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DOI: 10.1055/s-0031-1286685
71. Jahrestagung der American Diabetes Association – Neue Therapien bei Typ-2-Diabetes
Publication History
Publication Date:
30 August 2011 (online)
- Ergebnisse der Look-AHEAD-Studie
- Exenatide 1-mal wöchentlich (EQW)
- Neue Daten zum DPP-4-Hemmer Linagliptin
- Neue Daten zu Insulin Glargin
- SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin
Im Mittelpunkt der diesjährigen 71. Jahrestagung der American Diabetes Association (ADA) in San Diego standen einmal mehr neue Therapien bei Typ-2-Diabetes, insbesondere die Wirkstoffe Exenatide, Linagliptin und Dapagliflozin. Ein weiteres Highlight waren die 4-Jahres-Ergebnisse der Look-AHEAD-Studie.
Ergebnisse der Look-AHEAD-Studie
Look AHEAD (Action for Health in Diabetes) ist eine 13½-jährige US-amerikanische randomisierte kontrollierte Studie, bei der mehr als 5000 Personen mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes entweder die übliche Standardtherapie oder ein -Intensivprogramm zur Lebensstilintervention erhalten. Die im ersten Jahr beobachtete deutliche Verbesserung von HbA1c-Wert, Körpergewicht und Bewegungsverhalten war auch nach 4 Jahren noch klar erkennbar, wenngleich sich der Unterschied zwischen Standardtherapie und Intensivprogramm verringerte.
Besonderes Interesse fanden die Ergebnisse zur Subgruppe der krankhaft Adipösen, die bei anderen Studien häufig ausgeschlossen werden. Die Gewichtsabnahme betrug im ersten Jahr durchschnittlich 9 % und nach 5 Jahren immerhin noch 5 %. Von denen, die im ersten Jahr 10 % und mehr abgenommen hatten, konnte jeder Zweite diesen Erfolg zumindest bis ins vierte Jahr retten.
Durch Gewichtsabnahme ließ sich in Look-AHEAD die Prävalenz des Schlaf-Apnoe-Syndroms signifikant senken. Bemerkenswerterweise galt dies auch für Personen, welche nach einer initialen Gewichtsabnahme im Laufe von 4 Jahren wieder einen Teil zugenommen hatten. Die Autoren vermuteten, dass die verbesserte körperliche Fitness hierfür verantwortlich war. Enttäuscht zeigten sich allerdings die Autoren, dass von den Studienteilnehmern mit gesicherter Schlaf-Apnoe-Diagnose weniger als 8 % nach dem zweiten Studienjahr eine adäquate Therapie erhielten [M Espeland Abstr 1913-P].
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Exenatide 1-mal wöchentlich (EQW)
In der DURATION-(Diabetes therapy Utilization: Researching changes in A1C, weight and other factors Through Intervention with exenatide ONce weekly-)3-Studie war nach 26 Wochen Exenatide 1-mal wöchentlich (Exenatide Once Weekly = EQW) der Injektion von Insulin Glargin überlegen in Bezug auf HbA1c-Senkung, Hypoglykämierisiko und Gewichtsverlauf. Jetzt wurden die Ergebnisse der 84-wöchigen Verlängerungsstudie präsentiert. Von den ursprünglich 456 randomisierten Patienten beendeten 173 in jeder Gruppe das Follow-up von 84 Wochen. Die tägliche Dosis von Glargin stieg von 31 IE auf 35 IE zwischen Woche 26 und Woche 84. Die HbA1c-Senkung im Verlauf der 84 Wochen war unter EQW (–1,2 %) signifikant stärker als unter Glargin (–1,0 %; Differenz –0,2 %; Konfidenzintervall –0,3–0,0 %; p = 0,029). In der gleichen Zeit sank das Körpergewicht unter EQW um 2,1 kg, während es unter Glargin zu einer Gewichtszunahme von 2,4 kg kam [M Diamant et al. Abstr 0277-OR].
Auch die Ergebnisse der DURATION-1-Verlängerungsstudie wurden präsentiert. Am Ende der ursprünglichen 30-wöchigen Interventionsstudie war der HbA1c unter EQW (1,9 %) signifikant deutlicher gesunken als unter Exenatide 2-mal täglich (1,5 %) bei vergleichbarer Gewichtsabnahme in beiden Gruppen. In der Verlängerungsphase erhielten die Patienten open-label entweder weiterhin EQW oder wurden von Exenatide 2-mal täglich auf EQW umgestellt. Von den ursprünglich 295 Patienten waren nach 3 Jahren noch 194 (66 %) in der Studie. Die Senkung des HbA1c-Wertes betrug nach 3 Jahren 1,6 % (95 %-KI –1,7 bis –1,4). Der Ausgangswert zu Studienbeginn hatte bei durchschnittlich 8,2 % gelegen [T Moretto et al. Abstr 0969-P].
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Neue Daten zum DPP-4-Hemmer Linagliptin
In einer Posterpräsentation wurden die Ergebnisse einer vorab spezifizierten Metaanalyse aus 8 randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Phase-3-Studien zu den kardiovaskulären Ereignissen unter dem Dipeptidylpeptidase (DPP)-4-Hemmer Linagliptin vorgestellt. Primärer Endpunkt war die Kombination aus Tod infolge kardiovaskulärer Ursache, nicht-tödlichem Schlaganfall, nicht-tödlichem Myokardinfarkt sowie Hospitalisierung aufgrund instabiler Angina pectoris. Von den insgesamt 5239 Patienten (durchschnittlicher HbA1c 8,0 %) hatten 3319 Linagliptin (5 mg: 3159; 10 mg: 160) und 1920 Vergleichssubstanzen erhalten (Placebo: 977; Glimepirid: 781; Voglibose: 162). Den kombinierten primären Endpunkt erreichten 11 Personen (0,3 %) unter Linagliptin und 23 (1,2 %) unter den Vergleichspräparaten. Der Hazard ratio für den primären Endpunkt war für Lina-gliptin signifikant niedriger und betrug 0,34 (95 % Konfidenzintervall 0,16–0,70). Besonders deutlich war die Risikoreduktion für einen nicht-tödlichen Schlaganfall (Hazard Ratio 0,11; KI 0,02–0,51) [O-E Johansen et al. Abstr 0030-LB].
P. Gallwitz et al. präsentierten Daten aus einer Studie mit Typ-2-Diabetikern, welche neben einer stabilen Dosis von Metformin (≥ 1500 mg/d) randomisiert entweder Linagliptin 5 mg/d (n = 764) oder Glimepirid 1 bis 4 mg/d (n = 755) über einen Zeitraum von 2 Jahren erhalten hatten. Bei einem durchschnittlichen Ausgangs-HbA1c von 7,7 % in beiden Gruppen betrug die HbA1c-Senkung 0,4 %-Punkte unter Linagliptin versus 0,5 % unter Glimepirid (durchschnittliche Dosis 3 mg/d). Medikamenten induzierte Hypoglykämien waren unter Linagliptin signifikant seltener als unter Glimepirid (7,5 vs. 36,1 %; p < 0,0001). Während das Körpergewicht unter Linagliptin um 1,4 kg sank, erhöhte es sich um 1,3 kg unter Glimepirid (p < 0,0001).
Der kombinierte kardiovaskuläre Endpunkt (Tod infolge kardiovaskulärer Ursache, nicht-tödlichem Schlaganfall, nicht-tödlichem Myokardinfarkt, Hospitalisierung aufgrund instabiler Angina pectoris) ereignete sich bei 13 Patienten unter Linagliptin versus 26 unter Glimepirid (1,7 vs. 3,4 %, Relatives Risiko 0,50; 95 %-KI 0,26–0,96; p = 0,04). Die daraus resultierende Hypothese einer kardiovaskulären Risikoreduktion unter Linagliptin wird im Rahmen der bereits initiierten prospektiven kardiovaskulären Endpunktstudie CAROLINA überprüft [P Gallwitz et al. Abstr 0039-LB].
A. Schuff et al. zeigten in ihrer Posterpräsentation, dass Linagliptin – im Vergleich zu den anderen DPP-4-Hemmern Alogliptin, Saxagliptin, Sitagliptin und Vildagliptin – die stärksten antioxidativen Effekte hat, gemessen anhand pleiotropher als auch vasodilatatorischer Parameter.
[A Schuff et al. Abstract 0981-P].
Des Weiteren wurden die Ergebnisse einer randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Phase-3-Studie vorgestellt, bei der die Effektivität und Sicherheit von Linagliptin bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und schwerer Nieren-insuffizienz (Glomeruläre Filtrationsrate [GFR] < 30 mL/min/1,73 m2) bestätigt werden konnte. Der durchschnittliche HbA1c-Wert zu Studienbeginn betrug 8,2 % und sank im Zeitraum von 12 Wochen unter Linagliptin 5 mg 1 × täglich um 0,8 %-Punkte im Vergleich zu 0,2 %-Punkte unter Placebo [L Sloan et al. Abstr 0413-PP].
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Neue Daten zu Insulin Glargin
In den letzten Jahren wird vermehrt über ein mögliches kanzerogenes Potenzial von Insulin diskutiert. Präsentiert wurden jetzt Daten aus der The Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes (ACCORD)-Studie, welche sich mit dem Zusammenhang Krebsrisiko und Insulintherapie bei 10 251 Studienteilnehmern und einem durchschnittlichen Follow-up von 5 Jahren beschäftigte. In der Regressionsanalyse nach Cox fand sich nach Adjustierung für bekannte kanzerogene Einflussfaktoren kein Zusammenhang zwischen krebsassoziierten Ereignissen und der Verwendung von Insulin Glargin (HR 1,0; 95 %-KI 0,53–1,86; p = 0,99), Basalinsulin (HR 1,18; 95 %-KI 0,65–2,14; p = 0,6) sowie Insulin gesamt (HR 1,19; 95 %-KI 0,79–1,79; p = 0,41). Demgegenüber war die Assoziation Krebsrisiko und prandiales Insulin – auch nach Adjustierung für Basalinsulin – signifikant (HR 2,41; 95 %-KI 1,05–5,49; p = 0,03) [M Hamaty et al. Abstr 0365-OR].
Diese epidemiologischen Daten wurden unterstützt durch neue experimentelle Daten zum Insulin Glargin. In einer Studie mit 12 Typ-1-Diabetikern konnte gezeigt werden, dass nach subkutaner Injektion Glargin fast vollständig in 2 Metaboliten (M1 und M2) umgebaut wird, wobei fast ausschließlich M1 für den pharmakodynamischen Effekt verantwortlich ist. Demgegenüber waren Glargin und M2 nur bei einem Drittel der Patienten im Plasma überhaupt nachweisbar und wenn, dann in sehr niedrigen Mengen [G Bolli et al. Abstr 0071-OR]. Zu vergleichbaren Ergebnissen kam eine Studie von P. Lucidi und Kollegen mit Typ-2-Diabetikern, bei denen ebenfalls M1 für mindestens 90 % der Insulinwirkung verantwortlich war [P Lucidi et al. Abstr 1092-P]. Zudem zeigte ein von N. Tennagels und Kollegen präsentiertes Tiermodell, dass Glargin eine vergleichbare Aktivierung des Insulinrezeptors und des Insulin-Growth-Factor-(IGF-)Rezeptors in Muskel- und Myokardgewebe hat wie Humaninsulin [N Tennagels. Abstr 1562-P].
In einer japanischen Studie wurde bei Hämodialyse-Patienten die Therapie mit NPH-Insulin bzw. Mischinsulin umgestellt auf Insulin Glargin. 3 Monate nach Umstellung war der HbA1c-Wert signifikant von 7,1 auf 6,3 % gesunken (p = 0,0013) ohne signifikante Unterschiede in der täglichen Insulinmenge. Zugleich war aber die Rate an Hypoglykämien unter Glargin signifikant niedriger [E Tanaka et al. Abstr 0942-P].
In einer Studie mit 12 Typ-2-Diabetikern wurde der Einfluss von Adipositas auf die Pharmakodynamik der Insuline Glargin, Detemir und NPH untersucht. Wie zu erwarten, war die Pharmakodynamik aller 3 Basalinsuline mit zunehmender Adi-positas vermindert, vermutlich aufgrund der damit verbundenen Insulinresistenz. Bei multipler Regressionsanalyse fand sich eine positive Korrelation zwischen Body-Mass-Index und endogener Glukoseproduktion, allerdings nur für NPH (r = 0,66; p = 0,005) und Detemir (r = 0,62, p = 0,011), nicht aber für Glargin (r = 0,35, p = 0,17). Die Tatsache, dass Adipositas die Pharmakodynamik von Glargin im Vergleich zu Detemir weit weniger beeinflusse, erkläre – zumindest teilweise – die Beobachtung aus klinischen Studien, dass deutlich höhere Detemir-Dosen benötigt werden, um die gleiche HBA1c-Senkung zu erreichen, so die Autoren [F Porcellati et al. Abstr 0948-P]. Auch F. Holleman und Kollegen fanden in ihrer Studie einen um das 1,5-fache höheren Bedarf an Detemir im Vergleich zu Glargin, welcher sich allerdings für fast alle BMI-Bereiche nachweisen ließ [F Holleman et al. Abstr 1046-P].
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SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin
Ein weiteres Schwerpunktthema der diesjährigen ADA-Jahrestagung war die neue Substanzklasse der Glukose-Rückresorptionshemmer (Sodium-glucose co-transporter 2-)SGLT2-Inhibitoren. Die meisten klinischen Daten liegen hierbei für die Substanz Dapagliflozin vor. M. Nauck und Kollegen stellten eine randomisierte, doppelblinde Studie vor, bei der Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem mittleren HbA1c von 7,7 % zusätzlich zu Metformin (durchschnittlich 2000 mg) entweder Dapagliflozin (n = 406) oder Glipizid (n = 408) erhalten hatten. Dapagliflozin war nicht unterlegen in Bezug auf die HbA1c-Senkung (in beiden Gruppen –0,52 %). Jetzt wurden zusätzlich die Ergebnisse einer Verlängerungsstudie präsentiert, wobei über den gesamten Zeitraum von insgesamt 2 Jahren 315 Personen Dapagliflozin und 309 Glipizid erhalten hatten. Bezogen auf den Ausgangswert betrug die HbA1c-Senkung binnen 2 Jahren unter Dapagliflozin –0,32 % (95 %-KI –0,42 bis –0,21) und unter Glipizid –0,14 % (–0,25 bis –0,03). Das Körpergewicht sank unter Dapagliflozin um durchschnittlich 3,70 kg, während es unter Glipizid um 1,36 kg anstieg. Das Hypoglykämierisiko war unter Dapagliflozin (4,2 %) deutlich niedriger als unter Glipizid (45,8 %). Aktives Nachfragen ergab in der Dapagliflozin-Gruppe bei 13,5 % und in der Glipizid-Gruppe bei 9,1 % den Verdacht eines Harnweginfektes sowie bei 14,8 % (Dapagliflozin; 8,0 % Männer, 23,3 % Frauen) bzw. 2,9 % (Glipizid; 0,4 % Männer, 5,9 % Frauen) den Verdacht einer Genitalinfektion. Die Mehrzahl der Ereignisse trat im ersten Jahr auf, wobei es aufgrund von Harnwegsinfekten jeweils zu einem Studienabbruch in jedem Arm und aufgrund von Genitalinfekten lediglich zu 3 Studienabbrüchen unter Dapagliflozin kam [M Nauck. Abstr 0040-LB].
Ebenfalls 2-Jahres-Daten zu Dapagliflozin wurden von C. Bailey und Kollegen präsentiert. In dieser zunächst auf 24 Wochen angelegten randomisierten, doppelblinden Studie erhielten Typ-2-Diabetiker zusätzlich zu Metformin entweder Dapagliflozin oder Placebo. Die durchschnittliche HbA1c-Senkung betrug zum Ende der 2 Jahre unter Dapagliflozin 0,58 % (5 mg) bzw. 0,78 % (10 mg) im Vergleich zu 0,02 % unter Placebo. Das Körpergewicht sank in der Dapagliflozin-Gruppe um 3,4 kg (5 mg) bzw. 2,8 kg (10 mg). Der Verdacht eines Genitalinfektes bestand unter Dapagliflozin bei 14,6 % (5 mg) bzw. 12,6 % (10 mg) und unter Placebo bei 5,1 %, aufgrund dessen es in der Dapagliflozin-Gruppe zu einem Studienabbruch kam. Harnwegsinfekte traten unter Dapagliflozin bei 8,8 % (5 mg) bzw. 13,3 % (10 mg) sowie unter Placebo bei 8,0% auf [C Bailey Abstr 0988-P].
Dr. med. Winfried Keuthage, Münster
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