Drei Jahre nach Gründung des TraumaNetzwerkD DGU, fand am 28. März 2009 der 1. Jahreskongress des TraumaNetzwerkD DGU im Universitätsklinikum Marburg statt.
Ziel des Kongresses war es, den Teilnehmern Informationen zu aktuellen Entwicklungen
und zukünftigen Umsetzungen zu präsentieren und diese gemeinsam zu diskutieren. Die
Resonanz mit mehr als 200 Teilnehmern (zumeist Chefärzte bzw. leitende Oberärzte)
aus unfallchirurgischen Kliniken der gesamten Bundesrepublik zeigt an, welchen Stellenwert,
dieses Projekt mittlerweile erreicht hat.
Die Entwicklung des TraumaNetzwerkD DGU schreitet deutschlandweit mit beeindruckender Geschwindigkeit voran.
Im Rahmen des ersten Themenblockes wurden aktuelle Zahlen zur Entwicklung von Traumanetzwerken
in Deutschland, dem Stellenwert des Projektes aus Sicht von Vertretern aus Politik
und Gesundheitswesen und zu ersten Erfahrungen bei den Auditbesuchen vorgestellt.
Die Änderungen in den Beurteilungskriterien des Anforderungsprofils sowie Entscheidungsabläufe
im Arbeitskreis zur Umsetzung des Weissbuch/Traumanetzwerk (AKUT) wurden erörtert.
Aktueller Stand (Kühne)
Aktueller Stand (Kühne)
Die Bedeutung und die Ausmaße, die das Projekt "TraumaNetzwerkD der DGU" erreicht hat, konnte eindrucksvoll durch aktuelle Zahlen unterstrichen werden.
Mit gegenwärtig 715 teilnehmenden Kliniken in bundesweit 42 aktiven Traumanetzwerken
(Abb. [1]), kann das TraumaNetzwerkD DGU als weltweit einzigartig in dieser Form bezeichnet werden.
Abb. 1 Darstellung aller aktiven Traumanetzwerke in Deutschland (Stand 03/2009)
62 Kliniken haben das Audit seit Beginn im September 2008 erfolgreich bestanden und
die Bescheinung zur Erfüllung der Kriterien laut Weißbuch DGU erhalten.
Einschätzung des Konzeptes TraumaNetzwerkD DGU von Vertretern aus Politik und Kostenträgern (Kaiser, Metzner, Oberscheven)
Einschätzung des Konzeptes TraumaNetzwerkD DGU von Vertretern aus Politik und Kostenträgern (Kaiser, Metzner, Oberscheven)
Eine Überarbeitung der derzeit vorliegenden Strukturvorgaben der Krankenhauslandschaft
mit Blick auf die Notfallversorgung in Hessen wurde vom Qualitätssicherheitsbeauftragten
der hessischen Landesärztekammer (Kaiser) betont. Die Vorgaben des Weißbuch Schwerverletztenversorgung
decken sich dabei mit den Überlegungen der Landesärztekammer. Herr Kaiser führte aus,
dass die Forderung des TraumaNetzwerkD DGU hinsichtlich einer maximalen Transportzeit von 30 Minuten mit 60 Klinikstandorten
in Hessen zwar zahlenmäßig umsetzbar sei, allerdings würde mancherorts das strukturelle
Anforderungsprofil eines TZ nicht vorgehalten werden. Den möglichen Beitrag der Landesärztekammern
sah Kaiser in der Definition realistischer Anforderungsprofile, der Umsetzung dieser
Profile in der Landeskrankenhausplanung und letztendlich auch in der Mitwirkung der
Zertifizierung und Qualitätssicherung.
Herr Metzner als Vertreter des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Familie und Gesundheitstellte
in seinem Vortrag die Rolle des Staates im Gesundheitsbereich – i. S. seiner Gewährleistungsfunktion
– in den Vordergrund. Die Notfallversorgung hat in Hessen einen besonderen Stellenwert,
so wurden Erreichbarkeits- und Strukturkriterien festgelegt, um Notfallpatienten in
Fortsetzung der Rettungskette adäquat behandeln zu können. Laut Metzner ergänzen spezialisierte
regionale und überregionale Traumanetzwerke dieses Konzept in idealer Weise, um die
angestrebte Optimierung der regionalen medizinischen Versorgung weiterhin voranzutreiben.
Herr Oberscheven, Referatsleiter der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
sprach sich für eine künftige enge Zusammenarbeit zwischen TraumaNetzwerkD DGU und DGUV – speziell bei der geplanten Neuausrichtung des stationären Heilverfahrens
- aus. Das dreistufige TraumaNetzwerkD-Model mit Untergliederung in regionale, überregionale Traumazentren und Einrichtungen
zur Basisversorgung Schwerverletzter, könne hierbei als "Blaupause/Matrix" für das
künftige Qualitätssicherungssystem der DGUV herangezogen werden. Instrumente zur externen
Qualitätssicherung wie das TraumaRegisterQM DGU könnten ferner zukünftig auch in der
DGUV als Methoden der Qualitätssicherung genutzt werden. Um die Kooperation zwischen
DGUV und TraumaNetzwerkD DGU weiter zu optimieren, ist die Einrichtung einer Lenkungsgruppe auf Bundesebene
sowie regionaler Gesprächszirkel geplant.
Auditbesuche im Rahmen der Zertifizierung (Künzel)
Auditbesuche im Rahmen der Zertifizierung (Künzel)
Die Geschäftsführerin der Zertifizierungsfirma DIOcert Frau Annette Künzel, berichtete
über Erfahrungen aus den bereits erfolgten Auditorenbesuchen in nunmehr über 60 Kliniken
in den vergangenen 7 Monaten. Im Rahmen von drei speziellen Schulungen konnten in
den vergangenen 12 Monaten über 30 Auditoren für den Einsatz im TraumaNetzwerkD DGU ausgebildet werden.
Bei insgesamt positiver Resonanz seitens der Zertifizierungsfirma wies Frau Künzel
darauf hin, dass in den Bereichen a) Implementierung von Qualitätszirkeln, b) Integration
von Rettungsdiensten und Rettungsleitstellen und c) Optimierung der Zusammenarbeit
innerhalb der TNW noch Verbesserungen zu erwarten sind.
Anpassung bei den Anforderungen des Weißbuches und Änderungen in den auditierten Kliniken
(Ruchholtz)
Anpassung bei den Anforderungen des Weißbuches und Änderungen in den auditierten Kliniken
(Ruchholtz)
Eine wesentliche Anforderung für die Bestätigung als regionales und überregionales
Traumazentrum im Sinne des Weißbuches Schwerverletztenversorgung der DGU ist die durchgehende
Vorhaltung neurotraumatologischer Behandlungskompetenz. Da einige Krankenhäuser der
Schwerpunktversorgung mit großen unfallchirurgischen Abteilungen diese Vorgabe nur
schwer erfüllen können, aber bisher auch auf hohem Niveau Schwerverletztenversorgung
durchführten, wurden alternative Kooperationsformen zur Sicherstellung der neurotraumatologischen
Versorgung erarbeitet. Die notwendigen Vorgaben für diese Kooperationsmodelle (Abb.
[2]) waren im Vorfeld zwischen AKUT und der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
abgestimmt worden.
Abb. 2 Möglichkeiten der neurochirurgischen Kooperation im regionalen Traumazentrum
Um zu Erfassen welche weiteren Veränderungen die Kliniken eingeführt haben, um erfolgreich
an einem Traumanetzwerk in der angestrebten Versorgungsstufe teilnehmen zu können,
wird im Rahmen der Auditierung systematisch, prospektiv erfasst, welche organisatorischen,
strukturellen und personelle Maßnahmen im Vorfeld neu eingeführt worden waren. Anhand
der Datenauswertung an bislang 42 auditierten Kliniken fand sich in Übereinstimmung
mit den Erfahrungen der DIOcert, dass in 70% ein Schockraummanagement-Qualitätszirkel
eingerichtet worden war, gefolgt von der Einführung von klar strukturierten Schockraum-Algorithmen
(68%) und interdisziplinären Behandlungspfaden (63%). Im Bereich der apparativen Schockraumausstattung
wurde überwiegend die Einführung/Vorhaltung von Notfallsieben (43%) für Thorakotomie,
Kraniotomie, Laparotomie etc. genannt. Die Installation einer Röntgenanlage war in
immerhin 13%, die einer CT in nur noch 5% als notwendige Investition/Neustrukturierung
genannt (Tab. [1]). Neben dieser prospektiven Erfassung laufen simultan weitere Erhebungen wie z.
B. zur Anwenderzufriedenheit der teilnehmenden Ärzte, des Rettungspotentials und der
Pflege.
Erste Erfolge in der regionalen Umsetzung von Traumanetzwerken sind erkennbar
Ziel des zweiten Themenblockes war es, über Erfahrungen und Entwicklungen bei der
realen Umsetzung von Traumanetzwerken zu berichten.
Organisation der präklinischen Rettung im Saarland
Organisation der präklinischen Rettung im Saarland
Herr Schlechtriemen, der Ärztliche Leiter Rettungsdienst des Saarlandes (Rettungszweckverband
Saar) berichtete in der 2. Vormittagssitzung über die Organisation der präklinischen
Rettung im Saarland. So wurden dort Verfahrensanweisungen (SOP's) für die Schwerverletztenversorgung
eingeführt wie auch ein Eckpunktepapier konzertiert, in dem die abgestufte und disziplinübergreifende
Versorgungskonzeption durch Netzwerke wie z. B. das TraumaNetzwerkD DGU zu organisieren sei. Herr Schlechtriemen konnte beispielhaft aufzeigen wie auf
Basis der Etablierung des Traumanetzwerkes "Saar-(Lor)-Lux-Westpfalz" im Saarland
neue Wege in der Organisationsstruktur bei der interhospitalen Verlegung beschritten
wurden.
Tab. 1 Darstellung der im Vorfeld der Auditierung in den Kliniken vorgenommenen strukturellen,
personellen und apparativen Änderungen (n = 42).
Berichte aus den Netzwerken (Gradl, Nerlich, Bühren)
Berichte aus den Netzwerken (Gradl, Nerlich, Bühren)
Im Anschluss folgten Berichte aus verschiedenen Traumanetzwerken (Mecklenburg-Vorpommern,
TN Ostbayern, TNW Bayern).
Herr Gradl (Universitätsklinikum Rostock) hob hervor, dass es seit Implementierung
des Netzwerkes bereits zu einer deutlichen Verbesserung in der interhospitalen Kommunikation
und in der abzudeckenden Versorgungsfläche in Mecklenburg-Vorpommern gekommen sei.
Als Problem sah auch Herr Gradl, dass bei einer großen Zahl von teilnehmenden Kliniken
keine neurochirurgische Abteilung vorgehalten wird. Hier werden die Formen der interhospitalen,
telemedizinischen Vernetzung ausgebaut.
Die Verbesserung der Kooperations- und auch Verlegungsbereitschaft durch Einführung
eines Traumanetzwerks bestätigte auf Basis eines beieindruckenden Fallbeispiels auch
Herr Nerlich (Universitätsklinikum Regensburg). Ursächlich hierfür sei u. a. die stattgehabte
Fokussierung und Diskussionsbereitschaft i. S. regelmäßiger Teilnehmer-Treffen. Allerdings
betonte Herr Nerlich auch, dass der Aufwand zur Implementierung und Aufrechterhaltung
– gerade in der Anfangsphase – sehr groß sei. Herr Bühren (BG Unfallklinik Murnau)
nannte die einzelnen regionalen Strukturunterschiede als Hauptschwierigkeit der flächendeckenden
Implementierung von Traumanetzwerken (initial n = 11) in Bayern und hob hier die Verantwortlichkeit
der Bundesland-Moderatoren innerhalb dieses Prozesses vor. Schließlich konnten 7 regionale
Traumanetzwerke festgelegt werden, deren Strukturen den notwendigen – auch geographischen
- Anforderungen eines Netzwerkes entsprachen.
Schockraum-Algorithmus für Einrichtungen der Basisversorgung (Stürmer)
Schockraum-Algorithmus für Einrichtungen der Basisversorgung (Stürmer)
Zum Abschluss des zweiten Themenblocks stellte Herr Stürmer die Ergebnisse der AG
Schockraum-Algorithmus im Traumanetzwerk Göttingen-Kassel vor, die sich mit der Erarbeitung
von Schockraum-Leitlinien spezifisch für Einrichtungen der Basisversorgung befasst
hatte. Anhand des eigenen Netzwerkes – mit einem Anteil von ca. 70% teilnehmender
Einrichtungen zur Basisversorgung von Schwerverletzten – zeigte Stürmer die Wichtigkeit
eines solchen Algorithmus auf und wies gleichzeitig auf die Bedeutung von Basisversorgern
innerhalb der Traumanetzwerke hin. Der Algorithmus soll nach Konsentierung zukünftig
allen Kliniken im TraumaNetzwerkD DGU über die Homepage (www.dgu-traumanetzwerk.de) zur Verfügung stehen.
Perspektiven im und um das TraumaNetzwerkD DGU
Im letzten Themenblock wurden Aspekte des Qualitätsmangement sowie zukünftige Entwicklungen
in der Datenerfassung (TraumaRegisterQM) und der Telemedizin dargestellt und diskutiert.
Qualitätsmanagement (Bollschweiler, Siebert)
Qualitätsmanagement (Bollschweiler, Siebert)
Frau Bollschweiler (Chirurgische Klinik Universitätsklinikum Köln) verwies ausdrücklich
darauf, dass der Patient (sog. Kundenorientierung) oberste Priorität im Qualitätsmanagement
(total quality management) besitzt. Die Projektgruppenarbeit sei dabei als wichtigste
Methode des QM zu verstehen und müsse durch einen neutralen Moderator (s. Bundesland-Moderator)
begleitet und von einem Projektleiter (s. Sprecher) organisiert werden.
Herr Siebert (Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und der
Deutschen Gesellschaft für Orthopädie/Unfallchirurgie) nannte das TraumaNetzwerkD DGU einen "einzigartigen Versuch, ein komplexes Behandlungssystem in ein QM-basiertes,
strukturiertes System zu überführen". Dabei sind die Dimensionen des Qualitätsmanagements
nicht nur in die beteiligten Kliniken sondern auch in das jeweilige Traumanetzwerk
implementiert und durch entsprechende externe Kontrollen abgesichert. Ein Unternehmen,
dem sich bislang keine medizinische Disziplin unterzogen hat. Dazu gehört auch, dass
die für die Qualitätssicherung angewendeten Methoden und Maßnahmen – AKUT und TraumaRegisterQM
DGU – einem externen Audit unterzogen werden müssen.
TraumaRegisterQM DGU (Lefering)
TraumaRegisterQM DGU (Lefering)
Als Instrument der Quallitätssicherung und des Benchmarking im TraumaNetzwerkD DGU stellte Herr Lefering (IFOM, Universität Witten Herdecke) das TraumaRegisterQM
DGU vor, das sich 40 verschiedener Parameter des bekannten TraumaRegisters der DGU
(mehr als 40 000 erfassten schwerverletzte Patienten) bedient. Trotz einer deutlichen
Reduktion des Datensatzes des Traumaregisters der DGU, die zur Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit
für nicht-universitäre Kliniken durchgeführt wurde, lassen sich anhand der ausgewählten
Parameter weiterhin die Benchmarking-Kriterien zur Beurteilung der Prozessqualität
sowie klassische Scores wie z. B. ISS, TRISS, RISC zur Beurteilung der Ergebnisqualität
erheben. Darüber hinaus werden sowohl die jährlichen Qualitätsberichte mit diesem
Datensatz erstellt werden und können von den Kliniken als automatisch generierte Kurzberichte
(jederzeit) online abgerufen werden.
Telemedizin im TraumaNetzwerkD DGU (Juhra)
Telemedizin im TraumaNetzwerkD DGU (Juhra)
Den Abschluss der Nachmittagssitzung stellte der Vortrag von Juhra (Unfallchirurgische
Klinik, Universitätsklinikum Münster) dar. Herr Juhra referierte über die Möglichkeiten
web-basierter telemedizinischer Befundübertragung, wie sie derzeit an der Uni Münster
erprobt werden. Durch optimierte Datenübertragung sollen hier die Möglichkeiten eines
schnellen, sicheren und breit anwendbaren Informationsaustausches zwischen den teilnehmenden
Klinken, aber auch zwischen Notärzten vor Ort und dem Zielkrankenhaus entwickelt werden.
Ziel ist es dieses System nach Erzielen der Alltagstauglichkeit den Kliniken im TraumaNetzwerkD DGU zur Verfügung zustellen.
Fazit
Fazit
Sowohl von Seiten der Teilnehmer, als auch der Referenten und Vorsitzenden wurden
die Vorträge und Diskussionsbeiträge ausnahmslos als sehr zielführend und informativ
bewertet.
Insbesondere für die verantwortlichen Betreuer (AKUT) der Umsetzung des deutschlandweiten
TraumaNetzwerkD DGU waren das Feedback und die Anregungen der Teilnehmer von großer Bedeutung für
eine kontinuierliche und realistische Weiterentwicklung der Netzwerkorganisation.
Viele dieser Aspekte sollen dabei auch im Rahmen der Überarbeitung des Weißbuch Schwerverletztenversorgung
(Version 2.0), welche für die zweite Jahreshälfte terminiert ist, berücksichtigt werden.
Der Jahreskongress soll zum Informationsaustausch und zur Weiterentwicklung des TraumaNetzwerkD DGU zumindest für die kommenden Jahre als eine regelmäßige Veranstaltung institutionalisiert
werden.
Dieser Text erscheint auch in den "Mitteilungen und Nachrichten der Deutschen Gesellschaft
für Unfallchirurgie e.V.".
C. A. Kühne [1],[2]
, H. Siebert
[3]
, S. Ruchholtz
[1]