Das Peritoneum als "Hauptakteur" der Bauchfelldialyse stand im Fokus des 17. Essener
Peritonealdialyse-Gesprächs, das im November letzten Jahres unter der Leitung von
Prof. Andreas Kribben, Direktor der Klinik für Nephrologie des Universitätsklinikums
Essen, PD Heike Bruck und Fachpflegekraft Ina Wiegard-Szramek, Universitätsklinikum
Essen, stattfand. Im ersten Veranstaltungsteil wurde das Bauchfell umfassend aus pathologischer,
radiologischer und nephrologischer Sicht beleuchtet. Der zweite Veranstaltungsteil
widmete sich dann dem Management der PD-assoziierten (PD: Peritonealdialyse) Peritonitis
sowie den Themenbereichen intraperitoneale Druckmessung, assistierte PD und Peritonealdialyse
bei Diabetes mellitus.
Das Peritoneum aus der Sicht der Pathologie
Das Peritoneum aus der Sicht der Pathologie
Bei Peritonealdialysepatienten können im Laufe der Zeit Veränderungen der peri-tonealen
Morphologie und Funktion auftreten, wie Prof. Kerstin Amann, Erlangen, ausführte.
Das Bauchfell besteht aus verschiedenen Schichten, erkennbar werden PD-assoziierte
Veränderungen am Mesothel, der äußeren Zellschicht und "Barriere" der Serosa. In elektronenmikroskopischer
Vergrößerung werden die zahlreichen Mikrovilli der polygonalen Zellen des Mesothels
sichtbar. Mitunter zeigen sich Veränderungen in der Formation der Mikrovilli, auch
können Degenerationen an den mesothelialen Zellen auftreten, die sich u. a. auch sarkomatoid
verändern, also bösartig werden können.
Ein bei Peritonealdialysepatienten häufig auftretendes Phänomen ist die Vermehrung
des submesothelialen Gewebes. Dieses ist mit 2 Erkrankungen assoziiert, die allerdings
mit sehr unterschiedlichen Prognosen einhergehen: die "einfache" peritoneale Fibrose/Sklerose
(PF oder PS) mit Störung der Ultrafiltrationsfunktion und die enkapsulierende peritoneale
Sklerose (EPS). Die Inzidenz der EPS ist zwar mit 2,5 % relativ niedrig, doch die
Erkrankung ist lebensbedrohlich. Derzeit stehen keine einfachen diagnostischen Marker
zur Differenzierung der PF und EPS zur Verfügung. Außerdem ist die Pathogenese der
EPS nicht eindeutig geklärt und man konnte keine histologischen Prognoseparameter
der EPS identifizieren.
Um diese offenen Fragen zu klären, initiierte man das Deutsche Peritonealbiopsieregister.
Die zentrale webbasierte Datenbank soll zukünftig jeden Patienten erfassen, der einen
PD-Katheter implantiert oder explantiert bekommt, oder sich einem abdominalchirurgischen
Eingriff unterziehen muss. Auch Patienten mit EPS, die peritonektomiert werden, sollen
in das Register aufgenommen werden. Die Entnahme, Weiterbearbeitung und Befundung
von Peritonealbiopsien erfolgt standardisiert. Durch das Register erhofft man sich
valide klinische und wissenschaftliche Erkenntnisse - allem voran die Identifizierung
von prädiktiven Markern, die eine frühzeitige Differenzierung zwischen PF und EPS
erlauben.
Das Peritoneum aus der Sicht der Radiologie
Das Peritoneum aus der Sicht der Radiologie
Zwar ist die Differenzierung zwischen PF und EPS auch radiologisch nicht möglich,
aber generell können PD-assoziierte Veränderungen und Komplikationen mit verschiedenen
Methoden der radiologischen Bildgebung dargestellt und diagnostiziert werden, wie
PD Hilmar Kühl, Radiologe am Universitätsklinikum Essen, erläuterte. Oft kommt die
konventionelle Röntgendiagnostik zum Einsatz, mittels derer zum Beispiel die Katheterposition
oder auch Verkalkungen im Peritoneum gut erkennbar sind. Einschränkend ist jedoch
die Tatsache, dass diese Untersuchungsform mit einer Strahlenbelastung einhergeht
und die Darstellung für feindiagnostische Zwecke nicht ausreicht. Die Schichtaufnahmen
der Computertomografie (CT) und CT-Peritoneografie bringen auch eine relevante Strahlenbelastung
mit sich und werden mit potenziell nephrotoxischem Kontrastmittel durchgeführt, sind
aber aussagekräftiger.
Die CT-Peritoneografie hat sich als Methode der Wahl bei PD-Komplikationen etabliert,
da Verteilungsräume, Leckagen, Hernien oder eine inkomplette Verteilung durch peritonitische
Adhäsionen gut beurteilt werden können. Für die CT-Peritoneografie wird jodhaltiges
Kontrastmittel zusammen mit der Dialyseflüssigkeit in die Bauchhöhle instilliert und
nach einer 30-minütigen Mobilisation zur besseren Verteilung wird dann das CT durchgeführt.
Vorteile gegenüber dem herkömmlichen CT sind eine klarere Demarkierung von intra-
und extraperitonealem Raum sowie die Abbildung des Verteilungsverhaltens.
Die Kernspintomografie/MRT (Magnetresonanztomografie) bietet zwar noch weitere Vorteile
wie einen überlegenen Weichteilkontrast, keine Strahlung und die Möglichkeit, im Vergleich
zur Peritoneografie auf jodhaltige Kontrastmittel zu verzichten. Sie ist aber für
den Routineeinsatz wegen der hohen Kosten nicht zu rechtfertigen. Bei der Verwendung
gadoliniumhaltiger MRT-Kontrastmittel bei Dialysepatienten besteht darüber hinaus
das Problem der nephrogenen Systemfibrose (NSF). Dies ist eine schwere, zum Tode führende
Erkrankung, die - wenn auch nur in seltenen Fällen - auftreten kann. Eine MRT mit
Kontrastmitteln sollte man daher nur bei dringender Indikation (z. B. bei Tumorverdacht)
bei Dialysepatienten durchführen.
Das Peritoneum aus der Sicht der Nephrologie
Das Peritoneum aus der Sicht der Nephrologie
Die Herausforderung für den Nephrologen ist es, die einzelnen Informationen, gewonnen
aus Anamnese, Klinik, Laborparametern, Bildgebung und Biopsie, zu interpretieren und
aus der Gesamtheit der Befunde die richtige Diagnose und Therapieentscheidung zu treffen,
wie Bruck ausführte. Bei der PD ist diese Kompetenz des Nephrologen besonders gefragt:
Innerhalb der ersten 5 Jahre gehen dem Verfahren bis zu 50 % der Patienten aus methodenassoziierten
Gründen verloren.
Häufige Ursachen für einen Wechsel zur Hämodialyse (HD) sind rezidivierende Peritonitiden
oder der allmähliche Verlust der Ultraflitrations- und/oder Dialysekapazität der Peritonealmembran.
Letzteres kann durch eine abnehmende Funktion der Aquaporine, durch eine Vergrößerung
der Gefäßoberfläche (Neoangiogenese) sowie oft auch durch die bereits angesprochenen
morphologischen Veränderungen des Peritoneums hervorgerufen werden. Die Dicke der
submesothelialen Kompaktzone nimmt mit den Jahren an der PD zu, was zur Beeinträchtigung
und schließlich zum Versagen der Ultrafiltration (UF) führen kann. Eine wichtige Aufgabe
des Nephrologen ist daher die regelmäßige Überwachung der peritonealen Funktion ("peritoneal
equilibration test" (PET), Aquaporintest, Erfassung der Kreatinin- und Harnstoff-Wochen-Clearance,
Erfassung der täglichen UF), um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Weitere aufschlussreiche Kriterien der EPS-Diagnose liefern vor allem die Anamnese
- das EPS-Risiko steigt mit Dauer der PD und Anzahl der Peritonitiden - und natürlich
die Klinik, da bei EPS-Patienten häufig gastrointestinale Beschwerden und Inflammationssymptome
auftreten. Bildgebung, Biopsie und Biomarker im Dialysat können die Diagnostik ergänzen.
Die intraperitoneale Druckmessung - ein zu selten genutztes "Tool"
Die intraperitoneale Druckmessung - ein zu selten genutztes "Tool"
Die osmotische Filtration, die bei der PD als Therapieprinzip zugrunde liegt - im
Vergleich zur hydrostatischen Filtration bei der HD -, addiert sich aus dem freien
Wassertransport über die Aquaporine und dem Transport kleiner Moleküle. Doch der osmotischen
Filtration wirkt der Prozess der Reabsorption entgegen und mindert die Ultrafiltration.
Ein Teil der Reabsorption ist lymphatisch bedingt, der größere Teil entsteht durch
subperitoneale Flüssigkeitsverluste. Die subperitoneale Reabsorption ist wiederum
abhängig vom hydrostatischen Druck, der durch die intraperitoneale Druckmessung (IPP)
erfasst werden kann.
PD Rainer Büscher, Klinik für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum Essen, führte
aus, wann die IPP bei PD-Patienten indiziert ist: zur Optimierung der Dialyseeffizienz
bei PD-Beginn, zur Anpassung des Füllvolumens im Verlauf sowie beim Auftreten von
Organomegalien. Der richtige Druck ist entscheidend für die UF, denn bei niedrigem
IPP nehmen Einlaufmenge und Dialyseeffizienz ab, bei zu hohem Druck wiederum kommt
es zu abdominellen Beschwerden, Reflux, Dyspnoe, sowie zu Lecks und vermehrter lymphatischer
Rückresorption. Die IPP ist in der pädiatrischen Nephrologie bereits ein weit etabliertes
Verfahren, kommt bei Erwachsenen aber noch zu selten zum Einsatz. Dabei könnte sie
gerade bei Patienten mit hohem Reabsorptionsgrad zur Optimierung des PD-Verfahrens
beitragen.
Management der peritonealdialyseassoziierten Peritonitis
Management der peritonealdialyseassoziierten Peritonitis
16 % aller Todesfälle bei PD-Patienten werden durch eine Peritonitis verursacht, doch
nur bei 4 % aller Patienten verläuft eine Peritonitis tödlich. Die Bauchfellentzündung
ist also ein für die Praxis wichtiges Problem - die Inzidenzrate ist jedoch bei einer
Peritonitis pro 60 Behandlungsmonate pro Patient sehr niedrig. Wichtig ist daher die
Prävention, wie Ina Wiegard-Szramek, Universitätsklinikum Essen, betonte. Neben der
prophylaktischen Antibiotikagabe bei Katheterimplantation zählt dazu die sorgfältige
Exitpflege, die bereits im perioperativen Stadium beginnen muss. Wichtig ist auch
die Mitarbeit des Patienten, weshalb spezielle Schulungsprogramme notwendig sind.
Der Patient muss den Auslauf beurteilen können und bei Problemen rechtzeitig vorstellig
werden.
Die Diagnose der Peritonitis erfolgt dann gemäß der neuen Richtlinien der ISPD ("International
Society for Peritoneal Dialysis") aus dem Jahr 2010 durch Bestimmung der Leukozytenzahl
im Dialysat. Ein trübes Diaylsat mit mehr als 100 Leukozyten/µl, davon mehr als 50
% neutrophile Granulozyten, diagnostiziert die Peritonitis zuverlässiger als die Leukozytenerhöhung
allein. Hat der Patient hohes Fieber und zeigt Anzeichen einer Sepsis, wird zusätzlich
zu den obligatorischen Dialysatkulturen und Standardblutuntersuchungen auch eine Blutkultur
angelegt.
Wie Iva Poludniak, Nephrologisches Zentrum Velbert, erläuterte, sollte beim Vorliegen
einer Peritonitis sofort mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden, bei Bedarf
auch mit einer begleitenden Schmerztherapie. Kommt es innerhalb von 24-96 Stunden
nicht zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik und Reduktion der Leukozytenzahl
im Dialysat, muss eine weiterführende Diagnostik und Re-Evaluation der Befunde erfolgen.
Als ultima ratio ist die Laparotomie und Katheterexplantation zu erwägen.
Assistierte PD durch den Pflegedienst
Assistierte PD durch den Pflegedienst
Sehr alte oder auch multimorbide Patienten können die Peritonealdialyse häufig nicht
mehr selbst durchführen, auch schaffen sie es nicht - zum Beispiel aufgrund nachlassender
Sehleistung -, Anzeichen einer Peritonitis oder andere PD-assoziierte Komplikationen
rechtzeitig zu erkennen. Doch die Zentrumsdialyse ist für diese Patienten oft keine
Alternative - insbesondere, wenn sie bettlägerig und nicht mehr transportfähig sind.
Eine gute Option stellt dann die assistierte PD durch einen Pflegedienst dar, wie
Frank Erbschloe von "Das Pflegeteam", Wuppertal, erläuterte. Geschulte Pflegekräfte
führen die Peritonealdialyse durch und stehen in engem Kontakt mit dem betreuenden
nephrologischen Zentrum. Selbst die Kostenerstattung ist in der Regel kein Hindernis,
muss allerdings im Vorfeld mit der Krankenkasse geklärt werden.
PD bei Diabetes mellitus? Yes, we can!
PD bei Diabetes mellitus? Yes, we can!
Die PD galt jahrelang wegen der glukosehaltigen PD-Lösungen als kontraindiziert bei
Diabetikern. Mittlerweile hat in dieser Frage aber ein Paradigmenwechsel stattgefunden,
wie Dr. Bertil Oser, Bernkastel-Kues, erklärte. Die neue Praxisleitlinie der Deutschen
Diabetesgesellschaft [1] empfiehlt nun sogar die PD als "First-line"-Verfahren bei diabetischen Patienten.
Bei der PD verhindert die gleichmäßige und langsame UF hypotensive Episoden und die
Nierenrestfunktion bleibt länger erhalten. Die PD ist zudem für die von kardiovaskulären
Begleitproblemen häufig betroffenen Diabetiker besonders günstig, weil die kardial
belastende AV-Fistel (AV: arteriovenös) bei diesem Verfahren obsolet ist. Mittlerweile
sind auch glukosefreie PD-Lösungen auf dem Markt. Zudem kann man bei glukosehaltigen
Lösungen möglichen Hyperglykämien durch die Anpassung der Insulinzufuhr vorbeugen.
Das Insulin sollte in jedem Fall nicht in den Bauch oder die Arme, sondern auf die
Körperseite gespritzt werden, um den PD-Katheter zu schonen sowie auch die Arme, falls
zukünftig die Anlage eines Shunts notwendig wird.
Oser führte aus, dass er den Patienten aber nicht nur Insulinalgorithmen an die Hand
gibt, sondern auch Bewegungsalgorithmen. Die sollen die Patienten zu mehr körperlicher
Aktivität motivieren, denn die senkt den Blutzuckerspiegel effektiv und könnte die
Glukosemehrbelastung durch die PD ausgleichen.
Dr. Bettina Albers, Weimar
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care
GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom "17. Essener Peritonealdialyse-Gespräch", Universitätsklinikum
Essen, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Autorin ist Mitarbeiterin der PR-Agentur albersconcept, Weimar.
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