Rofo 2011; 183(4): 401-404
DOI: 10.1055/s-0031-1274609
DRG-Mitteilungen
Radiologie & Recht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bundesverfassungsgericht – Keine Abrechnung kernspintomografischer Untersuchungen durch Kardiologen in der vertragsärztlichen Versorgung

Further Information

Publication History

Publication Date:
05 April 2011 (online)

 
Table of Contents #

Einführung

Das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben sich in der Vergangenheit bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Beschränkung der Abrechenbarkeit kernspintomografischer Leistungen auf die Fachgebiete und Schwerpunktbezeichnungen Radiologie, Kinderradiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin in § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Kernspintomografie-Vereinbarung (KernspinV) verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Das Bundessozialgericht hat sich in seinem Urteil vom 31.01.2001 (Az.: B 6 KA 24/00 R) im Verfahren eines Arztes für Orthopädie, der kernspintomografische Untersuchungen der Extremitäten durchführen wollte, eingehend mit der in der KernspinV normierten Konzentration der kernspintomografischen Leistungen auf Ärzte für Radiologie sowie mit den Qualifikationsvoraussetzungen für derartige Leistungen auseinandergesetzt und diese als rechtmäßig angesehen. In diesem Urteil hat das BSG dargelegt, dass die Partner der Bundesmantelverträge auf der Grundlage des § 135 Abs. 2 SGB V berechtigt sind, die Erbringung kernspintomografischer Leistungen vom Nachweis einer speziellen Qualifikation abhängig zu machen, und dass solche Ärzte, die nicht eine umfassende radiologische Weiterbildung durchlaufen haben, von der Erbringung kernspintomografischer Leistungen aus Gründen der Qualitätssicherung und zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen werden dürfen.

Das BVerfG hatte die Verfassungsbeschwerde des von diesem Urteil betroffenen Orthopäden mit Kammerentscheidung vom 16.07.2004 (Az.: 1 BvR 1127/01) nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat ausgeführt, dass die Regelungen der KernspinV als Berufsausübungsregelungen zu werten und solange verfassungsrechtlich unbedenklich sind, wie der Arzt nicht im Kernbereich seines Fachgebiets eingeschränkt wird. Das BVerfG hat angenommen, ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung fänden die Anforderungen der KernspinV unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Im Ergebnis sei die Annahme vertretbar, dass die Konzentration aller kernspintomografischen Leistungen bei speziell qualifizierten Ärzten der Qualität der Versorgung sowie deren Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung dient. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass zur Abgrenzung abrechnungsfähiger ärztlicher Leistungen auf die für das jeweilige Fachgebiet in der Weiterbildungsordnung genannten Inhalte und Ziele der Weiterbildung und die dort genannten Bereiche, in denen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden, abgestellt wird. Zu den Inhalten und Zielen der Weiterbildung in der Orthopädie gehöre die selbstständige Durchführung der Magnetresonanztomografie nicht. Sie sei vielmehr besonders aufgeführt bei dem Weiterbildungsinhalt des Methodenfaches der Radiologie.

Nach diesen beiden Entscheidungen war bereits höchstrichterlich geklärt, dass die Erbringung und Abrechnung kernspintomografischer Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung auf die in § 4 Abs. 1 Nr. 2 KernspinV benannten Fachgebiete und Schwerpunktbezeichnungen zu Recht beschränkt worden ist. Trotz dieser eindeutigen Rechtslage mussten sich beide Gerichte erneut mit dieser Rechtsfrage beschäftigen, nachdem nunmehr ein Facharzt für Kardiologie die Abrechenbarkeit der Kernspintomografie im Rahmen einer Ermächtigung als Krankenhausarzt für sich beansprucht hat. Sowohl das BSG, als auch das BVerfG haben die Ablehnung des Antrage des Kardiologen auf Erteilung der Abrechnungsgenehmigung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung als rechtmäßig bestätigt.

Mit Urteil vom 11.10.2006 (B 6 KA 1/05 R) stellte zunächst das BSG fest, dass Kardiologen, die kernspintomografische Untersuchungen der Herzregion durchführen wollen, einer Genehmigung nach der KernspintomografieV bedürfen. Diese könne jedoch nicht erteilt werden, wenn der Kardiologe keine Weiterbildung in radiologischer Diagnostik absolviert habe. In einem Nichtannahmebeschluss vom 08.07.2010 (Az.: 2 BvR 520/07) hat das BVerfG nun festgestellt, dass die gegen das Urteil des BSG eingelegte Verfassungsbeschwerde des Kardiologen nicht zur Entscheidung angenommen werde, da ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukomme und sie darüber hinaus unbegründet sei.

#

Sachverhalt

Der Kläger ist Kardiologe und Direktor der Klinik für Innere Medizin/Kardiologie des Deutschen Herzzentrums Berlin. Der Berufungsausschuss Ärzte Berlin erteilte ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 30. September 2002 eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, die auch die Erbringung kernspintomografischer Leistungen (Magnetfeldresonanztomografien - MRT) nach Nr. 5521 des Einheitlichen BewertungsmaßstAbs. für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) umfasste. Der Kläger wollte diese Leistungen zur Herzdiagnostik erbringen. Nach seinem Vorbringen war er maßgeblich an der Entwicklung der Technik von MRT-Untersuchungen des Herzens beteiligt. Der Berufungsausschuss wies den Kläger in der Ermächtigungsentscheidung darauf hin, dass er kernspintomografische Leistungen nur erbringen und abrechnen könne, wenn die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ihm die nach der KernspinV erforderliche Genehmigung erteilt habe. Die beklagte KÄV lehnte den vom Kläger im April 2001 gestellten Genehmigungsantrag ab, weil er die Qualifikationsanforderungen der KernspinV nicht erfülle, insbesondere nicht über die Gebietsbezeichnung „Diagnostische Radiologie“ verfüge und nicht 24 Monate hauptberuflich radiologisch tätig gewesen sei.

Im Rahmen des Revisionsverfahrens vor dem BSG hatte der Kläger geltend gemacht, die KernspinV sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und unwirksam, soweit sie den Kardiologen generell verwehre, kernspintomografische Untersuchungen des Herzens im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchzuführen. Die durch die KernspinV bewirkte Konzentration aller kernspintomografischen Leistungen bei den Radiologen stehe im Widerspruch zu der gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Berufsfreiheit anderer Arztgruppen, speziell der Kardiologen. Qualifizierten Kardiologen müsse es möglich sein, die inzwischen zum Standarduntersuchungsprogramm zählenden kernspintomografischen Untersuchungen des Herzens zu erbringen und abzurechnen, ohne alle Voraussetzungen der KernspinV zu erfüllen. Die Normgeber der auf § 135 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beruhenden KernspinV seien nicht gezwungen, die Leistungen bei den Radiologen zu konzentrieren, sondern hätten insoweit einen Gestaltungsspielraum. Davon hätten sie keinen sachgerechten Gebrauch gemacht, weil sie nicht hinreichend berücksichtigt hätten, dass auch den Kardiologen berufsrechtlich gestattet sei, MRT-Untersuchungen am Herzen durchzuführen, sowie, dass für die kernspintomografischen Untersuchungen des Herzens spezielle Kenntnisse notwendig seien, die einerseits durch die Weiterbildung zum Arzt für diagnostische Radiologie nicht vermittelt würden, für die andererseits aber auch eine umfassende radiologische Ausbildung nicht erforderlich sei.

#

Kein relevanter Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

Sowohl das BSG als auch das BVerfG stellen in ihren Entscheidungen fest, dass der Ausschluss von der Abrechenbarkeit kernspintomografischer Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung auch für Kardiologen, einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellt.

Das BSG hatte sich in seinem Urteil auf die vorhergehende Entscheidung des BVerfG vom 16.07.2004 gestützt, wonach „die Konzentration aller kernspintomografischen Leistungen bei speziell qualifizierten Ärzten“ zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zulässig sei. Weshalb das nicht zumindest grundsätzlich auch für Kardiologen gelten sollte, sei nicht ersichtlich. Hinzu komme, dass durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz <GMG> vom 14. November 2003, BGBl I 2190) § 135 Abs. 2 SGB V zum 1. Januar 2004 um einen Satz 4 ergänzt worden ist. Dort sei nunmehr Folgendes bestimmt:

„Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören.“

In der Begründung der Fraktionen der SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen zu dieser Ergänzung des § 135 Abs. 2 SGB V werde ausdrücklich auf das Senatsurteil vom 31. Januar 2001 – B 6 KA 24/00 R – Bezug genommen und die Notwendigkeit betont, die Durchführung diagnostischer Maßnahmen (medizintechnischer Leistungen) auch dann bei den dafür spezialisierten Ärzten zu konzentrieren, wenn diese Leistungen nach dem landesrechtlichen Berufsrecht (auch) zum Fachgebiet des „therapeutisch tätigen Arztes“ zählen ( BT-Drucks 15/1525 S 124, zu Art. 1 Nr. 99 Buchst. b <§ 135> ). Deshalb seien spätestens nach Inkrafttreten des GMG die Überlegungen des Klägers, inwieweit sich aus den aktuellen Änderungen im ärztlichen Weiterbildungsrecht Gesichtspunkte für die Zugehörigkeit kernspintomografischer Diagnostik auch zum jeweiligen Fachgebiet (Chirurgie, Orthopädie, Innere Medizin, Gynäkologie) ergeben können, für die hier allein betroffene vertragsärztliche Versorgung ohne Bedeutung.

Das BVerfG hat diese Ausführungen bestätigt und festgestellt, dass die Entscheidung des BSG nicht zu beanstanden sei, dass auch zur Durchführung der Kernspintomografie besonders qualifizierte Kardiologen, die die Voraussetzungen der fachlichen Befähigung gemäß § 4 Abs. 1 KernspinV nicht erfüllen, nicht ausnahmsweise zur Ausführung und Abrechnung kernspintomografischer Untersuchungen des Herzens im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden müssen. Diese Entscheidung beschränke den Kardiologen zwar in seiner Berufsausübung, jedoch bleibe die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt. Es gehe weder um den Zugang zu einer bestimmten Arztgruppe noch zu einem Planungsbereich, sondern lediglich um die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Arzt werde jedenfalls so lange nicht in seinem Status betroffen, wie er nicht im Kernbereich seines Fachgebiets eingeschränkt wird.

Anhaltspunkte dafür, dass dies bei der Kernspintomografie des Herzens, die gegenwärtig noch nicht einmal in vollem Umfang Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist und sich ersichtlich noch im Erprobungsstadium befindet, hinsichtlich der Arztgruppe der Ärzte für Innere Medizin oder speziell der Ärzte für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung Kardiologie der Fall sein könnte, sind nach Ansicht des BSG und des BVerfG nicht ersichtlich.

#

Individuelle Qualifikation des Kardiologen nicht maßgeblich

Besondere Brisanz hatte in beiden Verfahren das Vorbringen des Chefarztes, wonach Kardiologen zur Durchführung kernspintomografischer Untersuchungen des Herzens sogar besser qualifiziert seien als alle bzw. bestimmte Ärzte für Radiologie. Sowohl das BSG als auch das BVerfG traten dieser Auffassung entgegen und stellten zudem fest, dass dies für die rechtliche Beurteilung der Regelung in § 2 Satz 1 KernspinV ohne Bedeutung ist.

Im Einzelfall ist danach nie auszuschließen, dass ein Arzt einer bestimmten Fachrichtung für eine bestimmte hochspezialisierte Leistung in besonderer Weise qualifiziert ist, die üblicherweise von Ärzten einer anderen Fachrichtung erbracht wird, und dass umgekehrt ein Facharzt im Rahmen seiner Weiterbildung mit einer ganz speziellen Leistung nur am Rande befasst worden ist. An derartig untypischen Situationen müssen sich die Normgeber weder auf der Ebene des Gesetzes noch im Rahmen von Qualitätssicherungsvereinbarungen auf der Grundlage des § 135 Abs. 2 SGB V orientieren. Normsetzung darf von typischen Sachverhalten und Konstellationen ausgehen, und einem typischen Sachverhalt entspricht es, dass Ärzte, die langjährige Tätigkeit und Erfahrung in der Kernspintomografie haben, die erforderliche Qualifikation zur Durchführung zumindest derjenigen kernspintomografischen Untersuchungen der Herzregion besitzen, die derzeit bereits Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind.

Das BVerfG führt in seinem Beschluss insbesondere aus, dass das Argument fehlgreift, wonach Radiologen zur Durchführung von kernspintomografischen Untersuchungen im Bereich der Herzdiagnostik nicht so qualifiziert sind wie Kardiologen, weil Radiologen für die Durchführung kernspintomografischer Untersuchungen des Herzens einer speziellen Fortbildung bedürfen. Auch Kardiologen müssten sich im Regelfall einer solchen Fortbildung unterziehen, zumindest insofern, als ihnen umgekehrt Kenntnisse der Kernspintomografie typischerweise fehlen werden.

Auch der von dem Kardiologen vertretenen Auffassung, wonach die Konzentration der kernspintomografischen Untersuchungen auch der Herzregion bei den kernspintomografisch speziell qualifizierten Radiologen zumindest dann rechtswidrig sei, wenn nicht nachgewiesen sei, dass der jeweilige Radiologe während seiner Weiterbildung in hinreichendem Umfang MRT-Untersuchungen des Herzens durchgeführt habe, sind die Gerichte nicht gefolgt. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1a KernspinV muss die selbstständige Indikationsstellung, Durchführung und Befundung u.a. von 1000 Untersuchungen im Bereich Hirn, Rückenmark, Skelett, Gelenke, Abdomen, Becken und Thoraxorgane unter Anleitung vom Radiologen nachgewiesen werden. Kernspintomografische Untersuchungen des Herzens sind dort zwar nicht explizit erwähnt. Sie sind jedoch – im Einklang mit der Leistungslegende der Nr. 34430 EBM-Ä – als Thoraxuntersuchungen abzurechnen. Grundsätzlich ist damit nach Ansicht des BSG gewährleistet, dass jeder Arzt, der die Genehmigung nach § 2 Satz 1 KernspinV erhält, auch Untersuchungen der Thoraxorgane durchgeführt hat. Bundesrechtlich sei daher nicht zu beanstanden, dass die Normgeber der KernspinV darauf verzichtet haben, für jedes einzelne Untersuchungsgebiet Mindestzahlen vorzugeben und sich darauf beschränkt haben, die betroffenen Untersuchungsgebiete zu nennen und insgesamt eine Mindestzahl der nachzuweisenden eigenständigen Untersuchungen festzulegen. Die Forderung nach Mindestzahlen für jede Körperregion bzw. für jedes einzelne Körperorgan würde zu unverhältnismäßigen Erschwerungen bei der Weiterbildung führen. Die Normgeber dürfen darauf vertrauen, dass ein Arzt, der die Voraussetzungen der KernspinV erfüllt, von sich aus darum bemüht ist, eine möglichst breite Palette von Kenntnissen und Erfahrungen bei der Untersuchung verschiedener Organsysteme zu erwerben, um alle ihm in seiner späteren Tätigkeit überwiesenen Behandlungsfälle im Einklang mit den Regeln der ärztlichen Kunst bearbeiten zu können. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass ein Arzt, der in seiner Weiterbildung tatsächlich keine Erfahrungen mit kernspintomografischen Untersuchungen bestimmter Herzregionen gemacht hat, diese schon aus Haftungsgründen nicht anbieten wird, soweit er sich nicht entsprechend nachqualifiziert hat.

Besonderer Bedeutung kommt nach Ansicht des BVerfG jedoch in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, dass die Konzentration aller kernspintomografischen Leistungen bei den Radiologen auch dazu beitragen soll, die diagnostisch tätigen Ärzte als Berufsgruppe zu erhalten. Insoweit ist auch hinsichtlich etwaiger zur Herzdiagnostik mittels Kernspintomografie besonders qualifizierter Kardiologen, auch aus Gründen des grundrechtlichen Schutzes der Fachgruppe der Radiologie, keine andere Betrachtung geboten.

#

Bedeutung der Zusatzweiterbildung „fachgebundene Magnetresonanztomografie“

Das BSG hat in seiner Entscheidung offengelassen, welche Auswirkungen zukünftig durch die Einführung der Zusatzweiterbildung „fachgebundene Magnetresonanztomografie“ auf die Regelungen der KernspinV zu erwarten sind.

Nach § 2 Abs. 1 der (Muster-)Weiterbildungsordnung (Muster-WBO) gemäß dem Beschluss des 106. Deutschen Ärztetages 2003 kann der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung u.a. zur „Zusatzbezeichnung“ führen. Nach § 2 Abs. 4 Muster-WBO beinhaltet eine Zusatzweiterbildung die Spezialisierung in Weiterbildungsinhalten, die zusätzlich zu den Facharzt- und Schwerpunktweiterbildungsinhalten abzuleisten sind. Zusatzweiterbildungen in diesem Sinne sind auch in fachgebundener Magnetresonanztherapie möglich (Abschnitt C Muster-WBO). Diese auch für Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Kardiologie erreichbare Qualifikation setzt u.a. eine 24-monatige Weiterbildung bei einem Arzt voraus, der zur Weiterbildung in der Radiologie berechtigt ist. Hat ein Arzt die Zusatzweiterbildung in fachgebundener MRT absolviert, darf er die entsprechende Zusatzbezeichnung führen. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KernspinV sind damit aber noch nicht erfüllt, weil Nr. 2 die Berechtigung zum Führen der Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung „Diagnostische Radiologie“ fordert. Ob diese Voraussetzung mit dem geänderten Weiterbildungsrecht noch vereinbar ist oder der Nachweis der fachgebundenen Zusatzweiterbildung in MRT für die Berechtigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KernspinV ausreichen muss, müssen nach Ansicht des BSG die Normgeber der KernspinV, die KBV und der GKV-Spitzenverband, prüfen.

Allerdings stellt das BSG klar, dass überhaupt erst dann, wenn Ärzte über die Zusatzweiterbildung in fachgebundener MRT verfügen, Anlass zur Prüfung bestehe, ob diesen auf der Grundlage einer geänderten oder ggf. auch erweiternd auszulegenden Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 KernspinV eine Erlaubnis nach § 2 Satz 1 KernspinV zu erteilen wäre. Diese Voraussetzung war in dem vorliegenden Verfahren bereits deshalb nicht gegeben, weil der Kardiologe gerade nicht über eine entsprechende Zusatzweiterbildung verfügte. Dies lässt in diesem konkreten Fall allerdings zugleich Zweifel daran aufkommen, dass der Kläger die von ihm behauptete besondere Qualifikation tatsächlich hatte. Wäre dies der Fall, hätte er die Zusatzweiterbildung sicherlich nach den erleichterten Bedingungen der Übergangsbestimmungen gemäß § 22 Abs. 8 der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlins beantragt und auch erhalten.

#

Ergebnis

Die Entscheidung des BVerfG vom 08.07.2010 ist zu begrüßen, weil damit die bisherige Rechtsprechung des BSG zur KernspinV auch für andere Fachgruppen bestätigt wird. Entgegen den Darstellungen des Kardiologen verfügt diese Fachgruppe eben nicht über besondere Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Kernspintomografie, weil diese Leistung nicht zum allgemeinen Inhalt der Weiterbildung therapeutisch tätiger Fachgebiete gehört, sondern primär der Radiologie zugeordnet ist.

Die Auffassung, wonach Kardiologen prinzipiell besser zur Durchführung kernspintomografischer Untersuchungen des Herzens qualifiziert sein sollen, findet daher bereits im Weiterbildungsrecht keine Stütze. Es geht vorliegend nicht um die dem Kardiologen unzweifelhaft zustehende fachliche Kompetenz zur Erkennung und Behandlung von Erkrankungen des Herzens, sondern um die Berechtigung zur Durchführung eines diagnostischen Verfahrens, welches kein Arzt ohne theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen beherrschen kann. Dass dies bei keiner anderen Fachgruppe als der Radiologie und in Teilen auch der Nuklearmedizin in der Vergangenheit der Fall war, wird bereits dadurch belegt, dass die selbstständige Durchführung der Kernspintomografie, bis zur Einführung der Zusatzweiterbildung „Magnetresonanztomografie fachgebunden“ in den Jahren 2005–2006 für andere Fachgebiete fachgebietsfremd war und damit prinzipiell nicht erlernt werden konnte. Selbst nach der Einführung der Zusatzweiterbildung kann angesichts der erforderlichen Richtzahlen nach den Weiterbildungsrichtlinien für nicht radiologische Fachgebiete nicht ernsthaft argumentiert werden, dass die Qualifikation des Radiologen hinter derjenigen anderer Fachgebiete zurückbleibt. Die Richtlinien der Ärztekammern sehen im Bereich der Kernspintomografie für Radiologen eine Richtzahl von 3000 Untersuchungen vor. Daneben müssen Radiologen für die übrigen diagnostischen Verfahren ihres Fachgebiets weitere umfangreiche Richtzahlen erfüllen, um die betreffende Methode in praktischer Hinsicht zu erlernen. Demgegenüber haben die Ärztekammern die Zusatzweiterbildung „Magnetresonanztomografie fachgebunden“ für die nicht radiologischen Fachgebiete ausschließlich „gebietsbezogen“ eingeführt und lediglich eine Richtzahl von 1000 Untersuchungen vorgeschrieben. Diese Richtzahl ist bei Facharztgruppen, wie Orthopäden und Kardiologen, die bisher keinerlei praktische Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Schnittbilddiagnostik gemacht haben, erforderlich, damit sie sich mit diesem diagnostischen Verfahren prinzipiell vertraut machen können. Eine umfassende Ausbildung in der Methode der Kernspintomografie für alle Körperregionen, wie im Fachgebiet der Radiologie, ist damit jedoch nicht verbunden.

Zu berücksichtigen ist im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung darüber hinaus, dass für die Erbringung kernspintomografischer Leistungen, neben den berufsrechtlichen Anforderungen auch dem Aspekt der Qualitätssicherung eine erhebliche Bedeutung zukommt, da die Fehlermöglichkeiten in diesem diagnostischen Verfahren besonders groß sind. Das BSG hat die besondere Bedeutung der Qualitätssicherung durch die Regelungen der KernspinV bereits in seinem Urteil vom 31.01.2001 (Az.: B 6 KA 24/00 R) deutlich hervorgehoben:

„Die Konzentration der Kernspintomografien bei dafür speziell qualifizierten Ärzten bewirkt, dass diese viele derartige Untersuchungen durchführen und dadurch in deren Durchführung sowie Auswertung besonders erfahren und geübt sind. Das Erfordernis umfassender Ausbildung in diagnostischer Radiologie soll gewährleisten, dass der Arzt das gesamte Spektrum möglicher radiologischer Untersuchungen überblickt (Röntgen, Computer-, Kernspintomografie usw.) und beurteilen kann, ob möglicherweise eine andere Untersuchungsmethode als die Kernspintomografie im konkreten Fall geeigneter, schonender und/oder kostensparender ist. Er kann dementsprechend die an ihn überweisenden Ärzte bei der Auswahl der geeigneten Untersuchungsmethode fundiert beraten. Durch die intensive Ausbildung in kernspintomografischer Diagnostik wird erreicht, dass der Arzt auch pathologische Befunde, die nicht den Untersuchungsanlass bilden, im Bild erkennen, identifizieren und interpretieren kann (sog. Zufallsbefunde).“

Ferner führt die Konzentration der Kernspintomografie bei den Fachärzten für Radiologie, aufgrund des in § 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) für die Inanspruchnahme von Radiologen vorgeschriebenen Überweisungsvorbehalts, zu einer Arbeitsteilung i.S. des sog. „Mehraugenprinzips“, d.h. dass die Diagnostik einem anderen Arzt obliegt als die anschließende Therapie. Eine solche Diagnostik, die unabhängig von einem eventuellen Interesse an der Therapie erfolgt, dient zum einen der optimalen Patientenversorgung, zum anderen dem sparsamen Einsatz der Leistungsressourcen. So wird der Möglichkeit vorgebeugt, dass der Behandler den Befund ausdehnend interpretiert und damit nicht unbedingt notwendige kostenträchtige Behandlungsmaßnahmen rechtfertigt. Diese Gesichtspunkte haben bei Untersuchungen, die – wie das bei Kernspintomografien der Fall ist – sehr komplex und zudem kostspielig sind, besonders große Bedeutung. Demgegenüber würde dieses Prinzip aufgegeben, wenn es anderen ärztlichen Fachgebieten in der GKV erlaubt würde, kernspintomografische Leistungen zu erbringen. Diese Ärzte unterliegen keinem Überweisungsvorbehalt und wären daher in der Lage, die von ihnen veranlassten Leistungen auch selbst zu erbringen. Die Möglichkeit einer „Selbstzuweisung“ würde jedoch die Gefahr der Durchführung von kernspintomografischen Leistungen ohne hinreichende Indikation deutlich erhöhen. Mithin dient die Konzentration kernspintomografischer Leistungen bei dafür speziell und umfassend qualifizierten Radiologen gewichtigen Gemeinwohlbelangen sowohl der Gesundheit der Versicherten, als auch der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, wie das BSG zu Recht durchgehend betont hat.

Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwälte Wigge
Scharnhorststr. 40
48151 Münster
Tel.: 0251/53595-0
Fax: 0251/53595-99
E-Mail: Email: kanzlei@ra-wigge.de
Internet: www.ra-wigge.de