Der Klinikarzt 2010; 39(5): 359
DOI: 10.1055/s-0030-1262380
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Zeitgemäß, zeitgerecht und adäquat – Antimykotische Therapieoptionen bei Intensivpatienten

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Publication Date:
13 July 2010 (online)

 
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Bild: Thorsten Stephan

"Bei vermuteter Candida-Infektion sollten Intensivpatienten immer zuerst mit einem Echinocandin behandelt werden", rät Dr. Rainer Höhl, Nürnberg, anlässlich des Symposiums Intensivmedizin und Intensivpflege in Bremen Mitte Februar 2010. Eine Deeskalation kann seiner Ansicht nach im weiteren Verlauf der Therapie und nach abgeschlossener mikrobiologischer Diagnostik erwogen werden. Wichtig sind jedoch zunächst der frühzeitige Therapiebeginn und die Auswahl des passenden Antimykotikums (Tab. [1]). Laut Höhl ist der Zeitpunkt des Therapiebeginns entscheidend für die Wirksamkeit der Therapie aber nur 15- 40 % der Patienten mit Systemmykosen werden rechtzeitig behandelt. Echinocandine, wie beispielsweise Anidulafungin, erleichtern die empirische Therapieentscheidung bei Verdacht auf Candida-Infektionen nicht zuletzt deshalb, weil sie im Vergleich zu den früheren antimykotischen Medikamenten gut verträglich, zuverlässig wirksam und vor allem hinsichtlich ihres Interaktionspotenzials unkritisch sind. Bei bestehender Leberinsuffizienz ist Anidulafungin die einzige Option, die ohne Dosisanpassung - unabhängig vom Schweregrad - eingesetzt werden kann.

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Tab. 1 Septischer Schock: Therapiebeginn – Überleben [1].

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Hefen - nicht nur Candida albicans

In der Intensivmedizin standen vor 15 bis 20 Jahren Pilzinfektionen als lebensbedrohliche Komplikationen weniger im Fokus des Bewusstseins. Die mikrobiologische Diagnostik richtete sich im Wesentlichen auf "Hefen". Heute ist sie differenzierter. C. albicans steht mit einem Anteil von rund 60 % gegenüber einem wachsenden Anteil von C. glabrata, C. parapsilosis, C. krusei, oder C. tropicalis und entsprechenden antimykotischen Therapieerfordernissen. Die Zunahme schwerster Krankheitsformen und verminderter Immunkompetenz, die steigende Anzahl von Patienten mit hö­herem Lebensalter aber auch die Fluconazol-Prophylaxe werden für diesen Erregerwandel verantwortlich gemacht.

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Therapieren und Risiken reduzieren

Dass die hohe Letalitätsrate bei Pilzinfektionen (Candidosen 40-60 %) rasches Handeln erfordert, verdeutlichte auch Dr. S. Kluge, Hamburg. Er rät neben der antimykotischen Therapie zur Reduzierung bzw. Korrektur der Risikofaktoren. Als Beispiele nannte er Diabetes mellitus und Neutropenie. Antibiotika, Steroide und Immunsuppressiva sollten, sofern möglich, abgesetzt werden. Auch die Entfernung bzw. Wechsel von infektionsbegünstigendem Fremdmaterial wie zentrale Venenkatheter oder Dauerkatheter sei dringend zu empfehlen. Aber auch bei nicht neutropenischen Intensivpatienten stellen invasive, tief lokalisierte Mykosen (Organ- bzw. Systemmykosen) sekundäre Komplikationen bei bestehender Grunderkrankung dar.

Die Häufigkeit variiert zwischen 2 und 11 %, wobei der Patient in der Regel selbst die Infektionsquelle aufgrund bestehender Candida-Schleimhautbesiedlung ist.

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Multifaktorielle Herausforderung

Dr. T. Birken, Rostock, sieht die Herausforderungen bei multimorbiden Patienten auf der Intensivstation vielschichtig. Es gilt insbesondere der individuellen Situation des Patienten gerecht zu werden und gleichzeitig die Diagnostik, die Therapie und den Erreger im Auge zu behalten. Offenbar neigen Patienten mit intraabdominellen Prozessen (Peritonitis, Pankreatitis, persistierenden Insuffizienzen und Darmanastomosen) besonders häufig zu Mischinfektionen. Angesichts der damit verbundenen hohen Letalität erscheint es deshalb notwendig, frühzeitig im Sinne einer interventionellen Therapie ein Breitspektrumantimykotikum zusätzlich zur Antibiotikatherapie einzusetzen. Birken nannte das Beispiel eines 56-jährigen kachektischen Patienten mit Zustand nach Gastrektomie bei Neoplasie und neoadjuvanter Radiochemotherapie, der zunehmend abdominelle Schmerzen bei Ileussymptomatik entwickelte. Parallel zur Langzeitantibiose wurde zunächst Fluconazol verabreicht, was zu einem Keimanstieg führte. Der nach 5 Tagen erfolgte Wechsel auf Anidulafungin führte nach 15-tägiger Therapie zur Infektbeherrschung und negativem Keimnachweis.

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Literatur

  • 01 Kumar A , et al . Chicago. 2007;  Poster K-2174
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Literatur

  • 01 Kumar A , et al . Chicago. 2007;  Poster K-2174
 
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Bild: Thorsten Stephan

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Tab. 1 Septischer Schock: Therapiebeginn – Überleben [1].