Die Stimmung ist bei allen, die Phytopharmaka schätzen und erhalten wollen, der Jahreszeit
angepasst trübe. Eine Reihe von plausiblen Gründen wird dafür angeführt: Der europäische
Markt bringt ganz erhebliche Probleme für viele bei uns etablierte Arzneimittel, die
Anforderungen an die Sicherheit steigen und verursachen neue Kosten, Nahrungsergänzungsmittel
kommen in zunehmender Menge auf den Markt und drohen, den Umsatz mancher Präparate
ganz erheblich zu beeinträchtigen. Als Ursachen werden häufig genannt: Auf dem Gebiet
der Phytopharmaka fehlen Innovationen – neue Ideen sind nicht umsetzbar – die Zukunft
der pflanzlichen Arzneimittel ist unsicher. Und bei einer solchen Stimmung fehlt häufig
der Schwung, um Neuerungen einzuführen oder sogar zum Weitermachen.
Zwei Kongresse in den letzten Wochen haben mir andere, positive Perspektiven eröffnet.
Zunächst war da die Internationale Tagung der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung
im August in Genf. Wie immer interessierten mich die (mehrere hundert) Poster am meisten,
und zwar die, die Untersuchungen zum Thema Pharmakologie von Arzneipflanzen präsentierten.
Auf diesem Gebiet hatte sich eine krasse, sehr erfreuliche Änderung vollzogen: Bisher
war zwar häufiger eine bioassay-guided fractionation durchgeführt worden, aber die Relevanz der dann präsentierten In-vitro-Assays ohne
pharmakokinetische Daten ist doch fraglich. Jetzt wurden Beiträge aus dem Iran, aus
Zentralafrika und aus Ostasien mit Untersuchungen zur Pharmakologie in verschiedenen
Modellen vorgestellt, wie sie absolut unserem Standard entsprechen. Mehrere Untersuchungen
prüften z.B. nach Wirkung pflanzlicher Zubereitungen bei Typ-2-Diabetes – die Ergebnisse
wurden in weiteren Modellen überprüft. Das ist ein Beispiel; insgesamt wurde eine
Reihe sehr interessanter Untersuchungen in einem Umfang vorgestellt, der mich begeisterte.
Dann fand vom 10.–12.9. die Tagung der Gesellschaft für Phytotherapie gemeinsam mit
der österreichischen und der schweizerischen Gesellschaft in Berlin statt – ebenfalls
mit einigen sehr ermutigenden Beiträgen. Am stärksten beeindruckt haben mich neue
Ergebnisse aus der Charité zur Wirksamkeit von Silibinin bei Patienten mit Hepatitis
C, bei denen unter Standardtherapie die Viruslast nicht gesenkt wurde. Nach zusätzlicher
Gabe von Silibinin war dann bei mehreren Patienten keine Viruslast mehr nachweisbar.
Sicher bedarf das noch weiterer Prüfung, aber ich fand es sensationell, dass ein »mild
wirkendes« Phytopharmakon so drastische Effekte zeigte. Versuchen wir, so viel wie
möglich für unsere »Phytos« zu tun.