Zeitschrift für Phytotherapie 2010; 31(6): 279
DOI: 10.1055/s-0031-1271315
Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Phytoöstrogene

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Ihre Karin Kraft

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Publication Date:
04 January 2011 (online)

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    Liebe Leser,

    Der isoflavonhaltige Tofu wurde schon vor 1000 Jahren als diätetisches Mittel und wichtiger Ernährungsbestandteil in der chinesischen Medizin erwähnt; sie empfiehlt ihn bei Kraftlosigkeit, chronischem Husten und Blasenentzündungen. Mit den epidemiologischen Untersuchungen Anfang des letzten Jahrzehnts brach dann ein richtiggehender »Hype« aus. Denn die Ergebnisse zeigten, dass bei in Asien lebenden Frauen nicht nur weniger Wechseljahressymptome auftraten, sondern auch die Inzidenz von Brustkrebs deutlich geringer war. Man vermutete, dass der reichliche Genuss von isoflavonhaltigen Produkten dafür verantwortlich sein könnte. Diese Erkenntnisse kamen genau zu dem Zeitpunkt, als klar wurde, dass die Hormonersatztherapie bei Frauen in den Wechseljahren erhebliche Risiken mit sich bringt. Damit gerieten als Phytoöstrogene wirkende Inhaltsstoffe aus den unterschiedlichsten Pflanzen in den Fokus. Noch bevor entsprechende klinische Studien vorlagen, wurden bereits unzählige Produkte aus Phytoöstrogenen verschiedenster Provenienz mit Arzneimittel- oder Nahrungsergänzungsmittelstatus vermarktet, um Wechseljahresbeschwerden zu lindern oder z.B. einer Gewichtszunahme, der Arteriosklerose, Demenz, Osteoporose und Krebs vorzubeugen. Zudem stieg der Verbrauch von Nahrungsmitteln auf Sojabasis beispielsweise in den USA in den vergangenen Jahren deutlich an. Mittlerweile ist eine unüberschaubare Menge an Publikationen entstanden. Allein in der Datenbank Pubmed sind gegenwärtig unter dem Stichwort »phytoestrogen« 847 Reviews und 323 klinische Studien verfügbar – mit teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Einige der Studien zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden mit in Europa verwendeten pflanzlichen Drogen wie Cimicifuga, Rotklee oder Hopfen werden in diesem Heft kritisch referiert.

    Noch nicht abgeschlossen ist auch die Debatte, ob und in welchem Ausmaß hormonabhängige Tumoren durch Phytoöstrogene beeinflusst werden. Das ist insofern klinisch durchaus relevant, weil bei Frauen mit hormonrezeptorpositivem Mamma–karzinom durch die Entfernung der Ovarien und die Gabe von Antiöstrogenen massive Wechseljahres-beschwerden ausgelöst werden. Man hoffte hier zunächst, dass eine Einnahme von Phytoöstrogenen die Beschwerden möglicherweise lindern könnte, war aber andererseits hinsichtlich eines erhöhten Risikos für ein Rezidiv verunsichert. Zumindest für Cimicifuga ergab sich jedoch bei dieser Personengruppe keine Überlegenheit hinsichtlich der Menopausensymptomatik gegenüber Placebo.

    Im Dezember 2009 erschien in der Zeitschrift JAMA eine Kohortenstudie mit 5042 Chinesinnen mit Mammakarzinom, deren Konsum von isoflavonhaltigen Nahrungsmitteln bzw. reinen Isoflavonen über 4 Jahre beobachtet wurde. Mit steigender Dosierung (bis 11 g Sojaprotein täglich) wurden die spezifische Mortalität und die Rezidivrate unabhängig vom Menopausen- und Rezeptorstatus reduziert – allerdings scheint das Risiko durch die Nahrungsmittel noch etwas günstiger als durch reine Isoflavone beeinflusst zu werden. Möglicherweise sind, wie die Autoren schreiben, die verschiedenen weiteren Inhaltsstoffe in den Nahrungsmitteln für diesen Effekt verantwortlich. Sie sind deshalb der Ansicht, dass der Genuss von isoflavonhaltigen Nahrungsmitteln beim Mammakarzinom sicher ist, und, wenn sich die tägliche Zufuhr in Maßen hält, möglicherweise auch den Verlauf günstig beeinflusst. Da vergleichbare Untersuchungen für die heimischen pflanzlichen Drogen fehlen, sollte man bei entsprechenden Empfehlungen zurückhaltend sein.

    Aus naturheilkundlicher Sicht sollte man den betroffenen Frauen allerdings ein mäßiges, aber regelmäßiges Bewegungsprogramm empfehlen, da große klinische Studien hierzu eine sehr gute Risiko-Nutzen-Bewertung ergeben haben, sowohl hinsichtlich der Tumorrezidivrate als auch der Menopausebeschwerden.

    Ihre Karin Kraft

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