Der Klinikarzt 2009; 38(10): 465
DOI: 10.1055/s-0029-1242880
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Der onkologische Patient - Welche Schmerztherapie ist die richtige?

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Publication Date:
28 October 2009 (online)

 
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    Eine adäquate Schmerztherapie ist gerade bei Tumorpatienten sehr wichtig, um die Lebensqualität zu erhalten. Welche Schmerztherapien es gibt, erklärt Dr. Michael Schenk, Leitender Arzt der Abteilung Anästhesie und Schmerztherapie am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Berlin und Autor des Buches "Multimodale Schmerztherapie" im Interview.

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    ? Herr Dr. Schenk, aus Ihrer Erfahrung im Klinikalltag: Für welche Tumorschmerzpatienten ist eine stationäre Behandlung wichtig?

    Dr. Michael Schenk: Die meisten Tumorschmerzpatienten können auch ambulant sehr gut analgetisch eingestellt und behandelt werden, wenn der Arzt die erforderliche Kompetenz hat und die richtigen Analgetika verwendet. Eine stationäre Aufnahme ist erforderlich, wenn sehr schwierige Schmerzsyndrome zum Beispiel im Rahmen von neuropathischen Schmerzen entstehen. Auch kognitiv eingeschränkte Patienten, die nicht in der Lage sind, ihre Analgetika eigenständig zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis einzunehmen, sollten stationär behandelt werden. Zudem gibt es mannigfaltige Probleme, die Tumorpatienten neben dem Schmerz beeinträchtigen, und somit eine stationäre Behandlung erforderlich machen können.

    ? Wie können Tumorschmerzen adäquat behandelt werden?

    Schenk: Adäquate Behandlung heißt, die Lebensqualität der Patienten durch Schmerzlinderung zu verbessern, ohne schwerwiegende Medikamentennebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Man unterscheidet zwischen neuropathischen und nozizeptiven Tumorschmerzen. Neuropathische Schmerzen bei Krebspatienten werden mit Opioiden, Antikonvulsiva und Antidepressiva behandelt, nozizeptive Schmerzen meist mit starken Opioiden und gelegentlich in Kombination mit Stufe-I-Analgetika. Für eine effektive Opioidtherapie ist ein Präparat wichtig, das auch in höchster Dosis sehr gut verträglich ist. Unter den vielen Opioiden, die zur Verfügung stehen, hat sich Hydromorphon als eine besonders geeignete Substanz erwiesen. Da für bestimmte Tumorarten ein rasch progredienter Schmerz charakteristisch ist, ist die Einstellung auf orales retardiertes Hydromorphon, das zweimal täglich verabreicht wird, effektiver als eine unflexible orale Einmalgabe oder ein transdermales Präparat. Für Patienten mit einem stabilen Tumorschmerz, der allerdings sehr selten ist, kann transdermales Buprenorphin eine Alternative sein. Zudem ist es für Arzt und Patient von Vorteil, wenn das Opioid in verschiedenen Applikationsformen verfügbar ist. Durch eine Substanzkonstanz entfällt das Umrechnen in Äquivalenzdosen und Anwendungsfehler können reduziert werden.

    ? Inwiefern profitieren Tumorpatienten von einer zweimal täglichen Opioidgabe?

    Schenk: Die Erfahrung zeigt, dass Tumorschmerzpatienten am Tag und während der Nacht unterschiedlich starke Schmerzen haben. Bei solch "asymmetrischen" Schmerzen sollte die Dosierung des Opioids flexibel an das Schmerzniveau angepasst werden. Hierbei ist eine zweimal tägliche Opioid-Gabe beispielsweise in Form von Hydromorphon-Kapseln mit retardiertem Granulat von Vorteil, denn die einmal tägliche Gabe eines Opioids mit 24-Stunden-Wirksamkeit ist nicht flexibel. Zudem haben Patienten, die zweimal täglich ein retardiertes Opioid erhalten, weniger Durchbruchschmerzen. So brauchen sie weniger Bedarfsmedikation, gelegentlich auftretende Nebenwirkungen schnell wirksamer Rescue-Formulierungen wie beispielsweise starke Müdigkeit können reduziert werden.

    ? Welche pharmakokinetischen Eigenschaften schätzen Sie neben der guten Steuerbarkeit an einem retardierten Hydromorphon-Präparat?

    Schenk: Neben der zuverlässigen und gleichmäßigen Wirksamkeit des retardierten Hydromorphons (Palladon®) über 12 Stunden ist die Bioverfügbarkeit der Substanz aus der Kapsel mit retardiertem Granulat mit zirka 36 % recht hoch im Vergleich zu anderen Hydromorphon-Präparaten. Eine höhere Bioverfügbarkeit erfordert eine geringere Wirkstoffdosierung, was zu einer deutlichen Senkung der Tagestherapiekosten führen kann. Hinzu kommt, dass Hydromorphon unabhängig vom Enzymsystem Cytochrom P450 metabolisiert wird. Gerade im Vergleich zur Referenzsubstanz Morphin ist eine analgetische Behandlung mit Hydromorphon dadurch wesentlich sicherer. Morphin bildet 2 aktive Metabolite, von denen einer - das Morphin-6-Glucuronid - etwas potenter ist als Morphin selbst und bei Niereninsuffizienz dramatisch kumulieren kann. Zahlreiche Todesfälle und Beinahe-Todesfälle durch eine schwere Atemdepression sind bekannt. Morphin sollte daher bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und eingeschränkter Kognition, wie es bei Tumorpatienten häufig der Fall ist, nicht angewendet werden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion besteht sogar eine relative bis absolute Kontraindikation für Morphin. Hydromorphon hingegen ist bei Niereninsuffizienz ein sehr sicheres Opioid, deutlich sicherer und verträglicher als Opioide wie Morphin oder Fentanyl.

    ? Neben der onkologischen Therapie müssen Tumorpatienten häufig Supportivmaßnahmen durchführen oder erhalten Begleitmedikationen aufgrund von Multimorbidität. Wieso ist Palladon® für diese Patienten besonders geeignet?

    Schenk: Das Ausmaß der Plasma-Eiweißbindung kann klinisch unter bestimmten Umständen äußerst relevant sein. Dies ist häufig bei Tumorpatienten der Fall, die erniedrigte Albumin-Werte haben und gleichzeitig eine Polypharmakotherapie erhalten. Hier gibt es dann eine Kompetition unterschiedlicher Substanzen um die Plasma-Eiweißbindung. Die extrem niedrige Plasma-Eiweißbindung von nur zirka 8% des Wirkstoffs Hydromorphon bietet hier eine sehr hohe und klinisch relevante Therapiesicherheit, die durch die Cytochrom-P450-unabhängige Metabolisierung noch erhöht wird.

    Bericht: Petra Wollburg, Frankfurt

     
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