Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2010; 4(05): 321-331
DOI: 10.1055/s-0030-1248485
Persönlichkeitsstörungen, Impulskontrollstörungen und dissoziative Störungen

Kleptomanie

Marc-Andreas Edel
,
Astrid Rudel
,
Georg Juckel
Kernaussagen
  • Impulskontrollstörungen (IKS), u. a. die Kleptomanie, sind durch wiederholtes, impulsives und kontrollierbares Verhalten ohne vernünftige Motivation gekennzeichnet. Diese Störungsgruppe kann sowohl Merkmale von Suchterkrankungen als auch von Zwangsspektrumserkrankungen aufweisen.

  • Das Verhältnis positiver und negativer Verstärkungsmechanismen ist bei einzelnen IKS unterschiedlich; normalerweise kommt es im Verlauf einer IKS zu einer Verlagerung von positiver zu negativer Verstärkung.

  • Bei der Kleptomanie besteht in der Regel starke Anspannung vor den Diebstählen sowie Erregung und Erleichterung während und kurz nach der Handlung, oft gefolgt von heftigen Schuld- oder Schamgefühlen. Die gestohlenen Dinge haben keinen Nutzwert und werden häufig gehortet oder verschenkt.

  • Der (häufige) Ladendiebstahl muss vom (seltenen) pathologischen Stehlen abgegrenzt werden.

  • Die Diagnostik richtet sich ausschließlich nach den Kriterien der Klassifikationssysteme. Kleptomanie tritt im jungen Erwachsenenalter auf und kommt häufiger bei Frauen als bei Männern vor. Es besteht eine hohe Komorbidität mit anderen psychischen Störungen.

  • Positive Verstärkung („Belohnung”) lässt eher an Sucht- und ADHS-Mechanismen, negative Verstärkung eher an internalisierende Störungsmuster (Depression, Angst, Zwang) denken. Letztlich fehlen empirische Studien zur Ätiologie und Pathogenese der Kleptomanie.

  • Verhaltenstherapeutische Ansätze (wie DBT) scheinen am erfolgversprechendsten zu sein, kontrollierte Psychotherapie-Studien fehlen allerdings. Bei vorrangiger Escape-Suche, d. h. vorrangig negativen Verstärkungsmechanismen, sind oft SSRI indiziert. Naltrexon hat sich in einer kontrollierten Studie als wirksam erwiesen.

  • Für Patienten mit Kleptomanie gibt es kaum Selbsthilfegruppen und spezifische Beratungsangebote.



Publication History

Publication Date:
04 August 2010 (online)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Weiterführende Literatur

  • Bohus M, Wolf M. Interaktives Therapieprogramm für Borderline-Patienten. Therapeuten-Version.. Stuttgart: Schattauer 2009
  • Ebert D. Impulskontrollstörungen.. Psychiatrie Psychother up2date 2008; 2: 321-336
  • Foerster K, Bork S. Spielen, Stehlen, Feuerlegen – Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle nach ICD-10. In: Foerster K, Dressing H, Hrsg Psychiatrische Begutachtung. 5. Aufl.. München: Urban & Fischer / Elsevier; 2009
  • Grant JE, Kim SW, Odlaug BL. A double-blind, placebo-controlled study of the opiate antagonist, naltrexone, in the treatment of kleptomania.. Biol Psychiatry 2009; 65: 600-606
  • Hand I. Verhaltensexzesse – keine Verhaltenssüchte. Von den Analysen zur Therapie und Diagnose.. NeuroTransmitter 2008; 4: 72-80
  • Lesieur HR, Heineman M. Pathological gambling among youthful multiple substance abusers in a therapeutic community.. Br J Addict 1988; 83: 765-771
  • Rudel A, Hubert C, Juckel G. et al. Kombination Dialektisch-behavioraler Therapie (DBT) mit Duloxetin bei Kleptomanie.. Psychiat Prax 2009; 36: 293-296
  • Saß H, Wittchen HU, Zaudig M. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, DSM-IV. Übersetzt nach der vierten Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association.. Göttingen: Hogrefe 1996
  • Weltgesundheitsorganisation. Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F), 5. Aufl.. Bern: Huber 2005