Einleitung
Einleitung
Hässlich wird meistens als Gegensatz zur Schönheit definiert, wobei der Schönheit
wesentlich mehr Bedeutung zukommt, vor allem in der künstlerischen Darstellung. Hässlich
kann der Verlust der natürlichen Proportionen wirken, zumal die Natur als „natürlich
schön” gesehen wird. Beides aber, Schönheit und Hässlichkeit sind keine absoluten
Begriffe, sie wandeln sich in der Zeit und wirken nicht überall und auf alle Menschen
gleich [1]. Betrachtet man die Menschen und ihre Gesichter, so wirken die durch rassische Segregation
zustande gekommenen Menschentypen bei Weitem nicht gleichermaßen schön oder indifferent
oder gar hässlich. Dazu unterscheidet sich die Beurteilung von außen maßgeblich von
derselben innerhalb einer Menschengruppe. Obgleich Friedrich Nietzsche meinte, Hässlichkeit
sei ein Zeichen von Degeneration [2], kann dem nicht gefolgt werden. Hässlichkeit ist oft angeboren. Hässlichkeit ist
auch nicht Zeichen von Krankheit, nicht von Alterung und auch nicht mit Verwerflichkeit
verknüpft [1]
[3]
[4]
[5]
[6]
[8]. Dies hat schon Wolfram von Eschenbach mit der hässlichen, aber hochgebildeten Figur
der Kundrie aufgezeigt [7]. Hässlichkeit hat auch nichts mit der Hautfarbe zu tun, worauf wiederum Wolfram
von Eschenbach schon im Mittelalter anhand der Halbbrüder Parzival und dem gescheckten
Feirefiz hinwies [7].
Hässlichkeit ist schnell empfunden, schwer charakterisierbar und stellt eine Herausforderung
dar zur künstlerischen Darstellung. Das Problem der Hässlichkeit und ihrer Bewältigung
stammt aus der mythischen Vorzeit und steht im Zentrum des griechischen Mythos von
Perseus, dem untadeligen Helden, und Medusa. Seine Darstellung beschäftigt die Künstler
stets und immer noch. Dem gilt unser Interesse.
Perseus, der ideale Held
Perseus, der ideale Held
Perseus ist das Musterbeispiel eines Lieblings der Götter. Von Zeus als Goldregen
mit der Prinzessin Danae gezeugt, wird er, Bruder der Göttin Minerva, lebenslang von
seinem Vater und von Pallas Athene beschützt. So wird er mehrfach vor den Nachstellungen
seines Großvaters König Akrisios von Argos behütet, dem prophezeit wurde, dass ein
Sohn seiner Tochter Danae ihm zum Verhängnis werden würde. Auf der Flucht erreichen
Danae und ihr Sohn Perseus die Kykladeninsel Seriphos. Um Danae vor den Nachstellungen
des dortigen Königs Polydektes zu bewahren, verspricht Perseus, diesem das Haupt der
Gorgo Medusa zu bringen, welches jeden, der es sieht, zu Stein verwandelt.
Nun erscheint Pallas Athene und rüstet Perseus mit einem glänzenden Schild, der ein
Bild zu spiegeln vermag. Sie weist ihm den Weg, den er trickreich begeht, wobei er
von den Nymphen mit Flugsandalen, Manteltasche und Tarnkappe ausgerüstet wird und
zudem von Hermes ein Krummschwert erhält.
So erreicht er die drei Gorgonen, deren Häupter statt Haaren Schlangen tragen und
so hässlich aussehen, dass jeder, der sie direkt ansieht, fürchterlich erschrickt
und sofort zu Stein erstarrt. Medusa ist die jüngste und hässlichste der drei und
nur sie ist sterblich. Unter dem Schutz der Tarnkappe naht er sich der schlafenden
Medusa, indem er nur in den Schild der Göttin Athena schaut. Unter deren Führung schneidet
er das Medusenhaupt ab und fängt dieses in der Manteltasche auf. Aus der blutenden
Wunde der kopflosen Medusa entspringen das geflügelte Ross Pegasus und ein Riese,
beides Geschöpfe von Poseidon.
Pegasus, das geflügelte Ross, ist ein Fabelwesen, geboren aus dem Blut der sterbenden
Medusa. Der Vater ist der alte Meeresgott Poseidon. Pegasus vermag Räume zu überbrücken,
doch er wird der Verwendung durch Menschen entzogen, denen ja die Unsterblichkeit
versagt bleibt, wie Gilgamesch [9] erfahren musste, und denen die Überwindung von Raum und Zeit nicht zur Verfügung
steht. Nur den Dichtern und Poeten ist es vorbehalten, in ihren Geschichten von den
Musen befördert den Pegasus zu reiten, über Räume und durch die Zeiten als Imaginationen
und Fiktionen bis heute und auch weiterhin.
Mit Hilfe der Tarnkappe und der Flugsandalen flieht Perseus um die damalige Welt.
Er sucht in Nordafrika Obdach bei König Atlas, der dies verweigert. Durch Vorzeigen
des Medusenhauptes wird er zum heutigen Atlasgebirge versteinert.
In Tunesien fallen einige Tropfen des Medusenhauptes auf den Boden, wo sich sofort
Schlangen bilden. Als er versucht, das Medusenhaupt mit Kräutern feucht zu halten,
erstarren auch diese und werden zu Korallen. Die Artenvielfalt wird gefördert.
In Äthiopien befreit er die am Felsen gefesselte und einem archaischen Untier ausgelieferte
Königstochter Andromeda, die er heiratet. Am Hochzeitsmahl erscheinen bewaffnete Feinde
und Rivalen, welche er in seiner Not durch Zeigen des Gorgonenhauptes zu Stein erstarren
lässt. Die Verbreitung von Marmor wird beleuchtet.
Zurück auf der Insel Seraphos, zeigt er dem ungläubigen Polydektes und seinen Gefährten
das Gorgonenhaupt, weshalb diese Insel zu den felsigsten ganz Griechenlands gehört.
Die Prophezeiung erfüllt sich, denn der Großvater Akrisios wird als Zuschauer bei
einem Sportfest durch einen Diskuswurf an den Kopf getötet. Zurück in Argos, gibt
Perseus die magischen Gegenstände zurück, das Gorgonenhaupt geht an Pallas Athene
und wird begraben. Perseus übernimmt im Tausch mit Argos das Königreich von Tiryns.
Ihm und Andromeda ist ein langes und glückliches Leben gegönnt, mit reichlich Kindern
und Nachfahren, den Perseiden. Nach ihrem Tode werden beide zusammen zum leuchtenden
Beispiel als Sternbilder zirkumpolar in den nördlichen Himmel erhoben. Der Hauptstern
Mirfak bildet mit kleineren Sternen den Körper von Perseus, während Algol nebenan
das Medusenhaupt darstellt. Benachbart steht das wesentlich bekanntere Sternbild Andromeda,
mit den aufgereihten Sternen Sirrah, Mirach und Almak sowie der Spiralgalaxie des
Andromedanebels.
Perseus tötet Medusa
Perseus tötet Medusa
Perseus ist eine besondere, ja fast einmalige mythologische Gestalt der griechischen
Sagenwelt. In der Perseusgeschichte werden verschiedene der archaischen mythologischen
Figuren (Mytheme nach Didier Anzieu, [10]) zusammengeführt. Perseus ist ein Sterblicher, der, von seinem Vater Zeus wohlwollend
geführt, ein untadeliges und den Göttern gefälliges Heldenleben führt. Ja er ist ein
besonderer Liebling der Pallas Athene, die ihn als ausführendes „Werkzeug” ihrer unerbittlichen
Rachepläne benützt, die Gorgonen zu bestrafen. Dies fokussiert sich auf die einzig
sterbliche der drei Schwestern, auf Medusa, die zuvor mit ihrer Schönheit die Göttin
beleidigte und dafür mit größtmöglicher Hässlichkeit bestraft wurde. So lesen wir
bei Ovid [11] „von der Schauergestalt der Medusa, von Haaren besessen, mit welchen im Wechsel
sich Schlangen vermischen. Solche trägt sie auch vorne auf der Brust” ([11], 4.615 ff).
Ihr schrecklicher Anblick lässt jeden sterblichen Betrachter zu Stein erstarren, was
zur absoluten Isolation der Medusa führte. Nur Unsterbliche halten dem stand; Götter
nämlich und ihre beiden Schwestern.
Sie soll nun durch Perseus umgebracht werden. Dafür liefert Pallas Athene direkt und
indirekt die Mittel und das Wissen zur Tat, insbesondere die Tricks, um der versteinernden
Wirkung des Gorgonenhauptes zu entgehen. Er erledigt den Auftrag pflichtgemäß. Auf
der Flucht um die ganze damalige Welt entgeht er seinen Feinden und befördert zudem
die Vielfalt der mineralischen Welt (Atlasgebirge und die Felseninsel Seraphos) und
den Artenreichtum der Tierwelt (Schlangen und Korallen). Er verzichtet auf die weitere
Nutzung der unglaublichen Wirkung des Medusenhauptes, gibt dieses der Pallas Athene
zurück und befreit Andromeda, heiratet sie und kehrt in seine Heimat zurück. Sie führen
ein langes, glückliches und gottgefälliges Leben, bekommen reichlich tüchtige Nachkommen
und werden nach ihrem Ableben als Sternbilder im Himmel verewigt. Perseus verhält
sich sein ganzes Heldenleben lang als treuer Diener seiner Göttin Pallas Athena und
somit auch seines Vaters Zeus. Die geliehenen Attribute gibt er nach erfolgreich vollbrachter
Tat zurück, verwendet diese also weder anmaßend noch unbotmäßig, er usurpiert sich
nicht gegen die Götter, ist demütig und lebt traditionsgemäß, erfolgreich und fruchtbar.
Ein Liebling und Günstling der Götter ohne Fehl und Tadel, eigentlich eine exemplarische
Lebensgestaltung, jederzeit als Vorbild geeignet und zum Nacheifern empfohlen. Eine
nahezu einmalige Geschichte in der Mythologie der Griechen und wohl auch anderer Kulturkreise.
Pallas Athena lässt das Gorgonenhaupt endgültig begraben, trägt dieses aber als Schreckbild
auf ihrem Schild. Hier vermag es wohl die Gegner zu erschrecken, hat aber die versteinernde
Wirkung nicht mehr. Homer allerdings schildert das Gorgonenhaupt auch auf dem Schild
„Aigis” von Zeus, der damit Blitze schleudern und andere Blitze wehren kann. Damit
wird gleichsam als Vorahnung eine Distanzwaffe skizziert, wie sie Jahrtausende später
mit Laserkanonen realisiert wird.
Medusa als Sinnbild der Hässlichkeit
Medusa als Sinnbild der Hässlichkeit
Nun sind in den Mythen und Märchen viele Geschichten bekannt von Befreiung von Jungfrauen
vor Ungeheuern oder Tyrannen, auch in der Bibel. Und Tarnkappen sowie Flügelsandalen
(Siebenmeilenstiefel etc.) sind gleichfalls beliebte Utensilien für wundersame Geschehnisse
und Taten in allen Kulturkreisen. Vielfältig ist solches in Wort und Bild künstlerisch
festgehalten und ausgeschmückt. Von besonderem Reiz aber scheint für die bildhafte
Darstellung in Bild und Skulptur das Medusenhaupt zu sein. Dabei steht nicht die Wirkung
der Versteinerung im Vordergrund, sondern das Objekt selbst, das Medusenhaupt als
Sinnbild des Hässlichen. Versteinerungen gibt es viele, in allen Märchen, Legenden
und Mythen. Selbst in der Bibel ist die Versteinerung von Lots Frau beim Rückblick
auf das untergehende Sodom festgehalten (AT, 1 Mos. 19). Das Gorgonenhaupt aber gilt
als das Hässlichste vom Hässlichen, als Schreckbild eines menschenähnlichen Gesichtes
und ist von steter Faszination für jeden Betrachter. Es ist nicht verwunderlich, dass
seine Darstellung eine immerwährende Herausforderung darstellt für Maler und Bildhauer.
Der Begriff Medusa lebt weiter fort bis heute, so beispielsweise als Bezeichnung Medusa
für das Quallenstadium der Nesseltierchen oder als Medusa-Piercing der Oberlippenmitte,
hier wohl eher nicht zur Abschreckung, sondern als spezielle Markierung.
Künstlerische Darstellung der Hässlichkeit
Künstlerische Darstellung der Hässlichkeit
Schon in der antiken Welt wirkt das Medusenhaupt als Inbegriff der Hässlichkeit und
stellt eine Herausforderung für darstellende Künstler dar. Man kann zwangsfrei zwei
Herangehensweisen unterscheiden:
Das archaische Bild
In der frühen Antike wird zunächst die Hässlichkeit des Gesichtes in den Vordergrund
gerückt. Dargestellt wird ein rundes, deutlich vom ovalen Idealbild abgesetztes Gesicht
in Frontalansicht mit groben, wulstigen Zügen und mit einem überbreiten, teilgeöffneten
Mund, umrahmt von wulstigen Lippen. Bizarre Zähne sind sichtbar und die Zunge hängt
weit heraus. Die Haare werden eher wie ein Fries als Begrenzung oder Gesichtsrahmen
gestaltet.
Derart ist die Medusa vielfach in der griechischen schwarzfigurativen Vasenmalerei
abgebildet, als Skulptur gestaltet, wie beispielsweise als Metope des Tempels von
Selinunt schon 540 v. Chr. ([Abb. 1]) oder auf einer attischen Drachme aus ähnlich früher Zeit ([Abb. 2]).
Abb. 1 Archaische Darstellung der Medusa, wie sie von Perseus enthauptet wird. Das frontal
gezeigte Gesicht zeigt eine unförmig verbreiterte, eben besonders hässliche Mundpartie.
Metope am Fries des Tempels von Selinunt in Sizilien, Halbrelief 540 v. Chr.
Abb. 2 Gorgonenhaupt der Medusa auf einer attischen Drachme, 520 v. Chr.
Das expressive Bildprogramm
Eine anders geartete Darstellung der hässlichen und schreckenerregenden Medusa gestaltet
sich aus dem Bemühen, Gefühle, Regungen, Eindrücke und Stimmungen bildhaft darzustellen.
Das Gesicht bleibt dem ovalen Idealbild nahe und trägt feine, wenn auch erschrockene
Züge. Die Künstler, ausgehend von Phidias im 5. Jh. v. Chr., vermitteln Hässlichkeit
und schreckenerregende Ausstrahlung durch die wirre und von Schlangen durchsetzte
Haartracht. Offenbar soll dadurch die ursprüngliche Schönheit der Gorgone Medusa angesprochen
werden, welche durch den Bann der Pallas Athena mit dem Hässlichkeit und Schrecken
ausstrahlenden Attribut des Schlangenhaupts geschlagen wurde.
Dergestalte Bilder der Medusa finden sich schon als Wandmalerei in Pompeji aus dem
1. Jh. n. Chr., wo Perseus das schlangenbestückte Medusenhaupt in seiner Linken hochhält
([Abb. 3]), sowie vor allem und in großer Vielfalt in der Neuzeit. Hier sticht das Standbild
„Perseus mit dem Haupt der Medusa” von Benvenuto Cellini (1554) in Florenz hervor,
aber auch die berühmten Bilder von Michelangelo Caravaggio (1595), Peter Paul Rubens
(1617, [Abb. 4]), Arnold Böcklin (1878) und sehr vielen anderen.
Abb. 3 Perseus hält das abgeschlagene Haupt der Medusa in seiner Linken empor. Das Gesicht
der Medusa zeigt ausgewogene, jugendliche Züge. Wandmalerei aus Pompeji, 1. Jh. n. Chr.
Abb. 4 Das Haupt der Medusa. Ölbild von Peter Paul Rubens 1617. Das ausgewogene Gesicht zeigt
Erschrecken und ist von im Haar und aus dem Blut erwachsenen Schlangen eingenommen.
Deutung der Bilder
Deutung der Bilder
In der archaischen Darstellung der Hässlichkeit wird das Gesicht frontal dargestellt
und charakteristisch entstellt. Dabei sind die Gesichtspartien der ersten visuellen
Erkennung, die Horizontalen der Augen und des Mundes sowie die Nasenvertikale so stark
verändert, dass die ausgewogene Schönheit oder wenigstens Gefälligkeit des menschlichen
Gesichtes gebrochen wird. Dies wahrzunehmen erfolgt gleich beim Erstblick des Betrachters
und wird dadurch eingeprägt im Erkennen und dauerhaft gespeichert im Gedächtnis. Der
Ersteindruck der Hässlichkeit wird sowohl im Kurzzeit- wie auch im Langzeitgedächtnis
verankert. Im runden Gesicht mit plumpen Zügen erscheinen die Augen groß, glotzend
und breitstehend und der halb geöffnete Mund wird oval extrem verbreitert, von wulstigen
Lippen entstellt, mit bizarren Zähnen besetzt und mit heraushängender Zunge versehen.
Solche Gesichtszüge erinnern an anthropomorphe Fabelwesen, an angeborene Missbildungen
und finden sich in den rituellen Masken vieler Völker wieder, so auch noch bis heute
in Faschingszügen und bei ritueller Winteraustreibung. Im kulturellen Gedächtnis wird
diese Darstellung der Hässlichkeit bis in die Gegenwart transportiert.
Die expressive Darstellungsart der hässlichen Medusa zeigt ein ganzes Bildprogramm,
das sich durch die Jahrtausende ebenfalls bis in die Gegenwart stereotyp erhalten
hat und künstlerisch gestaltet wird. Dieses zeigt ein ovales, wohlgeformtes Gesicht
mit feinen Zügen, mädchenhaft also die junge und sehr schöne Medusa, bevor sie von
Pallas Athena mit dem Bann der Hässlichkeit geschlagen wurde. Meist zeigen diese Gesichtszüge
ein erstauntes, ängstliches Erschrecken, wohl die Reaktion auf den eben wirksam werdenden
Bann. Und um das Gesicht herum wird nun, Ovid folgend [11], das absolut ungewöhnliche und damit schreckliche, von Schlangen durchsetzte Haupthaar
zur Bildfülle aufgebauscht. Ja die Schlangen entspringen auch dem Körper, an den blutbefleckten
Stellen, wie sie drastischer als auf dem Rubensbild ([Abb. 4]) kaum vermittelt werden können. Die Hässlichkeit des Fluches und der blutige Tod
vollenden das viergliedrige Bildprogramm des Medusa-Mythos. Der Schreck des Fluchs
wird hier nochmals wiederholt durch den Schreck der Enthauptung.
Seit jeher ist Schönheit beachtet, gewürdigt, angestrebt und vielfältig dargestellt
worden. Hässlichkeit aber, der ungeliebte und abgelehnte Gegensatz, wurde verdrängt,
gemieden und seine Darstellung gestaltete sich schwierig. Sie erfolgte weitgehend
stereotyp in den zwei geschilderten Darstellungsweisen. Dazu liefert der Mythos vom
edlen Helden Perseus und der hässlichen, verfluchten Medusa den Stoff, der sich tief
im kulturellen Gedächtnis verankert und über Jahrtausende erhalten hat. Und er wirkt
auch heute noch weiter, vielfältig und oft unterschwellig. Nicht nur in den Masken
konservierter Riten finden sich die Elemente der hässlichen Gesichtsentstellung, sondern
unverkennbar auch in den riesig durch Gesichtbemalung vergrößerten Mäulern der Clowns.
Andererseits wird versucht, die Schönheit ausgewogener Gesichter derart zu steigern,
dass erhöhte Attraktivität resultiert und sinnlich gesteigerte Aufmerksamkeit provoziert
wird. Dazu werden fließende Übergänge von Schönheit über herausfordernde Attraktivität
bis an die Grenze der hässlichen Entstellung begangen [12]. Die Augenpartien werden bis zur Grenze des Bizarren betont und verändert. Die Mundpartie
wird vergrößert und farblich hervorgehoben. Die dekorative Kosmetik, Augmentation
und invasive Methoden der Umgestaltung sind fast grenzenlos einsetzbar. Tattoos und
Piercings kommen dazu. Und die Haargestaltung schreckt nicht vor „Schlangenanspielungen”
zurück.
Das Bestreben, die natürliche Schönheit zur Attraktivitätssteigerung gezielt zu ergänzen,
greift schrittweise, mehr oder weniger diskret und oft nicht bewusst auf die alterprobten
Elemente zurück, welche zur künstlerischen Darstellung der Hässlichkeit sich bewährt
haben. Und die alten Mythen stellen diese zu Verfügung.