Im Laufe des Berufslebens eines vertragsärztlich tätigen Radiologen kann aus privaten
und beruflichen Gründen das Bedürfnis entstehen, den Vertragsarztsitz zu verlegen.
Grundsätzlich sieht die Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) das Recht des Arztes
vor, dass dieser den Vertragsarztsitz auf Antrag bei dem Zulassungsausschuss seiner
Kassenärztlichen Vereinigung verlegen kann. Der Zulassungsausschuss darf die Verlegung
nur verweigern, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dieser entgegenstehen.
Den Nachweis der Ablehnungsgründe, die maßgeblich aber nicht ausschließlich in der
lokalen Versorgungssituation liegen können, hat der Zulassungsausschuss zu erbringen,
gelingt dies nicht, muss er die Verlegung genehmigen.
Fallbeispiel eines niedersächsischen Radiologen
Fallbeispiel eines niedersächsischen Radiologen
In einem Eilverfahren entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az.
L 3 KA 73/09 B ER) am 15.10.2009 über einen Antrag eines Radiologen, der innerhalb
eines Planungsbereiches die Verlegung seines Vertragsarztsitzes beim Zulassungsausschuss
der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen beantragt hatte. Nachdem das Klinikum,
mit dem der Radiologe einen Mietvertrag über die Nutzung von Untersuchungsgeräten
abgeschlossen hatte, von diesem verlangte, dass er seinen Vertragsarztsitz in ein
noch von dem Klinikum zu gründendes Medizinisches Versorgungszentrum einbringt, entschied
sich der Radiologe seinen Vertragsarztsitz in ein anderes Krankenhaus zu verlegen.
Seinen Verlegungsantrag lehnte der Zulassungsausschuss mit der Begründung ab, dass
das aktuelle Einzugsgebiet des Radiologen 90 000 Einwohner umfasse, während das Einzugsgebiet
des beantragen Vertragsarztsitzes rund 41 000 Einwohner umfasse. Die restlichen Einwohner
des Planungsbereiches würden Ärzte in den angrenzenden Planungsbereichen aufsuchen.
Die wohnortbezogene Fallstatistik wies 87 %der Patienten als Einwohner der Stadt aus,
in der sich der Vertragsarzt niedergelassen hatte. Der Zulassungsausschuss stellte
entsprechend fest, dass für den weitaus größeren Teil des bisherigen Patientenstammes
sich eine Verschlechterung der Erreichbarkeit des Radiologen ergebe, wenn sein Verlegungsantrag
genehmigt würde. Die Ablehnung erfolgte daher ausschließlich aufgrund eines lokalen
Versorgungsbedarfs. Gegen den Beschluss erhob der Radiologe Klage vor dem Sozialgericht
Hannover. Dieses verpflichtete den Zulassungsausschuss in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren,
die Verlegung zu genehmigen, auch wenn eine Rückgängigmachung nur unter erschwerten
Bedingungen möglich wäre. Die hiergegen bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
eingelegte Beschwerde bestätige den Antrag des Radiologen überwiegend. Das Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen entschied, dass dem Arzt eine vorübergehende Genehmigung erteilt
werden müsse, bis die Sachlage über etwaige Versagungsgründe endgültig ermittelt sei.
Aus den Gründen des Landessozialgerichtes
Aus den Gründen des Landessozialgerichtes
Das Landessozialgericht rügte u.a. die fehlerhafte Anwendung des § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV
durch die Zulassungsgremien. Die Vorschrift lautet:
"Der Zulassungsausschuss hat den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines
Vertragsarztsitzes zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem
nicht entgegenstehen."
Der Jurist bezeichnet eine solche Vorschrift als sog. Erlaubnisnorm mit Verbotsvorbehalt.
Dies bedeutet, dass grundsätzlich, hier also die Sitzverlegung zu genehmigen ist,
es sei denn, dass dem Gründe entgegenstehen. Sinn und Zweck der Regelung ist nicht
die Erhaltung bestehender Versorgungsstrukturen, sondern die Gewährung der Niederlassungsfreiheit
für Vertragsärzte unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bedarfsplanung und der
Sicherstellung der medizinischen Versorgung. Gründe der vertragsärztlichen Versorgung
konnte das Landessozialgericht indes nicht feststellen, weil der Sachverhalt von den
Zulassungsgremien unvollständig ermittelt worden war. Dies sollen die Zulassungsgremien
nun in dem Hauptsacheverfahren nachholen. Konkret fehlte es dem Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen an ausreichend erforschten und belegbaren Versagungsgründen.
Die konkrete Versorgungslage kann zwar ein letztlich maßgeblicher Versagungsgrund
sein, muss jedoch feststellbar und nachvollziehbar geprüft werden. Eine bloße theoretische
Einschätzung anhand von Zahlen sei laut dem Landessozialgericht nicht ausreichend.
Vielmehr müsse der von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den
Landesverbänden der Krankenkassen anzufertigende Bedarfsplan herangezogen werden.
Der Bedarfsplan hat nach der Ärzte-ZV Feststellungen zu enthalten, die die ärztliche
Versorgung auch unter Berücksichtigung der Arztgruppen, die Bevölkerungsdichte und
-struktur, den Umfang und die Art der Nachfrage nach vertragsärztlichen Leistungen,
ihre Deckung sowie ihre räumliche Zuordnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
und die für die vertragsärztliche Versorgung bedeutsamen Verkehrsanbindungen betreffen.
Die durch den Bedarfsplan gewonnenen Informationen müssen außerdem noch sorgfältig
bewertet, ergänzt und so objektiviert werden, wofür es erforderlich werden kann, niedergelassene
Vertragsärzte sowohl aus dem in Rede stehenden Bereich als auch eventuell den angrenzenden
Bezirken über ihre Patienten und deren Gewohnheiten hinsichtlich Verkehrsmittelnutzung
etc. zu befragen. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zum Ergebnis, dass die Zulassungsgremien
ihrer Pflicht, den Sachverhalt zu ermitteln, nicht in vollem Umfang nachgekommen
waren. Damit sei eine umfassende Betrachtung der Lage nicht möglich, sodass es bei
der grundsätzlichen Erlaubnisverpflichtung bleibe, da andernfalls dem generellen Anspruch
des Radiologen auf Erteilung einer Genehmigung für eine Verlegung des Vertragsarztsitzes
nicht entsprochen würde.
Maßgeblichkeit des lokalen Versorgungsbedarfs
Maßgeblichkeit des lokalen Versorgungsbedarfs
Die Betrachtungsweise der Zulassungsgremien, nach der ausschließlich auf die lokalen
Versorgungsbedürfnisse in dem bereits mit 2 Radiologen ausreichend versorgten Planungsbereich
abgestellt wurde, hielt das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen für unzulässig.
Diese Betrachtungsweise würde darauf hinauslaufen, die bestehenden Versorgungsstrukturen
unabhängig von der konkreten Versorgungslage im übrigen Planungsbereich zu festigen.
Dies werde dem Anspruch auf Erteilung einer Verlegungsgenehmigung nicht ausreichend
gerecht. Der Argumentation des Berufungsausschusses, allein die konkrete Versorgungssituation
vor Ort (lokaler Versorgungsbedarf) entscheide über die Berechtigung zur Verlegung
eines Vertragsarztsitzes, folgte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen daher
ausdrücklich nicht. In einem ersten Schritt komme es auf die tatsächliche Versorgungssituation
in dem betreffenden Planungsbereich an, wie es das Bundessozialgericht zu der Frage
einer Sonderbedarfszulassung bereits entschied. Die Zulassungsgremien müssen sich
zunächst bei ihrer Entscheidung ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage und
der Versorgungsstrukturen im gesamten betroffenen Planungsbereich machen. In einem
2. Schritt seien dann planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende
Umstände unter Beachtung der beabsichtigten Sitzverlegung zu berücksichtigen. Letztlich
stellt sich der lokale Versorgungsbedarf gleichwohl als maßgeblich heraus, indes darf
er nicht der einzige Grund der Ablehnung sein.
In dem Fall des niedersächsischen Radiologen hatte der Berufungsausschuss zwar die
Patientenwohnorte eines Quartals im unmittelbar betroffenen Planungsbereich ermittelt,
dessen Würdigung anhand der Bedarfsplanung oder der patientenbezogenen Wohnortverteilung
angrenzender radiologischer Praxen unterließ der Berufungsausschuss.
In dem als Fallbeispiel dargestellten Sachverhalt war die einstweilige Regelung durch
das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen erforderlich, weil der Radiologe mittlerweile
über keine sachliche oder personelle Praxisausstattung mehr verfügte und er vor diesem
Hintergrund dringend Klarheit darüber benötigte, an welchem Ort er bis zu einer abschließenden
Entscheidung in der Hauptsache seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nachkommen könne,
ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, seine Zulassung aufgrund der entsprechenden gesetzlichen
Bestimmung zu verlieren. Nach § 95 Abs. 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB
V) kann eine ohne Genehmigung erfolgte tatsächliche Aufgabe des Vertragsarztsitzes
mit gleichzeitiger Niederlassung an einem anderen Ort als Wegzug aus dem Bezirk des
Kassenarztsitzes angesehen werden. In diesem Fall hätte der Radiologe seine vertragsärztliche
Zulassung verloren.
Fazit
Fazit
Grundsätzlich steht einem vertragsärztlich tätigen Radiologen nach der Ärzte-ZV das
Recht zu, seinen Vertragsarztsitz zu verlegen. Stehen Gründe der ärztlichen Versorgung
einer Verlegung entgegen, darf der Zulassungsausschuss einer Kassenärztlichen Vereinigung
der Verlegung widersprechen und den Verlegungsantrag ablehnen. Dabei ist die Betrachtungsweise
der Zulassungsgremien, nach der ausschließlich auf die lokalen Versorgungsbedürfnisse
in dem bereits ausreichend mit radiologischen Leistungen versorgten Planungsbereich
abgestellt wird, nach dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen unzulässig. Zunächst
müssen die Zulassungsgremien die Versorgungslage und die Versorgungsstrukturen im
gesamten betroffenen Planungsbereich genau analysieren. Erst danach sind dann planerische,
die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände unter Beachtung der
beabsichtigten Sitzverlegung zu berücksichtigen. Die alleinige Heranziehung der Bedarfsplanung
wiederum ist unzureichend. Es müssen daneben weitere Informationen z.B. über die Aktualität
der Bedarfsplanung, Nachfragen bei den niedergelassenen Vertragsärzten des betroffenen
Planungsbereichs und ggf. der angrenzenden Planungsbereichen nach deren konkreten
Einzugsgebiet und Aufnahmekapazität erfolgen. Der Aufwand einer Ablehnung durch den
Zulassungsausschuss ist daher beachtlich. Insbesondere Nachforschungen bei den niedergelassenen
Vertragsärzten und die Prüfung der Aktualität der Bedarfsplanung können viel Zeit
erfordern. Vor dem Hintergrund der Ärzte-ZV, also der grundsätzlichen Genehmigung
der Verlegung des Vertragsarztsitzes und der durch Art. 12 Grundgesetz geschützten
Berufsausübungsfreiheit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ablehnung eines Verlegungsantrages
eines vertragsärztlich tätigen Radiologen zumindest in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Bestand haben kann, gering.