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DOI: 10.1055/s-0030-1262343
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
EuGH verpflichtet Kommunen zur Transparenz
Vergabe von Rettungsdienstaufträgen im FokusKorrespondenz
Petra Spielberg
Fachjournalistin für Gesundheits- und Sozialpolitik
Köln/Brüssel
Christian-Gau-Straße 24
50933 Köln
Fax: 0221/97763151
Email: p.spielberg@t-online.de
Publication History
Publication Date:
28 June 2010 (online)
- Klage: Leistungsvergabe ohne europaweite Ausschreibung
- EU-Richter gaben der Klage nur teilweise statt
- Öffentlicher Rettungsdienst von Marktöffnung vorerst verschont
Deutsche Kommunen müssen die Vergabe von Leistungen im öffentlichen Rettungsdienst nachträglich bekannt machen. Tun sie dies nicht, verstoßen sie nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Recht. Die Richter ließen aber offen, ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungen im Rettungsdienst europaweit ausgeschrieben werden müssen. Das Urteil, das die Luxemburger Richter Ende April fällten, bezog sich auf eine Klage der Europäischen Kommission vom 15. April 2008. Dieser wiederum lagen Beschwerden privater und ausländischer Rettungsdienstanbieter zugrunde.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Streit um die Vergabe von Leistungen im öffentlichen Rettungsdienst vorerst beendet. Die EU-Kommission hatte Deutschland im April 2008 vor dem EuGH verklagt. Der Vorwurf der Brüsseler Behörde lautete: In Deutschland würden Aufträge an Rettungsdienste ohne europaweite Ausschreibung und nachträgliche Bekanntmachung vergeben. Damit verstoße die Bundesregierung gegen die EU-Vergaberichtlinien sowie gegen die Grundsätze der europaweiten Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs.
#Klage: Leistungsvergabe ohne europaweite Ausschreibung
Der damalige EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, der die Klage angeregt hatte, war der Meinung, die Vergabepraxis im Rettungsdienst könne auch bei Beteiligung ausländischer Dienstleistungserbringer so gestaltet werden, dass ein flächendeckender, schneller und hochwertiger Rettungsdienst in allen Landesteilen gewährleistet wird. Der Ire wollte die Bundesregierung deshalb dazu drängen, die Weichen für einen fairen und funktionierenden Wettbewerb in diesem Marktsegment nach den Regeln des EU-Rechts zu stellen.
Die obersten EU-Richter gaben der Klage Ende April dieses Jahres allerdings nur teilweise statt. Zwar teilt der EuGH die Auffassung der Kommission, dass Bundesländer, in denen der Rettungsdienst von den Kreisen oder kreisfreien Städten bezahlt wird (Submissionsmodell), die Vergabe von Aufträgen über öffentliche Notfall- und qualifizierte Krankentransportleistungen nach EU-Recht bekannt machen müssen. Die Beanstandungen bezogen sich auf 9 Fälle in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen.
So hatte beispielsweise in Magdeburg eine Leistungsvergabe für die Vorhaltung von Fahrzeugen und Personal für die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport im Wert von über 7 Millionen Euro für den Zeitraum 2007 bis 2011 ohne europaweite Ausschreibung stattgefunden. Auch war nach Recherchen der EU-Kommission keine Meldung über die Vergabe erfolgt. Die Stadt Bonn hatte im Jahr 2004 ebenfalls Rettungsdienstleistungen vergeben, ohne dies zu melden. Gegenstand des Auftrags war unter anderem der Betrieb von 4 Rettungswachen. Der Auftragswert bezifferte sich nach Angaben der zuständigen EU-Beamten auf über 5,28 Millionen Euro. Ähnlich undurchsichtige Vergabeverfahren rügte die Kommission in Bonn, Witten, in der Region Hannover, in den Landkreisen Hamel-Pyrmont und Uelzen sowie in Westsachsen, Chemnitz/Stollberg und dem Vogtland.
#EU-Richter gaben der Klage nur teilweise statt
Den Teil der Klage, wonach die Bundesländer auch gegen das Niederlassungs- und Dienstleistungsrecht verstoßen haben sollen und die kritisierten Fälle beispielgebend für ein bundesweites Phänomen seien, wiesen die Richter allerdings ab. Der Grund: Die EU-Kommission habe dies nicht ausreichend mit Fakten belegen können.
Allerdings widersprachen die Richter auch der Darlegung der Bundesregierung, die argumentiert hatte, dass die Wahrnehmung rettungsdienstlicher Leistungen eine hoheitliche Aufgabe der Länder sei, die nicht den europäischen Marktgesetzen unterliege. Der Einsatz von Blaulicht und Martinshorn sowie das Notfall- und Rettungsdienstfahrzeugen eingeräumte Vorfahrtsrecht im deutschen Straßenverkehr könne nicht als unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt betrachtet werden, so der EuGH.
#Öffentlicher Rettungsdienst von Marktöffnung vorerst verschont
Nach dem Urteil bleibt der öffentliche Rettungsdienst in Deutschland, der etwa 70 % der Krankentransporte ausmacht, von einer richterlich verfügten EU-weiten Marktöffnung somit vorerst verschont.
Der Vergaberechtsexperte des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Norbert Portz begrüßt dies: "Eine EU-weite sachgerechte Ausschreibung von Leistungen im Rettungsdienst ist nicht möglich, ohne dass die Qualität auf der Strecke bleibt."
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft verdi sieht europaweite Ausschreibungen skeptisch. Das Vergabeverfahren könne zu Chaos und Lohndumping führen, fürchtet Marion Leonhardt von der verdi-Bundesverwaltung. Private Anbieter seien meist nicht tarifgebunden. Hinzu komme das unterschiedliche Ausbildungsniveau von Rettungskräften in Europa.
Der im Rettungsdienst erfahrene Rechtsanwalt Michael Kuffer aus München meint, dass eine allzu starke Hinwendung zum Wettbewerb die Realitäten im deutschen Rettungsdienst mit seinen komplexen Aufgaben und gewachsenen Strukturen verkennen würde. Kuffer wertet das Urteil aus Luxemburg zugleich als Signal, den gesetzlichen Spielraum für die Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen in Deutschland neu zu überdenken.
#Korrespondenz
Petra Spielberg
Fachjournalistin für Gesundheits- und Sozialpolitik
Köln/Brüssel
Christian-Gau-Straße 24
50933 Köln
Fax: 0221/97763151
Email: p.spielberg@t-online.de
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