Rofo 2010; 182(8): 639-643
DOI: 10.1055/s-0030-1255477
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Ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew)

Ankylosing Spondylitis: Imaging Findings in the Axial SkeletonM. Horger, M. Schmalzing, SD. Ioanoviciu, M. Schmit, M. Schulze
  • Tübingen
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Publication Date:
30 July 2010 (online)

Die ankylosierende Spondylitis (AS), auch als Morbus Bechterew bekannt, ist eine chronisch-entzündliche Systemerkrankung unklarer Ursache mit wechselhafter Krankheitsaktivität, die in 1. Linie das Achsenskeltt befällt, wobei Manifestationen an den peripheren Gelenke durchaus auch auftreten. Das Erscheinungsbild ist sehr variabel. Das Spektrum reicht von einer leichten Verlaufsform mit isolierter Sakroiliitis bis hin zur kompletten Ankylose der gesamten Wirbelsäule unter Beteiligung der inneren Organe. Die Prävalenz der AS liegt bei 0,2-1,4 % und korreliert stark mit der Häufigkeit von HLA-B27 in der Allgemeinbevölkerung. Männer werden etwa 2,5-4-fach häufiger von der Krankheit betroffen als Frauen. Der Krankheitsbeginn liegt in der Regel zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr. AS kann auch im Kindesalter auftreten (juvenile AS), wobei in dieser Altersgruppe die betroffenen Gelenke oft andere sind als beim Erwachsenen. Klinische Symptome im Bereich des Achsenskeletts sind oft suggestiv für die AS. Schmerzen und Steifigkeit in der Lendenwirbelsäule sind anfangs transitorisch und werden erst mit der Zeit persistierend. Druckschmerz und Sensibilität über den Iliosakralgelenken sind im Frühstadium der Erkrankung oft führend, lassen jedoch mit einsetzender Ankylose nach. Paravertebrale Muskelspasmen, Druckdolenz und später Muskelatrophien sowie Beweglichkeitseinschränkung und viel seltener das Cauda-Syndrom gehören zum Krankheitsbild dazu. Noch seltener sind systemische Symptome bedingt durch kardiale und pulmonale Beteiligung. Die AS ist der Prototyp aller Spondylarthritiden und die Hauptmanifestationen am Achsenskelett sind Sakroiliitis (SI), Spondylitis, Spondylodiszitis und Spondylarthritis (SpA). In der akuten Phase der AS ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit sowie oft auch das C-reaktive Protein erhöht. In über 10 % der Fälle versagt jedoch das Labor. Die meisten Patienten sind HLA-B27-positiv.

Die initialen Manifestationsorte der Entzündung sind sakroiliakal, gefolgt von den thorakolumbalen und lumbosakralen Übergängen. Dieses aufsteigende Befallsmuster kann variieren und in seiner Dynamik unterschiedlich ausfallen. In der Regel stellt es jedoch ein Differenzierungsmerkmal zu den übrigen SpA dar. Ein Wirbelsäulenbefall unter Ausschluss der Iliosakralgelenke kommt in nur 1-3 % der Fälle vor.

Die radiologische Bildgebung spielt in der Diagnose der AS eine entscheidende Rolle. Zur Objektivierung der klinisch vermuteten Sakroiliitis galt lange Zeit die Röntgenaufnahme des Beckens als Standardverfahren. Sie wird immer noch von aktuell geltenden Diagnostikkriterien (modifizierte New-York-Kriterien) befürwortet, obwohl die Limitationen dieser Methode in der Frühdiagnostik der AS und die Überlegenheit der MRT in dieser Situation allgemein akzeptiert worden sind. So werden auf konventionell-radiologischen Aufnahmen lediglich fortgeschrittene Stadien der SI (III- und IV-Ankylose) erkannt. Dies geschieht allerdings mit einer mehrjährigen Verzögerung und ist heutzutage nicht mehr vertretbar. Auch die Skelettszintigrafie der Sakroiliakalgelenke hat aufgrund ihrer nur moderaten Sensitivität und Spezifität an Attraktivität verloren. Zudem ist diese Technik mit einer beträchtlichen Strahlenexposition behaftet. Die MRT hat sich seit etwa 1994 in der Diagnostik der SI fest etabliert (Hermann KG, Althoff CE, Schneider U et al. Radiographics 2005; 25: 559-569; Zochling J, Baraliakos X, Hermann KG et al. Curr Opin Rheumatol 2007; 19: 346-352). Ihre Sensitivität und Spezifität werden mit jeweils 90-100 % angegeben (Abb. [2], [3]). So fand der Nachweis einer Sacroiliitis im MRT auch Eingang in die sogenannten Berlin-Kriterien nach Rudwaleit zur Frühdiagnose von axialen Spondyloarthritiden. Diese werden zumindest im deutschen Sprachraum zunehmend eingesetzt. Die Kriterien entzündlicher Rückenschmerz (Definition nach Rudwaleit oder Calin), Fersenschmerz, periphere Arthritis, Daktylitis, akute anteriore Uveitis, Psoriasis, chronische entzündliche Darmerkrankung, positive Familienanamnese für Spondyloarthritiden, gutes Ansprechen auf NSAR, erhöhte Entzündungswerte, Positivität für HLA-B27 und akute Sakroiliitis im MRT werden dabei mit einer sogenannten Likelihood-Ratio gewichtet. Wenn das Produkt der Ratios mehr als 200 beträgt, gilt eine Spondyloarthritis als gesichert. Der MRT-Nachweis einer Sakroiliitis fällt mit einer Ratio von 9 dabei ebenso stark ins Gewicht wie der Nachweis von HLA-B27 (Rudwaleit M et al. Ann Rheum Dis 2006; 65: 1251-1252; Rudwaleit M et al. Arthritis Rheum 2005; 52: 1000-1008; Rudwaleit M et al. Ann Rheum Dis 2004; 63: 535-543). Die gängige Terminologie von MRT-Befunden im Zusammenhang mit SpA umfasst folgende Begriffe: Osteitis, "shiny corner"-Zeichen, quadratische Wirbelkörperkonfiguration (Squaring), Syndesmophytose, Bambusstab-Deformierung, Diszitis, bikonvexe Bandscheiben, Dolchzeichen etc. Die Enthesitis, die am diskovertebralen Übergang auftritt und mit Erosionen, Mehrsklerose oder Syndesmophytose einhergeht, führt zu einer sekundären Osteitis (Abb. [4], [5]). Dabei nennt man die fokalen anterioren oder posterioren Destruktionen am Ober- oder Unterrand des Diskovertebralgelenks "Romanus"-Läsionen (Abb. [6]). Die vermehrte Sklerose an den Ecken des Wirbelkörpers wird konventionell-radiologisch "shiny corners" genannt. Korrespondierend stellen sich diese Veränderungen im MRT, je nach Alter, mit unterschiedlichem Signal dar. Mit der Zeit kommt es durch das Zusammenspiel von Knochenan- und Knochenabbau entlang der Wirbelkörper zu einem Verlust der konkaven vorderen Begrenzung, dem sogenanntem "squaring". Die Ossifikation des Anulus fibrosus führt zu einer vorwiegend anterioren und lateralen Syndesmophytenbildung, wobei im Endstadium der sogenannte Bambusstab entstehen kann (Abb. [4], [5]).

Abb. 1 Konventionell-radiologische a.p.-Aufnahme des Beckens. Die Iliosakralgelenke sind beidseits vollständig ankylosiert (St. IV), sodass kein Gelenkspalt mehr vorliegt.

Abb. 2 Schräg-koronar angulierte STIR-Sequenz. Es lassen sich bilateral, sowohl iliakal- als auch sakralseitig fokale Areale mit hyperintensem Signal nachweisen. Sie entsprechen der aktiven Entzündung in diesen Bereichen. Dazwischen gelagert sind hypointense Areale, die entweder Sklerosezonen oder sekundär verfetteten, nicht aktiven Bereichen entsprechen dürften.

Abb. 3 Schräg-koronar angulierte STIR-Sequenz. Im Gegensatz zur Abb. 2 zeigt sich bei diesem Patienten aufgrund der bestehenden Ankylose keine residuelle entzündliche Aktivität mehr.

Abb. 4 Konventionell-radiologische a.p.-Aufnahme der BWS (a) und laterale Aufnahme der LWS (b). Es zeigt sich eine langstreckige, typische Syndesmophytose mit typischer Bambusstab-Konfiguration. Im Hintergrund sind die ebenfalls mit einander fusionierten Dornfortsätze (Dolch-Zeichen) zu erkennen. In der LWS erkennbar: Intervertebralräume, die von der Längsverknöcherung des Annulus fibrosus und auch des Lig. longitudinale anterius ausgespart geblieben sind (b).

Abb. 5a, b Koronare und sagittale CT-MPR der BWS. Hier sind zusätzlich zu den bereits in der Abb. 4 beschriebenen Längsbandverknöcherungen auch Fusionen der posterioren Elemente (z.B. Processus spinosi) gut erkennbar.

Abb. 6 Sagittale fettgesättigte T2-gewichtete Sequenzen der LWS (a) und BWS (b) zeigen fokale Signalanhebungen (Pfeile) im Bereich der Wirbelkörpervorder- und -hinterkanten im Sinne von anterioren und posterioren Romanus-Läsionen. Ähnliches (Pfeil) lässt sich auch nach intravenöser Gd-Gabe in der LWS (c) nachweisen.

Erosive Veränderungen an den Abschlussplatten der Wirbelkörper verursachen Irregularitäten der Konturen betroffener Bandscheibenfächer mit dem Bild einer aseptischen Spondylodiszitis. Man nennt diese Läsionen nach dem Erstbeschreiber Anderson-Läsionen und unterscheidet dabei 3 Formen je nach Lage der Veränderungen, die nur zentral (Typ I), peripher (Typ II) oder im gesamten Bandscheibenfach (Typ III) auftreten können (Abb. [7]). Signalalterationen im MRT stellen sich für gewöhnlich T1-hypointens, T2-hyperintens dar. Die benachbarten Wirbelkörperhälften reagieren dabei mit und zeigen in der Regel Begleitentzündungen unterschiedlicher Ausprägungen. Manchmal findet man vorübergehend eine Höhenzunahme des Bandscheibenfachs bei bikonvex konfiguriertem Diskus und Impression der angrenzenden Deck- und Bodenplatten. Die Deformierung der benachbarten Wirbel entsteht dabei durch osteoporotisch bedingte Kompressionsfrakturen. Durch die Längsverknöcherung der Lgg. supra- und intraspinalia kommt es im konventionellen a.p.-Röntgenbild zum sogenannten Dolchzeichen. Die Arthritis der Facettengelenke (SpA) sowie der kostotransversalen und kostovertebralen Gelenke stellt das weitere Glied der Achsenskelett-Manifestationen der AS dar (Abb. [8], [9]). Auf konventionell-radiologischen Aufnahmen erkennt man die SpA durch unscharfe Berandung der Gelenkflächen und mit der Zeit durch die sekundäre Ankylose. Letzteres hat eine zunehmende Versteifung des knöchernen Thorax zur Folge. Ein ligamentärer Befall (Enthesitis) findet sich oft insbesondere im Verlauf der Ligg. intra-und supraspinalia (Abb. [10]). Auch hier reagiert der benachbarte Knochen durch Ödem, Hyperämie mit.

Abb. 7 Die sagittale T2-gewichtete BWS-Aufnahme (a) zeigt eine typische Kyphosierung bei AS mit zahlreichen Anderson- und Romanus-Läsionen (Pfeile). In mehreren Höhen der BWS sind auch signalhyperintense Bandscheiben als Ausdruck der aseptischen Diszitis erkennbar. In b (STIR-Sequenz) zeigen sich typische Anderson-III-Läsionen mit entsprechender Signalhyperintensität der angrenzenden Wirbelkörperpartien. Aufgrund der länger bestehenden Entzündung lassen sich an den Abschlussplatten deutliche Usuren nachweisen. Ein weiteres Bildbeispiel für Romanus- und Anderson-Läsionen der BWS zeigt die sagittale T2-gewichtete Sequenz (c). Das Ausmaß des Begleitwirbelödems kann unterschiedlich ausfallen, manchmal auch nur einseitig manifest sein (d). In e (native T1-gewichtete Sequenz) lässt sich eine gemischte Signalintensität in der Nähe der betroffenen Bandscheiben erkennen. Das T1-angehobene Signal repräsentiert hier den Übergang zwischen Inflammation und sekundärer Verfettung des Knochenmarks. Unter Nutzung von fettgesättigten T1-gewichteten KM-angehobenen Sequenzen (f) stellen sich diese verfetteten Regionen signalarm dar. Dagegen findet man in mehreren Wirbelsäulenetagen hyperintense, KM-aufnehmende Bandscheiben.

Abb. 8 Axiale MRT-Aufnahmen zur Darstellung der Kostovertebral- und Kostotransversalgelenke. a (STIR-Sequenz) zeigt eine Signalanhebung des Periosts sowie KM-Ödeme als Ausdruck der Entzündung der benachbarten Kleingelenke und auch der Enthesitis. Fokale Signalanhebungen im Bereich der Kostotransversalgelenke sind exemplarisch in b (STIR-Sequenz) dargestellt. Die korrespondierenden fettgesättigten T1-gewichteten Aufnahmen (c) zeigen eine fokale Hyperämie des Knochenmarks um das betroffene Gelenk. Ähnliches Bild wie in c allerdings zur Demonstration einer Hyperämie um das rechtsseitige Kostotransversalgelenk (d).

Abb. 9 Die sagittale paramediane STIR-Sequenz der BWS zeigt den ausschließlich lateralen Befall der Wirbelsäulenelemente. Romanus- oder Anderson-Läsionen waren keine vorhanden (a). Die sagittale mediane fettgesättigte KM-angehobene T1-gewichtete-Sequenz der BWS bei einem anderen Patienten (b) zeigt eine Entzündung entlang der Ligg. intra- und supraspinalia (Pfeil) als Ausdruck der Enthesitis.

Abb. 10 Die sagittale paramediane fettgesättigte KM-angehobene T1-gewichtete-Sequenz der BWS zeigt eine halbmondförmige KM-Aufnahme in der verdickten Synovialmembran betroffener Facettengelenke der LWS (Pfeil) als Ausdruck der SpA. Eine Beteiligung der kostotransversalen und kostovertebralen Gelenke lässt sich in der unteren BWS erkennen.

Grundsätzlich erwartet man ein hyperintenses Signal auf fettgesättigten T2-gewichteten oder STIR-Sequenzen bzw. KM-Aufnahme im Falle von aktiven Läsionen. Die MRT eignet sich ganz besonders für Verlaufsevaluationen (Monitoring) der inflammatorischen Komponente der SA unter verschiedenen Therapien (Bennett AN, Marzo-Ortega H, Rehman A et al. Rheumatology (Oxford) 2010; 49: 426-432; Weber U, Lambert RG, Ostergaard M et al. Arthritis Rheum 2010: 23. Epub ahead of print). Verschiedene Scores wurden dafür vorgeschlagen, sei es getrennt oder gemeinsam für die Wirbelsäule und die ISG, wobei zurzeit der ASspiMRI-a am weitesten verbreitet ist. Dabei wird das Ausmaß des Knochenmarködems und der Usuren berücksichtigt.

Die Liste der Differenzialdiagnosen pathologischer Veränderungen im Bereich der Wirbelsäulengelenke ist lang und schließt sowohl rheumatische als auch nicht rheumatische Erkrankungen (z.B. degenerative Erkrankungen, wie die hypertrophe Spondylose, Osteochondrose, diffuse idiopathische skelettale Hyperostose, sowie pyogene Komplikationen - Spondylodiszitis, Frakturen und Tumoren) ein. All diese Erkrankungen können von den SpA anhand der Anamnese, der Klinik wie auch der MRT-Befunde unterschieden werden.

Die Therapie der SA wird stufenweise, symptomabhängig und orientierend nach der jeweiligen Manifestation von den NSAR über Glukokortikosteroide, Methotrexat hin zu den Biologika (anti TNF-alpha) eskaliert. Die letzteren haben den Verlauf und die Prognose der AS dramatisch verbessert. In den Spätstadien der Ankylose spielt die Wirbelsäulenchirurgie insbesondere zwecks Stabilisierung immer noch eine wichtige Rolle.

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