Der Klinikarzt 2010; 39(5): 215
DOI: 10.1055/s-0030-1255501
Editorial

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Von Säulen und Pyramiden

Who wants to be 95? 94-year-olds.(George Burns, 1896–1996)Günther J. Wiedemann
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Publication Date:
26 May 2010 (online)

Kaum ein Referent zum Thema Geriatrie versäumt es, in seinen Vorträgen Bevölkerungspyramiden vom Anfang des 20. Jahrhunderts den säulenartigen Diagrammen unserer Zeit und den pilzartigen Gebilden künftiger sozusagen auf dem Kopf stehender Bevölkerungspyramiden gegenüber zu stellen. Gerne wird dann auf die demografischen Herausforderungen im Sinne eines Katastrophenszenarios verwiesen. Denn ist nicht die Pyramide die einzig „gesunde“ Form des Bevölkerungsaufbaus, mit vielen Kindern, die von unten nachkommen?

Eine Sichtweise, die nur auf den Nachwuchs fokussiert und Erwachsene „in den besten Jahren“ vergisst, greift eindeutig zu kurz. Denn die sich rasch nach oben verjüngende Pyramide ist vor allem Ausdruck dessen, dass sehr viele Menschen früh sterben. Im 17. Jahrhundert gab es in Europa sicher überall makellose Pyramiden. Doch die Bevölkerungsstatistik beispielsweise der Stadt Breslau aus dem Jahr 1690 lässt sich auch anders lesen: nur die Hälfte eines Geburtsjahrgangs erlebte den 10. Geburtstag. 40 Jahre alt wurde jeder Dritte, das 50. Lebensjahr erlebte jeder Vierte und 60 wurde nur jeder Fünfte.

Prof. Dr. med. Günther J. Wiedemann

Ravensburg

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