"Ist noch Kaffee da"? fragt Bernd seine Kollegin Nadja. "Ich hab' jetzt leider keine
Zeit, schon wieder welchen zu kochen!" entgegnet sie schnippisch und knallt die Tür
beim Hinausgehen.
"Man müsste mal wieder die Maschinen im ersten Stock reinigen" sagt der leitende Pfleger
Hans während der Teambesprechung. Als nach 3 Tagen immer noch nichts passiert ist,
erledigt er es schließlich zähneknirschend selbst.
"Du Melanie," sagt Jörg zu seiner Kollegin, "die Maschine in Zimmer 2 war heute früh
nicht richtig angeschlossen". Gereizt antwortet sie: "Ich hatte heute aber Zimmer
3, ich kanns also ausnahmsweise mal nicht gewesen sein", und lässt den verdutzten
Kollegen stehen.
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Das sind nur 3 Beispiele für Irritationen, wie sie im Pflegealltag immer wieder auftreten.
Streit und Frust sind leider häufig die Folge. Was zurück bleibt, ist bei Nadja vielleicht
ein gedachtes "So ein Macho, hält der mich vielleicht für seine Dienstmagd?", bei
Bernd dagegen ein leise gemurmeltes "So eine Zicke, wie ist die denn heute wieder
drauf?". Hans wird sich beim Putzen der Maschinen nach Dienstschluss denken: "Wenn
die so weitermachen, können sie sich bald einen anderen Doofen suchen ...". Und auf
Jörgs hilfloses "Das hab' ich doch gar nicht sagen wollen" reagiert Melanie gar nicht.
Sie denkt: "Jaja, ich weiß doch, dass du nur an mir rummeckern willst, weil ich erst
kurz im Team bin."
Worin liegen die Ursachen für solche Missverständnisse? Was kann man ändern, damit
es nicht dazu kommt? Die Erkenntnisse der Kommunikationsforschung helfen uns, die
beschriebenen Unstimmigkeiten zu erklären und Regeln zu finden, mit deren Hilfe man
Konflikten vorbeugen und die Kommunikation einfacher und besser machen kann.
Ursachen für Missverständnisse
Eine grundsätzliche Erkenntnis ist die, dass Kommunikation nicht "eindimensional"
ist, sondern immer verschiedene Seiten und Möglichkeiten hat. So haben Psychologen
schon vor vielen Jahren festgehalten, dass jeder Mensch seine "eigene" Wirklichkeit
hat, und dass es keine allgemeingültige "Wahrheit" gibt. Diese These bestätigt sich
eindrucksvoll, wenn man etwa Zeugen nach einem Unfallhergang befragt. Oft bekommt
man hier komplett verschiedene Versionen zu hören, bis hin zur Farbe der beteiligten
Autos und dem Geschlecht ihrer Fahrer.
Daraus folgt, dass auch Kommunikation von jedem Menschen anders erlebt wird. Dabei
spielen die Erfahrungen, Werte und Motive jedes Einzelnen eine Rolle. So wird zum
Beispiel jemand, der von Kindheit an gelernt hat, dass es schlimm ist, Fehler zu machen,
möglicherweise empfindlich auf Äußerungen reagieren, die eine (scheinbare) Schuldzuweisung
enthalten.
Basierend auf diesen grundsätzlichen Erkenntnissen veröffentlichte Friedemann Schulz
von Thun Anfang der 1980er-Jahre sein Modell von den "4 Ohren". Es besagt, dass jede
Botschaft 4 verschiedene Ebenen besitzt. Schulz von Thun spricht hier von der Sachebene,
der Appellebene, der Beziehungsebene und der Selbstoffenbarungsebene einer Botschaft.
Diese Ebenen kann sowohl der Sender als auch der Empfänger einer Botschaft frei wählen.
Kehren wir kurz zurück zu unseren Pflegekollegen vom Anfang. Hier wird deutlich, was
Schulz von Thun mit seinem Modell aussagen will: Die Frage nach dem Kaffee, die von
Bernd vielleicht gar nicht als Forderung gemeint hat, wird von Nadja aber als solche
interpretiert. Da sie das offensichtlich nicht mag, reagiert sie sauer. Die als Bitte
gemeinte Äußerung von Hans wird von seinen Kollegen nicht als solche verstanden. Deshalb
fühlt sich keiner aufgefordert, die Maschinen zu reinigen. Entsprechend frustriert
bleibt Hans zurück. Melanie gerät mit Jörg aneinander, weil sie seine Feststellung,
die Maschine sei falsch angeschlossen gewesen, als (unberechtigte) Schuldzuweisung
interpretiert. Das bringt sie in Rage.
Bild: Thieme Verlagsgruppe, Fotograf/Grafiker: F. Witte
Nun könnte man fragen: Wer ist denn Schuld an solchen Missverständnissen? Wer muss
etwas ändern? Die Antwort lautet: Niemand ist "Schuld", denn niemand kann etwas für
seine Persönlichkeit. Aber alle können etwas tun.
Lösungsstrategien
Zwei wichtige Regeln für Kommunikation lauten:
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Der Sender einer Nachricht sollte sich um eine möglichst klare, eindeutige und wertschätzende
Ausdrucksweise bemühen. Hans sollte also sagen: "Ich möchte, dass bis übermorgen die
Maschinen im ersten Stock gereinigt werden. Wer würde das machen?"
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Der Empfänger einer Nachricht sollte bewusst die Möglichkeit einkalkulieren, dass
er diese nicht so empfängt, wie sie der Sender gemeint hat. Nadja könnte also Bernd
fragen: "Möchtest Du, dass ich neuen Kaffee koche?" Wenn er das bestätigt, kann sie
höflich ablehnen. Wenn nicht, braucht sie sich nicht zu ärgern.
Noch eines zum Schluss: Die Befolgung der Regeln ist nur möglich, wenn man sich davon
frei macht, die Botschaften anderer sofort zu interpretieren. Es ist notwendig, dass
man sie sozusagen "wörtlich" nimmt, ohne dahinter etwas zu vermuten. Zwischen Jörg
und Melanie hätte es sicher nicht gekracht, wenn Melanie zum Beispiel mit einem einfachen
"Aha" reagiert hätte. Jörg hätte dann die Frage der Verantwortung klar ansprechen
müssen, wenn das seine Absicht gewesen wäre.