichtig. Die Kosten pro Patient und Dialysejahr belaufen sich auf 30 000 bis 50 000 Euro. Diabetiker und Hypertoniker stellen mit über 60 % den größten Teil der Patienten, und ihre Zahl nimmt ständig zu. Es sollten daher diagnostische Konzepte zur Früherkennung der diabetischen und hypertensiven Nephropathie entwickelt werden, um dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzuwirken. Die Arbeitsgruppe "Nephrologie" hat sich bisher folgenden Fragestellungen gewidmet:

  • Ausschluss einer Nierenerkrankung bei fehlenden klinischen Symptomen

  • Differenzierung einer teststreifenpositiven Hämaturie

  • Differenzierung einer teststreifenpositiven Proteinurie

  • Abklärung einer Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR)

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Fazit

"Diagnostische Pfade" sollen fallorientierte, routinemäßige medizinische Leistungen in planbare, koordinierte Strukturen überführen und damit den optimalen Ablauf der Behandlungswege transparent hervorheben. Die grundlegende Idee der diagnostischen Pfade ist die ablaufoptimierte Diagnostik anhand von krankenhausindividuellen Leitlinien, die von einem autorisierten Gremium erarbeitet und von den jeweiligen Fachgesellschaften genehmigt wurden. Diagnostische Pfade sollen den behandelnden Arzt in der täglichen Arbeit fachlich unterstützen, nicht beschränken bzw. bevormunden.

Weitere Informationen können Sie unserer Website entnehmen: (www.dgkl.de/DiagnostischePfade)

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Tab. 1 Bisher etablierte Arbeitsgruppen.

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Abb. 1 Eingangslaborprofil zur Abklärung thorakaler Schmerzen.