Schon heute wird jedes Jahr bei einigen Tausend Schwangeren in Deutschland ein Gestationsdiabetes
diagnostiziert. Allerdings können sich nicht alle diese werdenden Mütter sicher sein,
dass die Feststellung eines Gestationsdiabetes wirklich gerechtfertigt ist und ihnen
und ihrem Kind hilft, Probleme bei Schwangerschaft und Geburt zu vermeiden. "Es gibt
in Deutschland ein Durcheinander an Tests und Diagnosekriterien für Schwangerschaftsdiabetes",
sagt Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWiG): "Wir wissen nicht, ob für alle diese Frauen der Nutzen größer ist als der
Schaden." Ein Arbeitspapier des IQWiG zeigt jetzt einen Weg aus diesem Wirrwarr.
Standard: Diagnose in 2 Stufen
Standard: Diagnose in 2 Stufen
Das IQWiG analysierte in aktuellen Studien, mit welchen Tests die Schwangeren ausgewählt
worden waren. Denn auf diese Weise wurde in den Studien festgelegt, wo die Grenze
zwischen "gesund" und "behandlungsbedürftig" liegt. Auffällig war dabei, dass in allen
maßgeblichen Studien die Diagnose nach einem zweistufigen Auswahlprozess gestellt
worden war. Grundprinzip ist, dass bei den Frauen ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT)
durchgeführt wurde. In den Studien hatten fast alle Schwangeren zuerst einen "kleinen"
OGTT absolviert, der nur eine Stunde dauert. Nur mit den Schwangeren (ca. ein Viertel),
bei denen im ersten Test ein erhöhter Blutzuckerwert gemessen wurde, wurde dann ein
zweistündiger OGTT durchgeführt. Bei den meisten Frauen bestätigte sich der Verdacht
nicht. Nur für die kleine Gruppe der Schwangeren, die auch im zweiten Test die Grenzwerte
überschritt, begann dann eine gezielte Behandlung gegen Schwangerschaftsdiabetes.
Trotzdem schlägt eine internationale Ärztegruppe im März-Heft der Zeitschrift Diabetes
Care vor, auf den ersten Test zu verzichten und gleich alle Schwangeren zu einem zweistündigen
Belastungstest einzuladen. An diesem Vorschlag ist jedoch problematisch, dass unklar
ist, ob so diagnostizierte Frauen den gleichen Nutzen von einer Behandlung haben.
Zudem setzt die Ärztegruppe recht niedrige Blutzuckerwerte als Grenze zur Diagnose
Schwangerschaftsdiabetes an, sodass nach Daten der internationalen HAPO-Studie schlagartig
etwa 18 von 100 Schwangeren zu "Kranken" werden könnten. Das wären in Deutschland
über 100 000 Frauen pro Jahr.
Vergleichende Screeningstudie gefordert
Vergleichende Screeningstudie gefordert
Aus Sicht des IQWiG ist eine vergleichende Studie verschiedener Strategien der vernünftigste
Ausweg, um herauszufinden wie sich Nutzen und Schaden gegenüberstehen. In einer hochwertigen
Studie sollten auch die Schwangeren nach ihren Präferenzen gefragt werden. "Solch
eine Studie könnte ziemlich schnell stattfinden, wenn Ärzte und Krankenkassen sich
einig werden", so Sawicki: "Bevor wir Zehntausenden von Schwangeren eine möglicherweise
belastende Diagnose anheften, sollten wir genau wissen, was wir tun".
idw