Rofo 2012; 184(2): 176-180
DOI: 10.1055/s-0031-1274727
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Radiologie und Recht – Vereinbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen zur Teleradiologie mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG

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24 January 2012 (online)

 
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Einführung

Gemäß § 2 Nr. 24 Röntgenverordnung (RöV) handelt es sich bei teleradiologischen Leistungen um „Untersuchungen eines Menschen mit Röntgenstrahlung unter der Verantwortung eines Arztes nach § 24 Abs. 1 Nr. 1, der sich nicht am Ort der technischen Durchführung befindet und der mit Hilfe elektronischer Datenübermittlung und Telekommunikation insbesondere zur rechtfertigenden Indikation und Befundung unmittelbar mit den Personen am Ort der technischen Durchführung in Verbindung steht“. Grundsätzlich ist jeder Betrieb einer Röntgeneinrichtung und insbesondere der Einsatz teleradiologischer Systeme genehmigungspflichtig. Die für eine Erteilung der Genehmigung allgemein erforderlichen Voraussetzungen werden in § 3 Abs. 2–3 RöV genannt. Darüber hinaus müssen zum Betrieb einer Röntgeneinrichtung zur Teleradiologie weitere besondere Voraussetzungen erfüllt sein, welche in § 3 Abs. 4 RöV geregelt sind. Danach muss zusätzlich gewährleistet sein, dass

  1. ein Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz bzw. ein Arzt, der über die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz verfügt und unter ständiger Aufsicht und Verantwortung eines fachkundigen Arztes steht, bei fehlender Anwesenheit am Ort der technischen Durchführung nach eingehender Beratung mit dem Arzt am Ort der technischen Durchführung die rechtfertigende Indikation für die Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen stellt, die Untersuchungsergebnisse befundet und die ärztliche Verantwortung für die Anwendung der Röntgenstrahlung trägt,

  2. die technische Durchführung durch eine nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 RöV berechtigte Person erfolgt,

  3. am Ort der technischen Durchführung ein Arzt mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz vorhanden ist, der insbesondere die zur Feststellung der rechtfertigenden Indikation erforderlichen Angaben ermittelt und an den fachkundigen Arzt weiterleitet sowie den Patienten aufklärt,

  4. der fachkundige Arzt mittels Telekommunikation unmittelbar mit den Personen am Ort der technischen Durchführung in Verbindung steht,

  5. die elektronische Datenübertragung und die Bildwiedergabeeinrichtung am Ort der Befundung dem Stand der Technik entsprechen und eine Beeinträchtigung der diagnostischen Aussagekraft der übermittelten Daten und Bilder nicht eintritt und

  6. der fachkundige Arzt innerhalb eines für eine Notfallversorgung erforderlichen Zeitraumes am Ort der technischen Durchführung eintreffen kann.

Der Einsatz der Teleradiologie ermöglicht es Krankenhäusern, die eine durchgehende radiologische Versorgung mit entsprechend fachkundigem Personal aus finanziellen und personellen Gründen nicht rund um die Uhr gewährleisten können, im Rahmen von Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdiensten auf radiologische Leistungen eines anderen Krankenhauses zurückzugreifen, ohne den Patienten einem Transportrisiko bzw. einer zeitlichen Verzögerung der Untersuchung aussetzen zu müssen. Die Regelungen des § 3 Abs. 4 sowie § 24 RöV dienen dabei in 1. Linie dem Schutz des Patienten vor Nachteilen, die daraus entstehen können, dass der Radiologe den Patienten nicht persönlich untersuchen und die technische Durchführung der Untersuchung nicht unmittelbar beaufsichtigen kann.

Diese Voraussetzungen für eine Genehmigung eines teleradiologischen Betriebs einer Röntgeneinrichtung waren Gegenstand des hier besprochenen Urteils des Verwaltungsgerichts (VG) Köln vom 28.01.2010 – Az.: 13 K 1158/06, welches zu dem Ergebnis kam, die in § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV geforderte Voraussetzung eines im Notfall möglichen zeitnahen Eintreffens des Teleradiologen am Ort der technischen Durchführung verstoße gegen die in Art. 12 Grundgesetz (GG) normierte Berufsfreiheit.

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Sachverhalt

Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens war eine Aktiengesellschaft mehrerer Radiologen mit Sitz im Saarland, die im Jahr 2003 bei dem damals noch zuständigen Staatlichen Amt für Arbeitsschutz eine Genehmigung für den teleradiologischen Betrieb jeweils eines Computertomografen (CT) an verschiedenen in Nordrhein-Westfalen liegenden Krankenhäusern beantragte. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, der Erteilung der Genehmigung stehe § 29 Abs. 2 S. 1 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen (HeilberufsG NRW) entgegen, wonach die Ausübung ärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und Privatkrankenanstalten an die Niederlassung in eigener Praxis gebunden sei, worüber die Klägerin in NRW jedoch nicht verfüge. Auch der Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid blieb erfolglos. Neben dem Verweis auf § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW führte die Widerspruchsbehörde in dem Widerspruchsbescheid aus, die geforderte Genehmigungsvoraussetzung, wonach der Teleradiologe innerhalb eines für eine Notfallversorgung erforderlichen Zeitraums am Ort der technischen Durchführung eintreffen können müsse, sei vorliegend nicht erfüllt. Zwar könne ausnahmsweise die Notfallversorgung in begründeten Fällen durch einen anderen Radiologen vor Ort wahrgenommen werden. Aufgrund der Ansässigkeit der Klägerin im Saarland würde diese Ausnahmeregelung jedoch vorliegend zum Regelfall gemacht.

In ihrer Klagebegründung trägt die Klägerin vor, die Vorschriften über die Genehmigung des teleradiologischen Betriebs einer Röntgenanlage würden als gesetzliche Spezialregelung von dem Erfordernis einer Niederlassung in NRW befreien. Auch stehe das in § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV normierte „Regionalprinzip“ einer Genehmigung nicht entgegen, da es im jahrelangen Betrieb der Klägerin nie zu einem Notfall gekommen sei. Zudem verstoße die durch die RöV 2003 eingeführte Genehmigungspflicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG und sei daher nichtig. Die Beklagte hält an ihren Ausführungen im Widerspruchsbescheid fest. Zum einen sei durch den Genehmigungsvorbehalt nur die Berufsausübung und nicht die Freiheit der Berufswahl betroffen, da der Radiologe seinen Beruf nur ggf. in der Form als Teleradiologe ausübe. Zum anderen sei der Genehmigungsvorbehalt durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert und durch die Ermächtigungsgrundlage im Atomgesetz gedeckt.

Das VG Köln hat die Beklagte verpflichtet, über den Genehmigungsantrag der Klägerin neu zu entscheiden.

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Vereinbarkeit der Genehmigungsvoraussetzungen der Teleradiologie mit Art. 12 Abs. 1 GG

Nach Ansicht des VG Köln stehen in dem zu entscheidenden Fall weder das Fehlen einer Niederlassung der Klägerin in NRW, noch das sogenannte „Regionalprinzip“ der Erteilung einer Genehmigung zum teleradiologischen Betrieb eines CT entgegen. Rechtsgrundlage für den Genehmigungsanspruch der Klägerin sei § 3 Abs. 2 bis 4 RöV. Dort sei ein gestuftes Anforderungsprofil von allgemeinen (Abs. 2), höheren (Abs. 3) sowie kumulative weitere Anforderungen (Abs. 4) vorgesehen. Diese Rechtsgrundlage ist verfassungsgemäß und mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Zwar greife die Statuierung einer Genehmigungspflicht in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, weil es die berufliche Tätigkeit der Klägerin zumindest teilweise von einer Genehmigung abhängig mache. Dieser Eingriff sei jedoch durch den Sinn und Zweck der Regelungen über die Genehmigungspflicht des Betriebs einer Röntgeneinrichtung zur Teleradiologie, nämlich den Schutz der (Volks-)Gesundheit und damit einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut, gerechtfertigt (vgl. auch OVG NRW Beschluss vom 18.12.2007, Az.: 20 A 943/07).

Das VG Köln unterstreicht insbesondere, dass sich § 3 Abs. 1 bis 4 RöV im Rahmen der erforderlichen Ermächtigungsnorm nach dem Atomgesetz (AtomG) hält. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AtomG kann durch Rechtsverordnung zur Erreichung der in § 1 AtomG bezeichneten Zwecke unter anderem bestimmt werden, dass der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen einer Genehmigung oder Anzeige bedürfen. Gemäß § 11 Abs. 2 AtomG kann die Rechtsverordnung Genehmi-gungen im Rahmen der Zweckbestimmung dieses Gesetzes von persönlichen und sachlichen Voraussetzungen abhängig machen. Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Röntgenröhren erzeugen ionisierende Strahlen. Bei einer Röntgenuntersuchung werden Menschen einer gegebenenfalls gesundheitsschädigenden krebserzeugenden Strahlenbelastung ausgesetzt, was nur im Hinblick auf den diagnostischen Nutzen nach einer Abwägungsentscheidung des Arztes hinnehmbar ist. Die Strahlenbelastung ist insbesondere bei einer Untersuchung mit einem Computertomographen bis zu 1.000 mal höher als bei einer normalen Röntgenaufnahme. Unnötige oder unbrauchbare Untersuchungen gefährden oder schädigen die Gesundheit. Die Notwendigkeit einer Regelung zum „Schutz der Gesundheit“ im hier betreffenden Bereich nach § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 1 Nr. 2 AtomG liegt daher dem Grunde nach auf der Hand.“

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OVG NRW stellt das Gericht darüber hinaus fest, dass die engen Genehmigungsvoraussetzungen für die Teleradiologie in § 3 Abs. 1 bis 4 RöV eine zulässige Ausnahme von dem in der Röntgenverordnung festgeschriebenen Grundsatz darstellen, „wonach bei einem unmittelbaren räumlichen Zusammentreffen von Patienten und Arzt die richtige Abwägung des Nutzens der Anwendung gegen das Strahlenrisiko am Besten gelingen kann“ (OVG NRW Beschluss vom 18.12.2007, Az.: 20 A 943/07). Die RöV 2003 gehe in § 23 Abs. 1 S. 5 als Normalfall und selbstverständlichem Idealbild von der Anordnung (sog. rechtfertigende Indikation) und Durchführung der radiologischen Untersuchung nach persönlicher Untersuchung durch den in unmittelbarem und persönlichem Kontakt mit dem Patienten stehenden Radiologen aus. Regelmäßig könne nur bei einer solchen persönlichen Untersuchung im Einzelnen genau ermittelt werden, ob in Abwägung der Schaden/Nutzen-Relation insbesondere eine CT-Untersuchung erforderlich sei. Auch könne der persönlich untersuchende und anwesende oder zumindest greifbare Radiologe sicherstellen, dass die Untersuchung lege artis ablaufe.

Obwohl das Gericht damit anerkennt, dass der Verordnungsgeber die Gewichtung der Vorteile einer Indikation in Anwesenheit des Patienten, also der – jedenfalls nach der Vorstellung des Verordnungsgebers – bestmöglichen Gewährleistung der Minimierung der Strahlenbelastung, einerseits und derjenigen aus der Untersuchung am Aufenthaltsort des Patienten andererseits durch die Röntgenverordnung im Sinne eines Überwiegens des 1. Aspekts entschieden hat, ist es der Auffassung, dass nicht verlangt werden könne, dass die Klägerin ihre Niederlassung in räumlicher Nähe zum Ort der technischen Durchführung oder zumindest in NRW unterhalten müsse. Eine solche Verpflichtung könne weder aus § 29 Abs. 3 HeilberufsG NRW, noch aus dem in § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 6 RöV verankerten „Regionalprinzip“ gefordert werden.

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§ 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW keine entgegenstehende Vorschrift i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 8 RöV

Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 8 RöV dürfen der Genehmigung des Betriebs einer Röntgeneinrichtung keine sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Eine solche entgegenstehende Norm könnte § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW sein. Nach § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW ist die Ausübung ärztlicher, psychotherapeutischer und zahnärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und außerhalb von Privatkrankenanstalten nach § 30 der Gewerbeordnung an die Niederlassung in einer Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen etwas anderes zulassen.

Wie das VG Köln in seinen Entscheidungsgründen ausführt, handelt es sich bei § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW jedoch nicht um eine öffentlich-rechtliche Vorschrift in diesem Sinne. § 3 Abs. 2 Nr. 8 RöV sei dahingehend restriktiv zu interpretieren, dass nur dem genannten Schutzzweck des § 1 Nr. 2 Atomgesetz dienende öffentlich-rechtliche Regelungen Berücksichtigung finden dürfen. Mit anderen Worten seien solche Normen, die nicht dem Schutz vor ionisierenden Strahlen dienen, im Rahmen der Genehmigungsprüfung unbeachtlich. Schutzzweck von § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW sei jedoch die Verhinderung von Zusammenschlüssen von Ärzten in Form einer Kapitalgesellschaft und die Vermeidung der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im Reisegewerbe. § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG NRW diene nach Ansicht des VG Köln nur mittelbar dem Gesundheitsschutz und somit nicht dem speziellen Schutzauftrag des AtomG. Es könne folglich offen bleiben, ob § 29 Abs. 2 S. 1 HeilberufsG angesichts seines offenen Wortlauts überhaupt dahingehend zu verstehen sei, dass die Niederlassung in NRW bestehen müsse, oder ob es nicht nur einer Niederlassung im Bundesgebiet bedürfe.

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Unverhältnismäßigkeit des „Regionalprinzips“ in § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV?

Nach Ansicht des VG Köln steht jedoch auch das in § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 6 RöV geregelte sog. „Regionalprinzip“ der Genehmigungserteilung für einen teleradiologischen Betrieb nicht entgegen, wenn der Teleradiologie seine Niederlassung nicht in NRW hat.

§ 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 6 RöV fordert als weitere Genehmigungsvoraussetzung für den teleradiologischen Betrieb einer Röntgenanlage, dass der fachkundige Arzt innerhalb eines für die Notfallversorgung erforderlichen Zeitraums am Ort der technischen Durchführung eintreffen können muss. Nach der Begründung des Entwurfs der Änderung der Röntgenverordnung soll der Zeitraum bis zum Eintreffen des fachkundigen Arztes grundsätzlich nicht länger als 45 min betragen. Nach Ansicht des VG Köln könne diese Regelung dem Genehmigungsantrag der Klägerin nicht entgegen gehalten werden, da sie unverhältnismäßig sei und daher keine verfassungskonforme Einschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG beinhalte.

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Intention des Verordnungsgebers

Wie das VG Köln in seinen Entscheidungsgründen ausführt, seien derartige Notfallszenarien, in denen § 3 Abs. 4 S. 2 Nr. 6 RöV zum Tragen komme, nicht denkbar. Problematische Untersuchungssituationen, z. B. von Personen mit Polytraumata, Schwangeren und Kindern, würden von vornherein im teleradiologischen Betrieb unterbleiben bzw. diese Patienten würden unmittelbar in medizinische Zentren mit 24-stündiger Anwesenheit eines Vollradiologen vor Ort gebracht. Kontrastmittelzwischenfälle und die Gefahr zu hoher Strahlendosen seien keine radiologischen Notfälle, sondern würden in den Zuständigkeitsbereich eines Internisten bzw. Onkologen fallen. Nicht zuletzt sei der Ausfall des Arztes vor Ort, etwa durch Bewusstlosigkeit oder Tod, vom Ansatz her mehr als unwahrscheinlich anzusehen und könne außerdem durch Vertretungsregelungen aufgefangen werden. Ferner hält das VG Köln auch einen Notfall durch vollständigen Ausfall aller Kommunikationssysteme selbst in entlegeneren Orten für kaum denkbar. Selbst wenn ein solcher eher dem technisch-organisatorischen Bereich zuzuordnende Notfall vorliege, ließe sich dieser in Form einer Auflage und damit durch eine weniger als eine Versagung belastende Maßnahme regeln, mit welcher die ständige Erreichbarkeit entsprechender Techniker verlangt werden könne. Das VG Köln kommt demzufolge zu dem Ergebnis, die Genehmigungsvoraussetzung des § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV verstoße als unangemessen oder nicht erforderlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könne daher nicht die Berufsausübungsfreiheit in verfassungsmäßiger Weise beschränken.

Die Ausführungen des VG zur Unverhältnismäßigkeit des sog. „Regionalprinzips“ überzeugen jedoch nicht, da diese Anforderung vom Gesetzgeber in mehrfacher Hinsicht begründet worden ist:

Sinn und Zweck dieser Genehmigungsvoraussetzung ist nach der Begründung zu § 3 Abs. 4 des „Entwurfs der Verordnung zur Änderung der Röntgenverordnung und anderer atomrechtlicher Verordnungen vom 13.02.2002“ (BR-Drucks. 230/02, S. 76) zum einen das Risiko des Patienten in besonders komplizierten Untersuchungsfällen zu reduzieren und zum anderen einer überregionalen Ausweitung teleradiologischer Kommunikationssysteme entgegenzuwirken. Diese Zielsetzungen sind jedoch verhältnismäßig, da es sich um eine gesetzliche Ausnahme zu dem Grundsatz handelt, dass sich der für das Stellen der rechtfertigenden Indikation befugte Arzt am Ort der Untersuchung oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten muss (s. a. § 2 Nr. 24, § 23 Abs. 1 S. 5 RöV) und die größere räumliche Entfernung des die rechtfertigende Indikation stellenden Arztes vom Ort der Untersuchung zu Nachteilen für den Patienten, insbesondere zu im Einzelfall ungerechtfertigten Strahlenexpositionen führen kann, da z. B. der Arzt den Patienten nicht persönlich untersuchen und die technische Durchführung der Untersuchung nicht unmittelbar beaufsichtigen kann (vgl. BR-Drucks. 230/02, S. 75).

Bereits die Prämisse des VG Köln, wonach die Regelung in § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV unverhältnismäßig sei, da Notfallsituationen im Rahmen der teleradiologischen Leistungserbringung nicht bekannt seien, die das Erfordernis der Genehmigungsvoraussetzung rechtfertigen würden, erscheint zweifelhaft und auch im Detail nicht zutreffend. Bereits der Einschätzung, wonach bei der Anwendung von Teleradiologie keine Notfallszenarien denkbar seien, die eine persönliche Anwesenheit des Teleradiologen verlangen, kann nicht gefolgt werden. Nur aufgrund der Tatsache, dass etwaige Notallsituationen im Bereich des Unwahrscheinlichen liegen, kann sich dennoch eine solche Mög-lichkeit ergeben. So kann sich beispielsweise bei einer teleradiologischen Untersuchung ein interventionell-radiologisch notfallmäßig therapiebedürftiger Befund ergeben, der es erfordert, dass der Teleradiologe die Intervention selbst vor Ort durchführen muss. Ferner mag es zwar üblich sein, dass Kinder oder Schwangere unmittelbar in medizinische Zentren mit 24-stündiger Anwesenheit eines Vollradiologen vor Ort gebracht werden. Es sind jedoch nicht solche Notfälle auszuschließen, in denen das Transportrisiko für einen solchen Patienten zu hoch wäre und daher eine Untersuchung durch den Teleradiologen vor Ort erforderlich wäre. Bezüglich eines denkbaren Totalausfalls des technischen Netzwerkes ist das VG Köln der Ansicht, dass für diesen Fall auch eine mit der Genehmigung verbundene Auflage genüge, wonach die Erreichbarkeit entsprechender Techniker gewährleistet sein müsse. Dem ist entgegen zu halten, dass die Reparatur der technischen Kommunikationssysteme nicht nur viel Zeit in Anspruch nehmen kann, sondern ggf. aus technischen Gründen gar nicht möglich ist. In dieser Zeit kann es jedoch zum vorrangigen Schutz des Patienten zwingend erforderlich sein, dass der Teleradiologe rechtzeitig am Ort der Untersuchung präsent ist. Auch bei Kontrastmittelzwischenfällen kann die Erforderlichkeit der persönlichen Anwesenheit eines Radiologen per se nicht ausgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat sich das VG Köln nicht mit dem weiteren gesetzgeberischen Ziel dieser Regelung, dem Entgegenwirken einer überregionalen Ausweitung teleradiologischer Kommunikationssysteme auseinandergesetzt. Nach Ansicht des Verordnungsgebers sind auch bei einem teleradiologischen Betrieb „persönliche Kontakte zwischen dem Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz und dem Arzt am Ort der Untersuchung zum Nachteil des Patienten“ erforderlich. Grundsätzlich soll daher der nach § 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 RöV verantwortliche Arzt auch derjenige sein, der erforderlichenfalls innerhalb einer angemessenen Frist am Untersuchungsort eintreffen kann. Der Zeitraum bis zum Eintreffen des Arztes mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz sollte nach der Begründung grundsätzlich nicht länger als 45 min betragen. Dieser Zeitraum für den Vollradiologen, der bis zu seinem Eintreffen am Ort der technischen Durchführung im Rahmen der Teleradiologie gefordert wird, erscheint nicht unverhältnismäßig hoch. Für den regulären radiologischen Betrieb wird es nach der Rechtsprechung nicht als ausreichend angesehen, dass der Radiologe „innerhalb von 15 Minuten auf Abruf zur Verfügung steht“ (vgl. OLG Stuttgart NJW 1983, 2644).

Schließlich hat der Verordnungsgeber als Möglichkeit vorgesehen, dass für den Fall, dass der Antragsteller im Genehmigungsverfahren gute Gründe dafür geltend, dass der Arzt nach § 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 RöV nicht selbst innerhalb eines entsprechenden Zeitraumes vor Ort sein kann, die Behörde die Genehmigung zur Teleradiologie auch erteilen kann, wenn im Einzelfall gewährleistet ist, dass eine andere Person nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 RöV rechtzeitig am Ort der Untersuchung eintrifft. Diese Regelungen sowie die Begründung des Verordnungsentwurfs machen deutlich, dass die RöV auch im Rahmen der Teleradiologie, als Minus zur radiologischen Regelversorgung, eine gewisse räumliche Nähe zwischen dem Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz und dem Arzt am Ort für erforderlich hält. Diese Genehmigungsvoraussetzung ist im Ergebnis nicht unverhältnismäßig, da sie dem Umstand Rechnung trägt, dass unter der Prämisse eines bestimmten typischen – ausgedünnten – Versorgungsbildes, nämlich der Gegebenheiten während der Nacht sowie an Wochenend- und Feiertagen, „die Anwesenheit des indizierenden Arztes beim Patienten zumindest in personeller Hinsicht gemindert“, jedoch nicht vollständig aufgehoben werden soll (vgl. OVG NRW Beschluss vom 18.12.2007, Az.: 20 A 943/07).

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Fazit

Das hier besprochene Urteil des VG Köln vom 28.01.2010 – Az.: 13 K 1158/06 ist die 1. Entscheidung, die sich im Detail mit der Verfassungsmäßigkeit der Vorgaben des § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV befasst hat und diese für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig hält. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat bislang in dem anhängigen Berufungsverfahren (Az.: 20 A 497/10) noch keine Entscheidung getroffen.

Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel, dass das Urteil des VG Köln einer zweitinstanzlichen Gerichtsprüfung Stand halten wird. So darf nicht unbeachtet bleiben, dass die Teleradiologie nur eine Ersatzlösung für die radiologische Regelversorgung darstellt, die sich beschränkt auf Versorgungslücken während der Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste. Vor dem Hintergrund der Forderung des Verordnungsgebers, dass auch bei der Anwendung der Teleradiologie der „persönliche Kontakt zwischen dem Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz und dem Arzt am Ort der Untersuchung“ gewährleistet sein muss, behält das sog. „Regionalprinzip“ weiterhin seine Berechtigung. Durch das „Regionalprinzip“ kann sichergestellt werden, dass dem Patienten im Rahmen teleradiologischer Untersuchungen keine Nachteile entstehen, die nicht mehr im Verhältnis zu den mit der Teleradiologie verbundenen Vorteilen stehen.

Es bleibt somit mit Spannung abzuwarten, ob das OVG NRW dieser kategorischen Verneinung möglicher Notfallszenarien im Rahmen der teleradiologischen Leistungserbringung durch das VG Köln folgen und die Unverhältnismäßigkeit des Regionalprinzips in § 3 Abs. 4 Nr. 6 RöV bestätigen wird.

Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

Dr. Ulrike Tonner
Rechtsanwältin

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