Bernd-Fred Schepers, Hamburg
Clara Schlaich, Hamburg
Das "1st Baltic Sea Health Forum on Maritime, Environmental and Occupational Medicine"
fand im November 2009 in der Handelskammer Hamburg statt. Die Ostsee verbindet die
wohlhabenden Nationen im Westen und Norden mit den aufsteigenden Volkswirtschaften
im Osten. Während die wirtschaftlichen Kennzahlen der Schifffahrt im Baltischen Raum
hinreichend beschrieben sind, wissen wir wenig über das komplexe Zusammenspiel zwischen
der Gesundheit und der Sicherheit von Beschäftigten an Bord und im Hafen, Umweltbelastungen
durch den Seeverkehr und die Bevölkerung der Küsten.
Diese Themen waren Inhalt der wissenschaftlichen Veranstaltung, an der Gäste aus Finnland,
Schweden, Dänemark, Polen, Norwegen, den Niederlanden, den Philippinen und Deutschland
teilnahmen. Der Ausrichter des Symposiums war das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin
und Maritime Medizin in Kooperation mit dem und auf Initiative des "Baltic Sea Forum
e. V." und der "Baltic Sea State Subregional Co-operation". Die Deutsche Gesellschaft
für Maritime Medizin hat die Veranstaltung durch Beiträge ihrer Mitglieder unterstützt.
Gesundheit und Wohlergehen von Seefahrern
Gesundheit und Wohlergehen von Seefahrern
Der Jurist Dierk Lindemann, Hamburg, hielt im Rahmen der Session 1 ("Health and wellbeing
of seafarers. Implications of the maritime labour convention 2006 for the Baltic region")
einen Vortrag. Das Seearbeitsübereinkommen von 2006 regelt alle Aspekte, die für ein
menschenwürdiges Arbeiten und Leben von Seeleuten von Bedeutung sind, meinte Lindemann.
Voraussichtlich werde es im Jahr 2011 in Kraft treten, nachdem jetzt bereits Liberia,
die Marshall Islands, die Bahamas und zuletzt Panama sowie Norwegen das Abkommen ratifiziert
haben.
Wie Prof. Heide Gerstenberger, Bremen, in ihrer soziologischen Analyse der Arbeit
auf See beschreibt, gelängen autoritäre Führungsstrukturen an Bord oft nicht. Wegen
der Fremdflaggen könnten Kapitäne selten auf nationales Arbeitsrecht zurückgreifen.
Oft seien sie nicht durch den Reeder, sondern durch "Crewing Agencies" in Drittländern
angestellt. Schiffsbesitzer würden nur sehr ungern der Heimführung eines Seemanns
aus disziplinarischen Gründen zustimmen, da dies Kosten verursache. Nach den Forschungsarbeiten
von Gerstenberger und Dr. Ulrich Welke, Bremen, seien deshalb weniger die disziplinarischen
Maßnahmen als das "Führen durch Vorbild" für die Atmosphäre an Bord verantwortlich.
Wie Rev. Sakkari Lehmuskallio von der Seemannsmission in Finnland betonte, sei Armut
unter Seefahrern Realität. Diese sei nicht nur ein Mangel an Geld, sondern entstände
auch durch seelische Belastungen: Wenn es etwa der Familie zu Hause nicht gut gehe,
leide auch der Seemann. Die Seemannsmissionen böten weltweit Gelegenheit, mit der
Familie in Kontakt zu treten. Nach einer Umfrage unter Seeleuten läge das ideale Seemannszentrum
direkt im Hafengebiet und biete freien Transport vom Schiff an.
Wie Prof. Bogdan Jaremin, Gdansk (Polen), darstellte, seien Seeleute Arbeitsmigranten,
deren Situation durch eine eingeschränkte Verfügbarkeit medizinischer Versorgung,
eingeschränkte Teilnahme am sozialen Leben, geringe Aufstiegschancen und geringe Jobsicherheit
gekennzeichnet sei. Dr. Clara Schlaich, Hamburg, vom Port Health Center, ZfAM (Zentralinstitut
für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin), und Seemannsdiakon Jan Oltmanns, Hamburg,
vom Seemannsclub Duckdalben stellten ein Projekt zur anonymen und kostenfreien Gesundheitsberatung
von Seeleuten im Seemannsclub Duckdalben vor.
Prof. Heide Gerstenberger: "There is, first of all, the one problem of present seafaring
which is almost unanimously deplored: seafarers do feel lonely."
Gefahr durch importierte Container
Gefahr durch importierte Container
Prof. Xaver Baur, Dr. Alexandra Preisser und PD Lygia Budnik, Hamburg, vom ZfAM präsentierten
in der Session 2 ("Hazards from imported containers") aktuelle Forschungen über die
Häufigkeit und die Art von Containerbelastungen durch Begasungsmittelreste und toxische
Chemikalien. Auf der Basis dieser Untersuchungen lassen sich jetzt zuverlässigere
Gefährdungsanalysen vornehmen, die für den Schutz von Beschäftigten und Behörden von
äußerster Bedeutung sind.
Abb. 1 Prof. Heide Gerstenberger (links), Bremen, und Corinna Nienstedt von der Handelskammer
Hamburg, in deren Räumlichkeiten getagt wurde.
Abb. 2 Dr. Dierk Lindemann (links), Hamburg, und Dr. Alf Magne Horneland, Bergen (Norwegen).
Abb. 3 Wissenschaftliche Kooperationspartner: PD Lygia Budnik (links), Hamburg; Prof.
Bogdan Jaremin (Mitte), Gdansk (Polen); Dr. Marcus Oldenburg, Hamburg.
Umweltverschmutzung und Gesundheit
Umweltverschmutzung und Gesundheit
Das Forum griff mit dem Thema "Health and environmental impacts of air pollution caused
by ship fuels and emission gases from cooling systems" pro-aktiv den Umweltschutz
im Kontext der Schifffahrt auf. Schiffsemissionen tragen zu einem erheblichen Teil
zur Luftverschmutzung in Hafenstädten und zum Ozonabbau in der Stratosphäre bei. Wie
Dr. Markus Salomon, Berlin, betonte, sieht der Sachverständigenrat für Umweltfragen
einen dringenden Bedarf für bindende Regularien zur Einschränkung der NO2-Emissionen
von Schiffen im europäischen Kontext.
Dr. Kai Trümpler und Dr. Karin Siegel, Hamburg, vom Bundesamt für Seeschifffahrt und
Hydrografie präsentierten die IMO-Ballastwasser-Konvention (IMO: Internationale Seeschifffahrts-Organisa-tion).
Sie hoben ihre Bedeutung für die Verhinderung der unkontrollierten Verbreitung von
Schadstoffen, Pflanzen, Mikroorganismen sowie Meerestieren und den MARPOL Annex VI
im Hinblick auf die Verminderung von Schiffsemissionen hervor. Dr. Stephan Hagens,
Rotterdam (Niederlande), stellte eigene Untersuchungen zu Schiffsemissionen unter
besonderer Berücksichtigung von FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) vor. Auf Managementebene
sei das Problembewusstsein für die Nutzung umweltfreundlicher Kühlsubstanzen oft noch
nicht ausreichend.
Dr. Markus Salomon: "Still insufficient attention is given to atmospheric emissions
from shipping compared with other polluters. If no further action is taken, NO2 emissions
from this sector are likely to exceed those from land-based sources at some point
in the future."
Medizinische Versorgung an Bord
Medizinische Versorgung an Bord
Im Rahmen der Session 4 ("Medical care on board ships") berichtete Dr. Joachim von
Pritzbuer, Bremen, dass ein Schiffsarzt etwa bei AiDA Cruises neben einer Facharztausbildung
Erfahrungen in der Notfallmedizin sowie ein "Basic Safety Training" durchlaufen muss.
Vor allem muss er die Tätigkeit auch mit seinem Familienleben und seiner beruflichen
Laufbahn an Land vereinbaren. Die Entwicklung hin zu immer größeren Kreuzfahrtschiffen
mit bis zu 8000 Passagieren stellten komplexe Herausforderungen an die medizinische
Versorgung.
Dr. Alf Magne Horneland, Bergen (Norwegen), betonte die Bedeutung der funkärztlichen
Beratung für die medizinische Versorgung an Bord von Kauffahrtschiffen. Er warnte
davor, einseitig nur auf technische Lösungen der Telemedizin zu setzen. Vielmehr müsse
es eine inhaltliche Einheit von Ausbildung, medizinischer Ausstattung an Bord und
telemedizinischer Beratung geben.
Ing. Christoph Sevenich, Hamburg, vom Port Health Center, ZfAM, stellte die Kurskonzeption
für den medizinischen Wiederholungslehrgang in Hamburg vor. Wie er betonte, muss es
darum gehen, die Entscheidungskompetenz für die Notfallsituationen zu stärken. Als
zukünftige Herausforderungen benennt er unter anderem die internationale Harmonisierung
der Lehrinhalte, die Einhaltung eines minimalen Intervalls von 5 Jahren für Wiederholungsschulungen
und die praxisorientierte Themenauswahl.
Dr. Clara Schlaich, Hamburg
Ing. Christoph Sevenich, Hamburg: "Wir benötigen eine Harmonisierung der medizinischen
Ausbildung von Seeleuten. Zunächst einmal in Deutschland, aber mit dem Ziel, zumindest
EU-weit einheitliche Standards zu erreichen."
Information
Information
Die Dokumentation zu der Veranstaltung mit den Textbeiträgen und Vorträgen können
Sie unter Email: Rita.Siebert@bsg.hamburg.de anfragen.
Beiträge und Veröffentlichungen
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