Diese Arbeit ist eine epidemiologische Ergänzung zu den Publikationen der gleichen
Arbeitsgruppe aus Frankreich. Sie gibt einen interessanten Aspekt in der Ausbreitung
von Viruserkrankungen wieder. 2007 dokumentierte man das Vordringen von Chikungunya
nach Italien. Bereits 2005 hat Aedes albopictus Frankreich erreicht, 2006 Korsika
"where it became a considerable nuisance" und wo man Konsequenzen für den Tourismus
befürchtet. In der Folge gelang der Fang an 6 verschiedenen Lokalisationen an der
Ostküste der Insel.
Neben der doppelten Kompetenz von A. albopictus für die Verbreitung von Chikungunya
und Dengue ist bemerkenswert, dass die Zeit von der Aufnahme des Virus durch die Mücke
bis zur Infektionsfähigkeit nur 2 Tage beträgt. Dieser Zeitraum wird als EIP ("extrinsic
incubation period") bezeichnet und ist wichtig für die Epidemiologie von Viruskrankheiten
und ihr explosionsartiges Auftreten in der Welt: Auch für das Rift-Valley-Fieber in
Culex pipiens und für den VEE-Virus (VEE: "Venezuelan equine encephalitis") in A.
aegypti ist sie nur 2 Tage.
Wie die Arbeitsgruppe durch eine Reihe experimenteller Arbeiten (u. a. [1]) gezeigt hat, sind viele verschiedene Faktoren für die Qualität und Kompetenz eines
Vektors verantwortlich: Das Chikungunya-Virus ist 2-3 Tage nach einer Blutmahlzeit
über die Hämolymphe bis in die Flügel der Mücken gelangt und bleibt dort bis zu 2
Wochen lang stabil und infektiös. Auch die aufgenommene Menge an Chikungunya-Viren
beeinflusste diesen Vorgang, nicht aber die Größe der Moskitos. A. albopictus war
bei in vitro Versuchen in der Lage, mehr Viren bis zum Tag 6 zu übertragen als A.
aegypti. Beide aber sind mit ihrer Fähigkeit, 2,7 nl infektiösen Speichel pro Stechakt
abzugeben und mit einer in vivo übertragenen Virusmenge vom bis zu 600-Fachen der
in vitro gemessenen ausgesprochen kompetente Vektoren für die getesteten Chikungunya-
und Dengue-Viren.
Virusvarianten, die durch Punktmutationen entstehen, sind in unterschiedlichem Maße
in der Mücke vermehrungsfähig. Dies liegt an differierenden individuellen Fähigkeiten,
durch die Darmwand und dann in die Speicheldrüsen zu wandern. Die Drüsen bleiben lebenslang
infiziert. Dieser Prozess läuft auch je nach Mückenspezies unterschiedlich effizient
ab. So ist also die Ausbreitung der ehemals tropischen Viren nicht nur eine Frage
des Vorkommens von Vektor und Virus, sondern auch des "sich Findens" von Mückenspezies,
Virusvarianten und geografischen sowie klimatischen Bedingungen.
Ein weiblicher Moskito durchläuft etwa 5-12 gonotrophe Zyklen (das ist die Zeit von
der Eiproduktion bis zur Eiablage). Er nimmt innerhalb eines Zyklus etwa 1-2 Blutmahlzeiten
zu sich und ist schon 2 Tage nach der Aufnahme eines Virus selbst infektiös. So wird
klar, wie es innerhalb kürzester Zeit in Italien oder auf La Reunion zu den hohen
Erkrankungszahlen kommen konnte: Auf La Reunion erkrankten innerhalb von 4 Wochen
266 000 Menschen und es kam zu 255 Todesfällen. Wie Moutailler et al. schlussfolgern,
müssen schnellstens effiziente Kontrollmechanismen für diese potenten Überträger gefunden
werden - eine kontroverse, aber interessante Diskussion über die Verwendung von DDT
(Dichloridphenyltrichlorethan) könnte sich hier anschließen.
Dr. Hinrich Sudeck, Hamburg