Einleitung
Einleitung
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trat die experimentelle Forschung in breiter
Front in die deutsche Dermatologie ein und hat das Gesicht unseres Faches verändert.
Dazu hat die von uns gegründete „Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Forschung” (ADF) einen entscheidenden Beitrag geleistet. Das Konzept feiert in diesem Jahr seinen
40. Geburtstag.
Der Erfolg der ersten zwei ADF-Tagungen, die wir 1973 und 1974 in Düsseldorf organisierten
haben, haben dem Konzept Recht gegeben: Aus dem experimentellen Ansatz und dem Eifer
der damaligen jungen Forscher kamen viele neue Impulse für das Fach; die folgenden
Jahre signalisierten, dass die Dermatologie in eine neue Epoche naturwissenschaftlicher
Ausrichtung eingetreten war. Die dermatologische Grundlagenforschung war ein Quantensprung im traditionellen Betrachtungsfeld des damaligen Klinikers.
Auch der Trend zur klinisch-pharmakologischen Forschung entsprang aus dem Gedankengut
der frischen forscherischen Ansätze, beispielsweise wurden die synthetischen Retinoide in den 70er-Jahren zum Pionier für eine systemische Pharmakotherapie, mit der Haut
als Zielorgan. Die Forschung an Dermatopharmaka wurde weltweit stimuliert und nicht
zuletzt daraus nahmen die heute gängigen Phase III-Studien mit den randomisierten
Protokollen, Doppelblindkontrollv-Verfahren etc. in den 80er- und 90er-Jahren ihren
Lauf.
Aus dem klinisch-deskriptiven Spezialgebiet der traditionellen Dermatologie entstand
in Deutschland eine eigenständige, naturwissenschaftlich fundierte klinische Disziplin,
die andere Gebiete befruchtete und zum medizinischen Fortschritt substanziell beitrug.
Junge ADF-Forscher hatten daran einen großen Anteil. Im Hinblick auf die Zahl der
Publikationen und den Zitations-Impact-Faktor nimmt heute die Dermatologie weltweit eine herausragende Position unten den klinischen
Fächern ein [1].
Von der unumstrittenen hohen Qualifikation der jungen Dermatologen ausgehend, die
mit intensivem Forschen und wissenschaftlichem Ansatz an die Lösung klinischer Fragen
herangingen, setzte sich allmählich die Überzeugung durch, dass forscherische Aktivität
für ärztliche Qualität bürge. Forscherische Leistungen wurden bald zum goldenen Standard
bei der Besetzung von Spitzenpositionen und den Berufungen von Ordinarien, und die
neuen Klinikchefs haben ihre fähigsten Assistenten ermutigt, experimentelle Forschung
zu betreiben. Man ging davon aus, dass gute Forscher auch gute Ärzte, Lehrer und gute
Klinikleiter abgeben würden, die ihre forscherische Aktivität weiter fortsetzen, was
vielfach auch zutraf. Die nachfolgenden Jahre zeigten, dass die Verbindung gute Klinik
und gute Forschung nicht immer gelingt, doch das hat die jungen Hoffnungsträger kaum
daran gehindert, den Weg der Forschung als Qualifikationsmerkmal zu betrachten und
weiter zu beschreiten. In den folgenden Jahren entstand daraus ein Übergewicht an
forschungsaktiven Lehrern, die die experimentelle, naturwissenschaftlich geprägte
Dermatologie im universitären Umfeld festigten und die neue Orientierung des Faches
entscheidend prägten.
Heutiger Status
Heutiger Status
Molekularbiologische experimentelle Techniken und Genforschung, Impakt- und Zitationsfaktoren, Telemedizin, Telekonferenzen, networking
sites, frame work projects, online journals und dergleichen beherrschen heute die dermatologische Szene. Zellwachstum und Differenzierung des Epithels wurden geklärt, die Immunfunktion der Haut wurde erkannt und wird fortwährend weiter analysiert, die Bedeutung von
Zytokinen und Wachstumsfaktoren wurde aufgeschlüsselt, Onkogenmoleküle wurden entdeckt, diagnostisch und therapeutisch bedeutsame Biomarker definiert. Mit der Entwicklung der Pharmakogenomik stellt man nun heute eine gentechnisch personalisierte Medizin für die nahe Zukunft in Aussicht, wenn auch als ferne Vision.
Durch die Forschung wurde für den Hautpatienten manches nicht einfacher und verständlicher,
sondern bei weitem komplizierter, zumal wissenschaftliche Befunde nicht immer auf
die Praxis und den Patienten übertragbar waren oder sind, doch, immerhin, vieles wurde
klarer. Die Dermatologie blieb jedenfalls an der Front des Fortschritts, zumal die
Gesamtmedizin gleichzeitig ihr Gesicht änderte und eine Wende zur Biotechnologie vollzog. Der wissenschaftlich-technologische Ansatz ging konform mit dem Zeitgeist, die Zivilgesellschaft zeigte sich für die Forschung offen und aufnahmebereit.
Wenn man heute auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblickt, muss man sich die Frage
stellen, wie nun die weitere Entwicklung in der Forschung aussieht und welche Rahmenbedingungen
demnächst für die jungen Mediziner gelten werden, die Forschung betreiben wollen.
Sollen insbesondere die jungen Dermatologen den bisherigen Weg weiter beschreiten
in einer Zeit, in der die Biotechnologie boomt? Kann man während der ärztlichen Weiterbildungszeit
ernsthafte experimentelle Forschung betreiben?
Die Unsicherheit konzentriert sich vor allem auf die Herausforderung, eine Verbindung
zwischen „High-tech”-Wissenschaft und klinischer Praxis herzustellen. Wird diese Verbindung die erhofften Früchte tragen, die Humanmedizin
verbessern, sie gleichzeitig aber human bleiben lassen?
Das medizinische Umfeld heute
Das medizinische Umfeld heute
Wenn man das heutige Umfeld der medizinischen Forschung betrachtet, so stellt man
fest, dass eine populistische Massenkultur ausgebrochen ist; wir erleben heute die
Epoche eines unaufhaltsamen technologischen Flusses. Es ist ein Überfluss an Daten
unterschiedlicher Validität und Relevanz entstanden, der viele forscherisch tätige
Mediziner in eine High-tech-Gläubigkeit und biotechnologische Euphorie verleitet.
In diesem Strudel an biotechnologischem Eifer und an angehäuftem Wissen gerät die
moderne Medizin, nicht zuletzt die Dermatologie, in Gefahr, den betroffenen Kranken
aus dem Gesichtsfeld zu verlieren und teilweise hinter sich zu lassen. So sieht es
zumindest die breite Öffentlichkeit. Gleichzeitig kann auch der Bediener der forscherischen
Ressourcen als Individualforscher, selbst wenn er noch so aktiv und erfolgreich ist,
das technologische Wissen und Können kaum noch überblicken. Um erfolgreich zu forschen
benötigt er viel Zeit und ein umfangreiches forschungsaktives Netzwerk um sich, er
wird als Individuum in den Hintergrund gedrängt. Die Forderung nach Forschung, die
nur aus dem Gedanken motiviert ist, dem Patienten zu helfen, verliert an Kraft, sie
wird verdrängt und scheint zu verblassen. Aus den klinischen Studien, die sich stapelweise
anhäufen und den Eindruck forscherischer Aktivität vermitteln, ist ein Berg an Publikationsmüll
entstanden, der viele Ärzte oft mehr verunsichert, als dass er ihnen nützt. Man muss
offen einräumen, dass die heutige Situation Verzerrungen und Überzeichnungen zeigt,
die wir bei der Einleitung der technologischen Epoche nicht erwartet hatten.
Im renommierten Journal for Investigative Dermatology (JID), dessen Seiten eifrig mit Arbeiten gefüllt werden, die nur noch hoch spezialisierte,
molekularbiologisch geschulte Wissenschaftler begreifen können, erschien voriges Jahr
ein Editorial des Herausgebers Paul L. Bergstresser, worin der Autor vorsichtig aber deutlich genug mahnt [2]:
„But scholarly journals lack descriptions of what is like to be a patient … to have
disease. Although many investigators who contribute to the scientific literature … know
very much about their patients and what is like to have a disease such as pemphigus,
skin carcinoma or psoriasis, they rarely write about the impact of that disease on
the lives of their patients. … We assert there is a gap between the impact of a disease
and the content of the scientific reports. To begin to address this gap we have designated
2010 as The Year of the Patient.”
Und der Autor fügt hinzu:
„… we will draw attention to the critical role of patients in the biomedical enterprise.
Because it's all about patients.”
Man beachte den Ausdruck „biomedical enterprise” und das statement „it's all about patients”, die die Situation treffend kennzeichnen und die der Autor auch anderweitig kritisch
betrachtet [3].
Wie in den USA befindet sich in Deutschland die Universitätsmedizin im Umbruch, ebenso
wie die praktische Medizin, und beide fühlen sich offenbar überbelastet. Die Universitäten,
weil für sie eine „High-tech-Forschung” zeitraubend und recht teuer geworden ist,
und die praktische Heilkunde, weil vieles davon, was aus der Forschung kommt, nicht
praxisnah erscheint und teilweise nicht verstanden wird. Im klinischen Alltag sind
Zielvereinbarungen und benchmarking, DRGs und gesundheitsökonomische Ressourcenallokation, Kostenanalyse der Budgetgrenzen und Priorisierung, Nutzenbewertung und monetäre Umsetzung der Ressourcen, also insgesamt die Einführung des Effizienzgedankens in unserem Alltag, allmächtig geworden und überschatten den ärztlichen Beruf [4].
Das ärztliche Ethos wird nicht selten dadurch herausgefordert und Konflikte werden
unvermeidbar.
In Anbetracht dieser Entwicklungen ist für die Älteren allgemeiner Konsens: Der Mediziner
muss sich in diesem expandierenden Umfeld ökonomischer Zwänge möglichst abgrenzen,
wenn er den Anforderungen eines guten Arztes entsprechen will; er muss sich auf seine
Kernkompetenzen konzentrieren: Empathie für den Kranken, vertrauensvolle Arzt-Patient-Interaktion und die ärztliche Heilkunst.
So erweist sich bei näherer Betrachtung die Umsetzung des Konzeptes gute Medizin mit
ökonomischem Denken zu verbinden als äußerst diffizil und aufwendig. Nicht zuletzt
die Grundlagenforschung und mit ihr die Finanzierbarkeit hochmoderner, zielgerichteter
Therapien, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Onkologie, stehen auf dem Spiel. Der praktizierende
Dermatologe realisiert, dass die moderne Medizin sich vom Arzt und Patienten entfernt
hat, denn den Patienten empathisch zu begleiten half die bisherige klinisch-experimentelle Forschung sicher nicht. Unter
den Folgen, die sich heute abzeichnen, dominiert die Befürchtung, dass aus der Gesundheit
eine Ware wird und aus der Medizin praktisch ein Geschäft, während die Forschung den
Großforschungsinstituten und der Pharmaindustrie vorbehalten bleibt.
Der Appell des Präsidenten der deutschen Ärztekammer Professor D. Hoppe an die Ärzte geht in die gleiche Richtung [5]:
„Die Daseinsvorsorge des Staates ist den sog. Leistungserbringern im festen Rahmen
eines ruinösen Preiswettbewerbs überlassen worden. Infolgedessen bedrohen Kommerzialisierung
und Renditedenken die Freiberuflichkeit und das ärztliche Ethos.”
Ich denke, diese Zitate machen klar, welche Gefahren drohen und wie sehr und in welcher
Richtung sich inzwischen die moderne Medizin bewegt und verändert hat.
Was mir besonders wichtig erscheint:
Neben dem klinischen Umfeld ändern sich auch die Rahmenbedingungen für die Forschung,
denn gerade die medizinische Forschung ist ethischen Anforderungen unterstellt, ohne
ethische Basis ist sie wertlos. Im Rahmen dieser Veränderungen scheinen die Aufgaben
des Arztes als Heilkundiger sich von den Aufgaben des Forschers als Innovationsmotor zu unterscheiden.
Die Frage ist berechtigt: Bedeutet die Beschäftigung mit biotechnologischer Forschung
die beste Qualifikation für den jungen Mediziner, damit er später für bessere Gesundheit
und bessere Versorgung der Kranken sorgt? Hat er überhaupt die notwendigen Kapazitäten
dazu im Rahmen seiner Weiterbildung? Fakt ist, dass sich die Rahmenbedingungen für
die medizinische, so auch für die dermatologische Forschung verändert haben, nicht
zuletzt auch das Forscherprofil: Der Medizinforscher verbringt schon heute den größten Teil seiner Zeit nicht etwa
damit, die Bedürfnisse der Patienten zu überdenken, sondern Gelder zu beantragen,
um die forscherische Aktivität seiner Gruppe zu ermöglichen und deren Befunde so umzusetzen,
dass sie wiederum neue Mittel einbringen. Proteinmoleküle, die entdeckt werden, werden
samt ihrer Kontroll-Gene patentiert und die Verkaufsrechte gesichert, ebenso die Techniken,
die entsprechend vermarktet werden. Der erfahrene Forscher wird schließlich zum Manager der Forschung, während die Jüngeren eher Techniker des Wissens als Wissende werden. Von der humanistischen und sozialen Mission der forschenden Medizin ist kaum noch die Rede, bei weitem mehr von der Technologie und ihrem wirtschaftlichen
Nutzen.
Aus diesen Zweifeln heraus dürfen auch die Bemühungen verstanden werden, die medizinische
Ausbildung in Bachelor- und Master-Curricula zu trennen, Masterstudiengänge in medizinischer Biotechnologie in naturwissenschaftlichen
Fakultäten anzubieten und dergleichen. Der Gedanke geht um, die Hochschulen soweit
zu profilieren, dass man sie in „Foschungsuniversitäten” und „Professional Schools”
unterscheidet. Das könnte das Ende des forschenden Arztes bedeuten.
Perspektiven medizinischer Forschung und Forscherprofil
Perspektiven medizinischer Forschung und Forscherprofil
Wie geht man nun mit den Wandlungen und den neuen Rahmenbedingungen um, die eine postmoderne
Gesellschaft für die medizinische Forschung heute bietet?
Die heutige moderne Medizin hat sich zur Aufgabe gemacht, die Forderungen und Wünsche
einer hoch entwickelten, informierten und kritischen, postmodernen Gesellschaft zu
erfüllen, wobei sie sich dabei der neuesten Forschungsergebnisse und neuester Biotechnologien
bedient. In diesem Prozess fehlen dem Arzt vor allem Zeit und empathische Zuwendung für den Kranken. Ähnliches gilt für die Dermatologie [6], wobei die Frage aufkommt, welche Ziele realisierbar und letztlich finanzierbar
sind [7]. Bereits heute hat es den Anschein, dass sich durch den Mangel an Fördermitteln
immer mehr junge Ärzte von der Forschung abwenden und diejenigen, die es tun, einen
großen Teil ihrer wertvollen Zeit dazu verwenden, die Mittel dafür zu generieren.
Mediziner, Ökonomen, Wirtschaftsleute und Ethiker streiten sich bei verschiedenen
Anlässen mit den Politikern um das Geld.
Erschwerend kommt hinzu, dass die globalen Bedürfnisse der Gesundheitsversorgung die
reichen Länder des Westens herausfordern, da die Globalisierung nicht nur globaler
Kapitalismus, sondern auch globale Verantwortung ist. Da die moderne Medizin extrem
teuer geworden ist, soll in Deutschland während der kommenden 10 Jahre aus der medizinischen
Forschung ein biomedizinischer Wirtschaftszweig entstehen, der mit „anwendungsnaher” Forschung Gewinne einbringen soll. Ausgangspunkt
dieser Überlegungen ist, dass der Umsatz der Biotech-Unternehmen in Deutschland in
den letzten 12 Jahren um das 20-Fache zugenommen hat.
Ihrerseits sollen die deutschen Universitätsklinika Profilbildung betreiben und sich
einer „anwendungsnahen” Forschung widmen, um verstärkt an die benötigten Ressourcen
zu kommen. Die nichtanwendungsbezogene Forschung als Bildungsideal und Qualifikationsmerkmal
bleibt außerhalb der Zukunftsplanung. Bildung und Ausbildung erweisen sich in der Medizin als kaum noch kompatibel. Nicht zuletzt als Folge davon
wurde kürzlich von der Bundesregierung beschlossen, biotechnologische Forschung und
genorientierte Biopharmazie mit vielen Millionen jährlich zu fördern, wobei diese
Millionen als Investition zum Zwecke einer wirtschaftlichen Nutzung gedacht sind.
Patente und Lizenzen sehen die Geldgeber zum Maßstab für Forschungsqualität!
Von der Bundesregierung wurde kürzlich der Beschluss ins Auge gefasst, Nationale Gesundheitszentren zu gründen, die fast ausschließlich vom Bund finanziert werden und Kernaufgaben in
der medizinischen Forschung übernehmen sollen. Zentral und interdisziplinär wurden
Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen, Infektionsforschung und Krebserkrankungen ausgewählt und Alterskrankheiten werden als Ziele avisiert, etwa nach Art mittelständischer biotechnologischer Betriebe.
Die leistungsstärksten medizinischen Standorte in Deutschland sollen als Kooperationspartner
untereinander vernetzt werden, stärker als bisher in den Sonderforschungsbereichen und den Clusters unserer sogenannten Elite-Universitäten. Dem traditionellen Nebeneinander wird keine
Zukunft eingeräumt, da die Forschungskompetenz als zergliedert angesehen wurde und
die Forschungspotenziale demnach besser ausgeschöpft werden sollten. Sie sollen mehr
Geld einbringen, diktiert die Politik, die auch den Universitäten den Weg vorschreibt.
Unabhängig davon wie man zu diesen Entwicklungen steht, sind sie möglicherweise die
ersten Schritte einer Kommerzialisierung der medizinischen Forschung, neben der Gefahr einer Kommerzialisierung der Medizin, die Ärztepräsident Hoppe mit seinem Appell aufzuhalten versucht. Aus dem Forscher soll mit aller Kraft ein
erfolgreicher Kommerz-Meister werden. Bei diesen Überlegungen stehen immer wieder „anwendungsnahe” Forschungsergebnisse
im Vordergrund, nämlich solche, die mit Gewinn in der Praxis umgesetzt werden können.
Kann es unter diesen Voraussetzungen gelingen, wie in einem neuen Editorial im JID
gefordert wird [8], die Forschung nahe an das Krankenbett zu führen? Man kann darüber streiten, ob
wir in dem Trend, der um sich greift, auf dem richtigen Weg sind. Derartige Entwicklungen
könnten jedenfalls ein nahes Ende für den jungen Mediziner ankündigen, der auf dem
Wege zum guten Arzt und standfesten Klinikleiter Grundlagenforschung betreibt oder
betreiben möchte. Zielsetzungen des Arztes auf der einen Seite und des Medizinforschers
auf der anderen bleiben nicht immer deckungsgleich; sie scheinen sich eher voneinander
zu entfernen. Motivation und die vorherrschenden Denk- und Herangehensweisen sind
bei den zwei Gruppen nicht identisch, wie auch die Umsetzung biotechnologischer Erkenntnisse
in der Therapie nicht immer schlüssig ist, wenn sie dem Wirtschaftsdenken unterworfen
wird.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Schlussfolgerungen und Ausblick
Unter den Bedingungen einer postmodernen Gesellschaft scheinen Ärzte und Medizinforscher
mehr als bisher auseinander zu driften. Für den jungen Mediziner wird es daher immer
schwieriger, die Brücke zwischen den zwei Qualifikationen zu schlagen.
Gerade von der Medizin erwartet man heute in der Politik „anwendungsnahe” Forschungsergebnisse,
doch eine solide forscherische Aktivität an der Haut definiert sich praktisch als
technologisch hoch entwickelte Auseinandersetzung mit komplizierten naturwissenschaftlichen
Techniken. Sie wird auch in der Zukunft von Grundlagenstudien und von umfangreichen
Experimenten molekularbiologischer Ausrichtung beherrscht. Überaus komplizierte Bioassays, Mikroarrays, Massenspektroskopie, Proteinanalysen, Peptidmapping, DNA-
und RNA-Isolierung und Sequenzierung, Gen-Analysen und ähnliche Techniken sind aber keine Methoden, die man als Arzt nebenher laufen
lassen kann. Der junge Mediziner, der als Assistenzarzt nebenher Forschung betreiben
möchte, dürfte somit ein auslaufendes Model sein. Er müsste sich auf die Forschung
als solitäre Langzeitaufgabe einstellen, wenn seine Arbeit Früchte tragen soll.
Für den klinisch tätigen Arzt sind die heutigen Herausforderungen an Wissen, Zuwendung
und Empathie für den Kranken immens. Es wird vermutlich nicht genügen, auf dem Weg
zu besserer ärztlicher Qualifikation experimentelle Forschung wie bisher zu betreiben,
etwa als Banner des Fortschritts. Für den Arzt bleibt es vordringliches Ziel, gesicherte
Forschungsergebnisse nach dem hippokratischen Ethos richtig einzusetzen, ohne dem Patienten zu schaden und ihn zum Instrument der Forschung
zu machen. Gleichzeitig werden die hohen Forschungskosten den heutigen Arzt weiterhin
zwingen, sich ein ökonomisches health management als wichtigen Rahmen für seine berufliche Tätigkeit anzueignen. Dagegen ist nichts
zu sagen, doch man muss sich dabei im Klaren sein, dass durch den Durchmarsch und
Druck der Ökonomie in der Medizin der Arzt der Gefahr ausgesetzt wird, ethische Grundsätze zu vernachlässigen und Gebote der Menschlichkeit zu vergessen. Er müsste auf diesem
Gebiet besser gerüstet werden. Medizinische Forschung findet ihre Rechtfertigung in
der Heilkunde nur, wenn sie im Interesse des Patienten erfolgt, nicht etwa im Interesse
der Wirtschaft und einer fortschreitenden und allmächtigen Kommerzialisierung.
In der Zukunft müssen gerade junge, forschende Mediziner auf die veränderten Rahmenbedingungen
gründlich vorbereitet werden, um falsche Wege rechtzeitig zu erkennen und sie möglichst
zu meiden. Man kann es nicht klar genug formulieren, eine „anwendungsnahe” Forschung
in der Medizin ist diffizil, dazu bringt sie die Gefahr einer Konfliktsetzung mit
dem ärztlichen Ethos und der Kommerzialisierung der medizinischen Forschung mit sich,
ebenso wie die der klinischen Praxis.
Der ADF ist zu wünschen, dass sie sich den neuen Herausforderungen stellt und diese
im Interesse der Dermatologie und der jungen Forscher bewältigt.