Über ein Drittel der Patienten mit Vorhofflimmern (AF) ist über 75 Jahre alt und selten
tritt die Krankheit isoliert auf - in 90 % der Fälle liegt eine kardiovaskuläre Grunderkrankung
vor, wie z. B. eine Hypertonie (70 %), eine Herzklappenerkrankung (36 %) oder eine
Koronare Herzkrankheit (28 %). Dies sind wichtige Erkenntnisse aus Untersuchungen
des Kompetenznetzes Vorhofflimmern (AFNET) an über 10 000 Patienten, die über einen
Zeitraum von bis zu 5 Jahren nachverfolgt wurden.
Erforschung der Versorgungsrealität
Erforschung der Versorgungsrealität
Das AFNET wurde 2004 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Versorgungsrealität
der Patienten mit AF zu erforschen. Darüber berichtete Prof. Gerhard Steinbeck, München,
bei einem Presseroundtable von Roche Diagnostics GmbH und er machte deutlich, dass
wir in Deutschland wegen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung auch mit einer weiter
zunehmenden Zahl von Patienten mit AF rechnen müssen. Über eine Million Patienten
sind es bereits heute, aber jeder Vierte über 40-Jährige wird im Lauf seines Lebens
ein Patient mit AF werden und dies häufig erst beim Auftreten von Komplikationen "erfahren".
Mit die folgenschwerste Komplikation des AF ist der akute Schlaganfall mit seinen
gravierenden Folgen für das weitere Leben der Betroffenen.
Therapieempfehlungen im internationalen Vergleich
Therapieempfehlungen im internationalen Vergleich
Sistiert das AF nicht von selbst, was relativ häufig der Fall ist, wird Risikopatienten
eine Therapie mit oralen Antikoagulanzien empfohlen, entweder ASS oder - bei hohem
Risiko - meist in Form von Vitamin-K-Antagonisten (gerade eben hat die Federal Drug
Administration der USA das Dabigatran auch für diese Indikation zugelassen). In Deutschland
erhalten nach Steinbeck 71 % der Patienten mit hohem Risiko laut Register eine solche
antithrombotische Therapie, im internationalen Vergleich ein guter Wert, wie er betont.
Das Risiko sollte nach Prof. Marcus Haass, Mannheim, mit dem CHADS2-Score bestimmt
werden (Tab. [1]). Während in den nationalen und internationalen Leitlinien Konsens über eine Einstellung
des INR im Bereich zwischen 2,0 und 3,0 besteht, gibt es nach Haass einen hohen Bedarf
für die Harmonisierung beim Therapiemonitoring. Statt der häufig üblichen INR-Kontrolle
in der ärztlichen Praxis sollte vermehrt ein engmaschiges Monitoring z. B. in Form
eines flexiblen Gerinnungs-Selbstmanagements eingesetzt werden. Dies, so Haass, ermögliche
es sehr viel besser, den INR im Zielbereich zu halten und Komplikationen zu vermeiden.
Tab. 1 CHADS2-Score zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern.
Schulungsprogramm für Patienten
Schulungsprogramm für Patienten
In diesem Zusammenhang berichtete Dr. Dietrich Ney, Hamburg über das SPOG-Programm
(Schulungsprogramm für Patienten unter oraler Gerinnungshemmung). Dabei werden geeignete
Patienten in Kleingruppen in der Klinik oder in der Praxis mit klaren und übersichtlichen
Lehrmaterialien geschult und erhalten zum Abschluss der Schulung ein "Patientenbuch"
als Nachschlagewerk. Die Patienten seien nach der Schulung nicht nur in der Lage,
den INR-Wert mit dem CoaguChekXS-System korrekt zu bestimmen, sie hätten auch in vielen
Übungen gelernt, die Dosis des Vitamin-K-Antagonisten im Bedarfsfall anzupassen, erklärt
Ney. Der Patient wechsle so von der passiven in eine aktive Rolle und die Eigenverantwortung
werde in hohem Maß gestärkt.
Günther Buck, Weilheim
Quelle: "Stellenwert des Gerinnungs-Selbstmanagements bei Vorhofflimmern". 6. Mannheimer
Pressekreis von Roche Diagnostics GmbH am 14. Juni 2010 in Mannheim