Weichmacher für Kunststoffe - sogenannte Phthalate - kommen immer noch in hohen Konzentrationen
in vielen Medizinprodukten und Medikamenten vor, obwohl es Hinweise auf schädliche
Wirkungen beim Menschen gibt. Die schädlichen Wirkungen von Phthalaten aus Medizinprodukten
war ein Thema auf dem 53. Symposion der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(DGE) in Leipzig.
Herauslösung durch Blutkontakt
"Phthalate können durch Kontakt mit Blut oder Infusionslösungen leicht aus dem Kunststoff
herausgelöst werden, da sie nicht fest an diesen gebunden sind", sagt Dr. rer. nat.
Holger M. Koch vom Kompetenz-Zentrum Toxikologie in Bochum. So können beispielsweise
Frühgeborene in intensivmedizinischer Behandlung, bei der eine besonders große Zahl
an Infusionen notwendig ist, Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) in Konzentrationen aufnehmen,
die in Tierversuchen schädlich wirken. Magensaftresistente Kapselüberzüge oder Nahrungsergänzungsmittel
können Dibutylphthalat (DBP) enthalten. Nehmen Schwangere solche Präparate ein, kann
dies bereits im Mutterleib zu Störungen der sexuellen Entwicklung von männlichen Nachkommen
führen: Phthalate beeinflussen die testosterongesteuerten Entwicklungsstufen negativ,
indem sie seine Synthese stören. Die Folge im Erwachsenenalter kann eine verminderte
oder fehlende Fruchtbarkeit sein.
Beeinflussung des Hormonsystems
Bei bestimmten Phthalaten gibt es Hinweise auf schädliche Wirkungen beim Menschen.
Diese sind von der EU in Kosmetika oder Kinderspielzeug verboten. In Lebensmittelverpackungen
sind inzwischen geringere Grenzwerte als früher vorgeschrieben. In vielen Medizinprodukten
wie Blutbeuteln, Infusionsbeuteln, Schläuchen oder Kathetern sind jedoch nach wie
vor hohe Konzentrationen von 30-40 % enthalten.
Mehrere deutsche und US-amerikanische Studien haben bereits endokrin aktive Phthalate
im menschlichen Urin der Allgemeinbevölkerung nachgewiesen. "Die aufgenommenen Mengen
übersteigen zum Teil die empfohlenen Obergrenzen", betont Koch. Zudem zeigen aktuelle
Studien der amerikanischen Umweltbehörde (US EPA), dass sich Phthalate in ihrer schädigenden
Wirkung addieren.
"Wichtig angesichts dieser Erkenntnisse ist, dass phthalathaltige Medizinprodukte
durch Phthalatfreie ersetzt werden", fordert Prof. Dr. med. Helmut Schatz, Mediensprecher
der DGE, Bochum. In Kürze ist es zumindest möglich, DEHP-haltige Medizinprodukte zu
erkennen: Sie müssen EU-weit seit dem 21. März 2010 gekennzeichnet werden. Aufgrund
der potenziell schädigenden Wirkung sollten Kliniken auf Medizinprodukte umstellen,
die kein DEHP oder DBP enthalten.
Quelle: Vortrag "Phthalates - Insights from Human Biomonitoring" von Dr. Holger M.
Koch im Rahmen des 53. Symposiums der DGE vom 3.-6. März 2010 in Leipzig.