Konrad Reinhart
Im internationalen Vergleich nimmt die klinische Forschung in
Deutschland keinen der Größe und wirtschaftlichen Stärke
unseres Landes entsprechenden Rang ein. Mit der Förderung sogenannter
Kompetenznetzwerke in der Medizin hat das Bundesministerium für Bildung
und Forschung ein Programm aufgelegt, um diese Situation zu verbessern.
Gefördert wurde die Verknüpfung von klinischer und translationaler
Forschung zu bestimmten Krankheitsbildern mit großer medizinischer bzw.
gesundheitsökonomischer Bedeutung. Obwohl zu wenig bekannt, gehört
die Sepsis zu diesen Krankheitsbildern. Deshalb hat sich im Jahr 2000 ein
Konsortium aus Anästhesisten, Internisten, Chirurgen, Mikrobiologen und
Immunologen um eine Förderung beworben.
Mit der geförderten Struktur, die aus einem
SepNet-Koordinationsbüro und einer Biobank in Jena, einem Zentrum für
Biometrie und Telematik in Leipzig und zunächst 17 regionalen
Studienzentren bestand, gelang es eine Reihe wichtiger Studien zur
Epidemiologie und Therapie der Sepsis durchzuführen, für die es galt,
externe Drittmittel einzuwerben. Die sogenannten SepNet-Prävalenzstudie
zeigte auf, dass in Deutschland jährlich mit circa 79 000 neuen
Fällen von Sepsis und 75 000 Fällen von schwerer Sepsis zu
rechnen ist. Dies bedeutet, circa 60 000 Todesfälle in Folge von
Sepsis und somit ein Vielfaches mehr als das in den Statistiken des
statistischen Bundesamtes ausgewiesen ist. Mittels dieser Daten konnten wir
auch zeigen, dass alleine die Behandlung der Sepis auf der Intensivstation mit
1,7 Milliarden ein Drittel des Budgets aufbraucht, das in Deutschland für
Intensivmedizin verausgabt wird. Die Ergebnisse dieser Studie wurden
freundlicherweise in der Laienpresse – „Der Spiegel“,
„Die Zeit“, ZDF, etc. aufgenommen und haben so das Problem Sepsis
erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Ein weiteres
Ergebnis aus dieser Studie war die Erkenntnis, dass zwischen den Empfehlungen
aus Leitlinien und deren tatsächlicher Umsetzung in die klinische Praxis
eine große Kluft besteht, die es gilt mit modernen Methoden der
Implementierung von Behandlungsempfehlungen zu überwinden.
Mit der 2008 im New England Journal of Medicine
veröffentlichten VISEP-Studie fanden wir Hinweise darauf, dass damals
etablierte Therapieprinzipien, wie die strikte Blutzuckerkontrolle bei Sepsis
oder der Einsatz von hyperonkotischer HES-Lösung, mit unerwünschten
Nebenwirkungen assoziiert ist. Eine weitere Multi-Center-Studie, die zum ersten
Mal die Frage untersucht, ob bei schwerer Sepsis eine Kombinationstherapie
zweier Antibiotika einer Monotherapie überlegen ist, wurde abgeschlossen
und wird in Kürze zur Publikation eingereicht. In einer weiteren aus dem
BMBF/ DFG Förderprogramm für klinische Studien mit 2 Mio. Euro
unterstützten Studie wird der Frage nachgegangen, ob bei Patienten mit
schwerer Sepsis das Fortschreiten in den septischen Schock mit Hilfe von
Hydrokortison verhindert werden kann (HYPESS-Studie). Die SIS-PCT-Studie
untersucht die Effektivität hochdosierten Seleniums und die
Nützlichkeit der Bestimmung von Procalcitonin zur Reduzierung der
Sterblichkeit bzw. Verkürzung der Antibiotikatherapie. Die
SepNet-Studiengruppe ist inzwischen auf nahezu 50 aktive Studienzentren
angewachsen und umfasst operative, internistische und interdisziplinäre
Intensivstationen. SepNet, dessen Förderung durch das BMBF nach nunmehr 10
Jahren ausläuft, hat sich als unabhängige Studiengruppe neu
konstituiert und wird in Zukunft unter dem Dach der neu gegründeten
Deutschen Sepsisstiftung weiter geführt. Die Mitgliedschaft steht allen
Kolleginnen und Kollegen, die die Sepsis und intensivmedizinische Forschung
unterstützen möchten, offen. SepNet ist Teil des Internationalen
Forums unabhängiger intensivmedizinischer Studiengruppen InFact, zu dem
unter anderem die Canadian Clinical Critical Care Trials Group (CCCTG), die
australisch/ neuseeländische Studiengruppe ANZICS sowie das
US-amerikanische ARDSNET gehören. Unterstützen Sie die Projekte von
SepNet, werden Sie Mitglied der SepNet-Studiengruppe.
Prof. Dr. Konrad Reinhart, Sprecher SepNet