Diabetes aktuell 2011; 9(04): 152-154
DOI: 10.1055/s-0031-1283071
Magazin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diabetes mellitus – Tipps für Reisende

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Publication Date:
28 June 2011 (online)

 
 
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(Foto: Fotolia, Fotograf: Christian Wheatley)

Das Centrum für Reisemedizin (CRM) hat praktische Tipps und Hinweise für die Beratung von Menschen mit Diabetes, die auf Reisen gehen möchten, zusammengefasst.

Reisefähigkeit

Generell

  • Gegeben unter der Voraussetzung einer stabilen (im Zweifel besser hochnormalen) Blutzuckereinstellung, guter Selbstmanagementfähigkeiten und aktueller Untersuchung auf das Vorliegen von Folgeerkrankungen entsprechend den jeweiligen Leitlinien.

  • Reisekrankenversicherung/-rückholversicherung?


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Risikoabwägung

Reiseanalyse

  • Infrastruktur unterwegs?

  • Infektionsrisiken absehbar? Vermeidbar?

  • Jetlag-Problematik relevant? Verkürzung des Tages und damit des Insulinbedarfs auf Ostflügen!

  • Zugang zu bekannten, einschätzbaren Lebensmitteln?

  • Aktivitätsniveau unterwegs? Erfahrungen damit, mit den Auswirkungen auf die Stoffwechsellage und ggf. den Insulinbedarf?

  • Ungünstige Verstärkung von Belastungen und Folgeschäden (etwa Trekking bei diabetischem Fußsyndrom) absehbar?

Krankheitsbild

  • Aktueller Überblick über die Güte der Stoffwechseleinstellung sollte vorliegen, einschließlich Informationen über Folgeschäden (Nierenfunktion, Koronarien, Augenhintergrund, Polyneuropathie, Füße).

  • Krankheitsverständnis ist gerade in besonderen Situationen unterwegs (Gastroenteritis, fieberhafte Erkrankungen, Fehleinschätzung des Kohlenhydratanteils, ungeplanter Tagesablauf, ungewohnte körperliche Belastung, Alkoholkonsum) essenziell. Ggf. Nachschulung!

  • Änderungen der Einstellung nach Möglichkeit nicht kurz vor der Reise vornehmen.

Medizinische Versorgung

  • Ärztlicher Kurzbrief über Diagnose und aktuelle Therapie in Englisch (oder Französisch) mitgeben, darin Generika und Dosierung angeben.

  • Bei Insulinmedikation Bescheinigung über das Mitführen von Injektionsmaterial ausstellen.

  • Stationäre Behandlung mit Labor einschl. Blutgasanalyse und funktionierender Medikamentenversorgung sollte zur Versorgung bei schweren Stoffwechselentgleisungen verfügbar sein.

  • Rückholung bei schweren Stoffwechselentgleisungen, wenn lokale Behandlungskompetenz fehlt, bei Weichteilinfektionen und akuten kardiovaskulären Ereignissen je nach lokaler Versorgung zu empfehlen.


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Spezielle Versorgung

Untersuchungen

  • Untersuchung auf Einstellungsqualität oder Folgeerkrankungen fällig (Retina, pAVK, Proteinurie, autonome und periphere Neuropathie, KHK)?

  • Nachschulung von Patient und Begleitperson sinnvoll?

  • Internationaler Diabetiker-Ausweis?

  • Zollbescheinigung für Spritzen und Kanülen?

  • Dokumentation und Serviceadressen im Zielland für eine evtl. Insulinpumpe mitnehmen!

  • 2–3-fachen voraussichtlichen Bedarf an Medikamenten und Testmaterial mitnehmen.

  • Risikostreuung zwischen Hand- und Reisegepäck.

  • Evtl. Privatrezept zur Ersatzbeschaffung verlorener Medikamente mitgeben.

  • Teststreifen mit visueller Ablesung und breitem Messbereich bevorzugen.

  • Ersatzbatterien für BZ-Messgerät.

  • Traubenzucker mitnehmen und insektensicher verpacken.

  • Glukagon verfügbar und auch unterwegs noch haltbar?

  • Kühlungsmöglichkeit auf Reisen oder im Hotelzimmer?

  • Mitgabe eines Antibiotikums zur Akutintervention (z. B. Ciprofloxacin, Azithromycin).

Impfschutz

  • Grundkrankheit, daher zusätzlich Pneumokokken- und Influenzaimpfung.

  • Risiko von Flüssigkeitsverlusten durch ETEC-bedingte Reisediarrhö sollte durch vorherige Schluckimpfung gegen Cholera/ETEC reduziert werden.

  • Reisemedizinische Impfungen sonst unverändert, jedoch wegen evtl. Behandlung im Gastland Hepatitis-B-Impfung empfehlenswert.

  • Fieberreaktion auf Impfungen kann Ketoazidose hervorrufen.

Malariaprophylaxe

  • Wirkungsverstärkung von Insulin durch Tetrazykline (auch Doxycyclin)!

  • Chinin (nur zur Therapie) induziert Hypoglykämien!

  • Interaktionen der zusätzlichen Medikation vor der Reise prüfen.


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Besondere Umwelteinflüsse

Flugreise

  • Bei Zeitzonenflügen müssen die eingesparten Stunden (Ostflug) und können die gewonnenen Stunden (Westflug) bei der morgendlichen Basalinsulininjektion zeitanteilig berücksichtigt werden.

  • Häufige Kontrollen des BZ an Bord bei insulinbehandelten Patienten (ggf. Wecker stellen).

  • Insulin im Flugzeug erst dann spritzen, wenn erwartete Mahlzeit den Patienten erreicht hat (Cave: Einstellen des Verteilens von Essen, wenn der Pilot Anschnallpflicht wegen Turbulenzen anordnet).

  • Druckschwankungen im Reservoir einer Insulinpumpe können Förderraten verändern.

  • Bei pAVK, KHK oder Retinopathie Funktionsminderung und Gewebeuntergang durch Sauerstoffminderversorgung beschrieben.

Tropenklima

  • Vermutlich schlechtere Glukosetoleranz bei Hitze.

  • Verminderte Haltbarkeit von Glukagon beachten.

  • Insulin wird durch Sonnenlicht inaktiviert.

  • Manche Teststreifen sind UV-empfindlich.

  • Insulin und Glukagon auf keinen Fall einfrieren oder über 40° C lagern, ggf. Kühlung (Thermoverpackung).

  • Sorgfältige Desinfektion und Abdeckung von kleinen Wunden.

  • Messgeräte schalten bei zu hohen Temperaturen evtl. ab! Teststreifen messen bei hohen Temperaturen zu hohe BZ-Werte, bei sehr niedrigen Temperaturen (< 14° C) zu niedrige BZ-Werte.

  • Cave: Gefahr des hyperosmolaren Komas bei Zusammentreffen von Hitze/Dehydratation und Reisedurchfall!

  • Cave: erhöhte Gefahr von Hautinfektionen (Pilz)!

  • Die Adaptation des Herz-Kreislauf-Systems an Hitzebelastung kann eingeschränkt sein. Kardiopulmonale Risiken abklären/beachten!

Wüstenklima

  • Vermutlich schlechtere Glukosetoleranz bei Hitze.

  • Cave: Gefahr des hyperosmolaren Komas bei Zusammentreffen von Hitze/Dehydratation und Reisedurchfall!

  • Gefahr von Verbrennungen beim Barfußgehen auf heißem Sand oder Fels und peripherer Neuropathie.

  • Kühlung (Thermoverpackung) für Insulin und Glukagon sinnvoll!

  • Insulin und Glukagon auf keinen Fall einfrieren oder über 40° C lagern!

  • Insulin wird durch Sonnenlicht inaktiviert.

  • Manche Teststreifen sind UV-empfindlich.

  • Messgeräte schalten bei zu hohen Temperaturen evtl. ab! Teststreifen messen bei hohen Temperaturen zu hohe BZ-Werte, bei sehr niedrigen Temperaturen (< 14° C) zu niedrige BZ-Werte. Unter 0° C keine Messung möglich!

  • Die Adaptation des Herz-Kreislauf-Systems an Hitzebelastung kann eingeschränkt sein. Kardiopulmonale Risiken abklären/beachten.

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(Foto: Fotolia, Fotograf: Alex Q)

Höhenaufenthalt

  • Erhöhte Gefahr von Erfrierungen und von Druckschäden in nicht eingelaufenen Schuhen bei Mikroangiopathie, pAVK und Neuropathie (optimal passendes Schuhwerk unbedingte Voraussetzung!).

  • Schwierige DD akute Bergkrankheit vs. Stoffwechselentgleisung, Kontrollmessungen!

  • Sorgfältige Überwachung des Flüssigkeitshaushaltes (Cave: ketoazidotisches Koma!).

  • Insulin wird durch Sonnenlicht inaktiviert.

  • Manche Teststreifen sind UV-empfindlich.

  • Insulin und Glukagon auf keinen Fall einfrieren oder über 40° C lagern.

  • Bei fortgeschrittener pAVK, KHK oder Retinopathie Funktionsminderung und Gewebeuntergang durch Sauerstoffminderversorgung möglich.

  • Cave: weitere Retinaschäden durch Zusammenwirken von diabetischer Retinopathie und höhenbedingten Retinablutungen denkbar, wenn auch noch nicht untersucht.

  • Teststreifen messen bei sehr niedrigen Temperaturen (< 14° C) zu niedrige BZ-Werte. Unter 0° C keine Messung möglich.

  • Bei anstrengender Bergtour: morgens –1/3 der Insulineinheiten oder +1/3 der BE. Tagsüber pro Belastungsstunde + 1 BE und BZ-Kontrolle.

  • Nach mehrstündiger Belastung (abends) Reduktion der Insulindosis um 30 % und BZ-Kontrolle nach Belastungsende (nächtliche Hypoglykämiegefahr!).

  • Cave: Erfahrung mit belastungsabhängigen BZ-Verhalten und Fähigkeit zur Hypoglykämiewahrnehmung unabdingbare Voraussetzung.

  • Cave: Prävention akute Höhenkrankheit mit Acetazolamid (Diamox®) kontraindiziert! Gefahr der Ketoazidose!

Kälteexposition

  • Erhöhte Unterkühlungsgefahr bei Vorliegen einer diabetischen Neuropathie (beeinträchtigte periphere Gefäßkonstriktion).

  • Bei Unterkühlung erhöhte Gefahr der Ketoazidose und der Hypoglykämie.

  • Gefahr durch Erfrierungen bei pAVK und peripherer Polyneuropathie (optimal passendes Schuhwerk unbedingte Voraussetzung!). Fußkontrollen!

  • Insulin und Glukagon evtl. am Körper tragen, da nach Einfrieren wirkungslos!

  • Messgeräte schalten bei zu niedrigen Temperaturen evtl. ab! Teststreifen messen bei sehr niedrigen Temperaturen (< 14° C) zu niedrige BZ-Werte. Unter 0° C keine Messung möglich.

  • Es gibt Hinweise, dass Diabetiker ein erhöhtes Risiko für schmerzhafte Hautfissuren bei Kälteexposition haben ("Polar Hands"). Hautpflege (rückfettende Creme mit geringem Wassergehalt) anraten.


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Besondere Aktivitäten

Tauchsport

  • Nicht insulinbehandelt: bei stabiler Einstellung und gutem Trainingszustand möglich.

  • Insulinbehandelt: stabil eingestellt tauchsporttauglich, bei guter Kenntnis der Stoffwechsellage auch unter körperlicher Belastung, unter Mitnahme von Glukose als Paste oder in der angeschnallten Trinkflasche.

  • Blutzuckerkontrollen vor dem Tauchgang und innerhalb der ersten Stunde danach dringend empfohlen.

Leistungssport

  • Individuelle Entscheidung, beim insulinbehandelten Patienten nur sinnvoll im Rahmen gut kontrollierter langsam gesteigerter Intensität.

  • Bei Insulinmedikation Konflikt mit Dopingregeln vermeiden. Die für Ausnahmeanträge erforderlichen Formulare können im Downloadbereich von http://www.nada-bonn.de heruntergeladen werden.

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(Foto: creativ collection)

Berufliche Reisen

  • Abgesehen von den bereits aufgeführten Bedingungen keine weiteren Anmerkungen.

Langzeitaufenthalt

  • Sinnvoll nur, wenn Medikamente und Hilfsmittel im lokalen Gesundheitswesen beschafft und Komplikationen diagnostiziert und beherrscht werden können.

  • Dokumentation von Behandlung und Komplikationen in einem Arztbrief (z. B. in Englisch) wichtig.

  • Kontrollen analog den Behandlungsrichtlinien müssen möglich sein.


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Rückkehrer

Nachsorge

  • Besprechung des Tagebuchs und Inspektion der Füße, HbA1c, sonst entsprechend den Leitlinien.

  • Erweiterung der Untersuchung bei anamnestischen Hinweisen.

  • Grundsätzlich Augenhintergrund untersuchen nach Aufenthalt in extremen Höhen.

Quelle: CRM-Handbuch Reisen mit Vorerkrankungen 2010. CRM Centrum für Reisemedizin Düsseldorf 2009


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