Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Die „klassischen“ und daher auch sichtbaren Behinderungen sind in Nachkriegszeiten
vorwiegend Amputationen, Querschnittlähmungen und Sehbehinderungen. Dies war so nach
dem 2. Weltkrieg und ist heute, nach dem Irak- und während des Afghanistankriegs,
ebenso. Ich habe noch gut das Bild eines meiner „Volksschullehrer“ vor Augen, der
in den 50er-Jahren mit „Krücken“, hoch geschlagenem Hosenbein und umgehängter Aktentasche
zur Schule kam. Als ehemaliger Sportler hat er uns damals vom Spielfeldrand aus für
das „Turnen“ begeistert. Sportprothesen gab es noch keine.
Ganz anders heute, wenn man die in der westlichen Presse erschienenen Bilder des 24-jährigen
US-Soldaten Bryan Anderson sieht. Er verlor im Irakkrieg durch eine explodierende
Bombe 3 von 4 Gliedmaßen und ist heute mit 2 Hightech-Oberschenkelprothesen und einem
Kunstarm ausgestattet, womit er eine ganze Reihe ausgewählter Sportarten betreiben
könnte, bisher aber noch nicht dazu zu gewinnen war.
Die Indikationen für die über 60 000 in Deutschland jährlich durchgeführten Amputationen
haben sich inzwischen radikal geändert. Längst haben die arteriellen Verschlusskrankheiten
und Durchblutungsstörungen als Folge von Diabetes (zusammen über 60 %) sowie die Folgen
von Tumorerkrankungen (ca. 5–10 %) die Kriegs- und Unfallfolgen (ca. 25 %) abgelöst.
Damit hat sich auch die Altersverteilung dieser überwiegend chronisch Kranken, mit
ihrer Multimorbidität und ihren Begleiterkrankungen, immer weiter in das höhere und
höchste Lebensalter verschoben. Wir haben es somit mit einer breiten Altersstreuung
und einer enormen Variation von therapeutischen Anforderungen zu tun. Hier kann nur
ein interdisziplinär und interfakultativ zusammengesetztes Team (von der psychologischen
präoperativen Vorbereitung, über den Operateur, den Orthopädiemechaniker bis hin zum
Bewegungstherapeuten) erfolgreich im Sinne einer anvisierten „Teilhabe“ (participation)
arbeiten. Dass zur Teilhabe auch sportliche Aktivitäten bis hin zur Teilnahme an den
Paralympics gehören, macht die Arbeit zumindest für sportbegeisterte Bewegungstherapeuten
außerordentlich vielfältig.
Neben dem diesmal gewählten Schwerpunkt „Amputation“ sind Überlegungen zur Verbesserung
der Nachhaltigkeit von Bewegung im Lebensstil ein „Dauerbrenner“ für Bewegungsberufe,
wenn sie denn im Konzert der Gesundheitsberufe mitspielen wollen. Hierzu stellen wir
Forschungsergebnisse einer entsprechenden Interventionsstudie in einer orthopädischen
Rehaklinik vor, die von der Freiburger Arbeitsgruppe um Prof. Fuchs durchgeführt und
von der DRV-Bund gefördert wurde. Den hohen quantitativen Stellenwert, den „Bewegung“
in den Rehabilitationskonzepten der medizinischen Rehabilitation innehat, zeigt der
Beitrag von Frau Dr. Brüggemann. Es bleibt zu hoffen, dass dies weiterhin erkannt
und mit entsprechender Qualität in den Stellenbesetzungen ausgefüllt wird.
In diesem Sinne wünschen Ihnen Redaktion und Vorstand des DVGS ein besinnliches Weihnachten,
einen unfallfreien Jahreswechsel sowie „nachhaltigen“ Erfolg im privaten wie beruflichen
Jahr 2011!
Ihr
Klaus Schüle