Suchttherapie 2010; 11(2): 59
DOI: 10.1055/s-0030-1253390
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

M. Klein
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 May 2010 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

Das Ihnen vorliegende Heft der Suchttherapie enthält Beiträge, die sich zum einen auf das Leitthema „Gewalt”, der diesjährigen Hamburger Suchttherapietage, zum anderen aber auch auf die ganze Breite der Suchtforschung und -behandlung in Deutschland beziehen.

Zunächst berichtet die Arbeitsgruppe um Ingo Schäfer (ZIS am UKE Hamburg) erste Ergebnisse der deutschen Version des Programms „Seeking safety”, das Hilfen für Frauen mit Alkoholabhängigkeit und Posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD) anbietet. Das hierzulande als „Sicherheit finden” benannte Programm ist ein modularisierter Ansatz, der für traumatisierte suchtkranke Frauen sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Suchthilfe Verwendung finden kann. Es werden die Evaluationsergebnisse, die mit 38 ambulant behandelten Frauen gewonnen wurden, vorgestellt.

Das Thema des Gewaltverhaltens unter Suchtmitteleinfluss oder bei Suchtkranken ist zwar alles andere neu, findet aber in Deutschland sowohl in der Forschung als auch in der Therapie wenig Beachtung. Dies gilt für die Täterseite noch deutlicher als für die Opferseite. Gewalt und Sucht werden bislang bestenfalls in der kriminologischen und forensischen Forschung kontinuierlich thematisiert. In der deutschsprachigen Suchtforschung hat das Thema – ganz im Unterschied zum angelsächsischen und skandinavischen Raum – so gut wie kein Standing. Dass sich dies ändert, ist ein Ziel der in diesem Heft präsentierten Beiträge. Das Thema „Gewalt” wird in diesem Heft noch um zwei Praxisbeiträge ergänzt. Zum einen handelt es sich um das Freiburger Projekt PräRIE, das von Jeanette Piram entwickelt wurde. Im Rahmen eines Kooperationsprojekts zur kommunalen Suchtprävention werden an Schwerpunkt- und Risikoorten Personen mit exzessivem Alkoholkonsum rechtzeitig angesprochen und beraten. Auch können deeskalierende Methoden zum Einsatz kommen.

Ein zweites vorgestelltes Praxisprojekt, TAVIM, des Deutschen Instituts für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) in Köln, fokussiert auf alkoholabhängige Männer in stationärer Therapie, die eine Vorgeschichte mit Gewaltakten in ihrer Familie aufweisen. Sie lernen in der Therapie gewaltpräventive Verhaltensweisen, um in Zukunft Gewalteskalationen – insbesondere unter Alkoholeinfluss – zu vermeiden. Das Projekt wurde im Rahmen des europäischen DAPHNE-Programms entwickelt und initial evaluiert.

Die weiteren Beiträge des neuen Heftes der Suchttherapie fokussieren verschiedene Themen. Zunächst stellt Bernhard Piest (Braunschweig) Forschungsergebnisse zur Lungenfunktion im Vergleich bei Rauchern mit und ohne Opiatabhängigkeit und zusätzlich zu opiatabhängigen Rauchern mit zusätzlichem Cannabiskonsum vor. Die Forschungsergebnisse sind nicht nur unter pneumologischen Aspekten, sondern auch für die Suchtforschung und Suchthilfe insgesamt wichtig, um die kombinierten Risiken verschiedener Rauchverhaltensweisen und atemsuppressiv wirkender Substanzen in den Blick zu nehmen.

In einem weiteren Beitrag berichten Christian Haasen und Kollegen (ZIS am UKE, Hamburg) über die ersten Erfahrungen mit intensivierter ambulanter Disulfiram-gestützter Nachbehandlung alkoholabhängiger Patienten in Hamburg. Seit einiger Zeit erfährt die supportive Behandlung mit Disulfiram in Deutschland eine deutliche Renaissance. Insofern bestätigt dieser Beitrag diese Entwicklung und vertieft sie zugleich. Dadurch können weitere Behandlungsoptionen, insbesondere in der Nachsorge, aufgezeigt werden.

Neben zahlreichen aktuellen Meldungen und Literaturhinweisen, die Sie wie immer in der Suchttherapie finden, wird das Heft von einem Kommentar von Wolfgang Neškoviæ zum Thema „das Recht auf Rausch” abgerundet. Es handelt sich dabei um einen prominenten, juristischen Vertreter, den das Thema seit vielen Jahren intensiv beschäftigt und der schon viele Facetten dieser, auch anthropologisch interessanten Fragestellung ausgeleuchtet hat.

Wir wünschen Ihnen seitens der Herausgeber und der Redaktion der Suchttherapie viel Vergnügen beim Lesen des Heftes und zugleich hoffen wir, Ihnen relevante und interessante Aspekte der Suchtforschung und Suchthilfe zu präsentieren.

Ihr Michael Klein

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. Klein

Katholische Hochschule

Nordrhein-Westfalen

Wörtherstraße 10

50668 Köln

Email: Mikle@katho-nrw.de

    >