Die pandemische Ausbreitung des Metabolischen Syndroms und des Typ-2-Diabetes ist
ungebrochen. Erneut hat die UN, unterstützt von 140 Ländern, reagiert und sich den
Kampf gegen chronische, nicht übertragbare Krankheiten auf die Fahnen geschrieben.
Für die Weltgesundheitsorganisation WHO ist dies der Auftrag, Strategien gegen diese
Krankheiten (insbesondere Adipositas und Diabetes) zu entwickeln, die häufig eine
Folge der Lebensbedingungen und des Lebensstils sind.
UN-Chef Ban Ki Moon propagierte eine Liste von persönlichen Maßnahmen, die jährlich
Millionen Menschen vor dem frühen Tod bewahren könnten: Mehr Bewegung, gesunde Ernährung,
moderater Alkoholkonsum, Schluss mit dem Rauchen. Die Direktorin der WHO, Margaret
Chan, warf der Nahrungsmittel-Industrie vor, sogenanntes Junk Food mit viel zu hohem
Fett-, Zucker- und Salzgehalt auf den Markt zu bringen: ”Wenn 40 Millionen Schulkinder
weltweit fettleibig sind, heißt das, dass etwas schrecklich schief läuft“. Das Resultat
schlägt sich millionenfach in vielfältigem persönlichem Leid nieder und könnte ganze
Volkswirtschaften in den Ruin treiben.
Ziele gegen den Trend zu Typ-2-Diabetes
Ziele gegen den Trend zu Typ-2-Diabetes
Die Deutsche Diabetes-Stiftung (DDS) ist mit dem Leitbild: Prävention vor Kuration
ein Vorkämpfer auf diesem Feld. 2 wesentliche Ziele liegen im Fokus der DDS:
-
Früherkennung zur Reduzierung der Dunkelziffer bereits Betroffener – mit deren adäquater Behandlung, zur Vermeidung oder Verzögerung
von Folgeerkrankungen.
-
Sensibilisierung der Bevölkerung für die meist schleichende Krankheit und ihre Folgen – zur Risiko-Erkennung und damit Chance für die Prävention, vorrangig mit Lebensstil-Intervention.
Es gibt eine hohe Evidenz, dass Prävention – vorrangig durch Lebensstil-Intervention
und bedarfsweise moderat unterstützt durch Medikation – bei vielen Hochrisikopersonen
funktioniert. Entscheidende Fragen der praktischen Umsetzung sind allerdings noch
ungelöst. Eine reine Verhaltens-Prävention ist schwierig, da sie den gegebenen Verhältnissen
in unserer Lebenswelt häufig entgegensteht. Darüber hinaus bedarf die Lebensstil-Intervention
der Durchsetzung durch alle Beteiligten: von der Politik über die (medizinischen)
Experten und die Kostenträger hin zu den Menschen, die damit ihre Lebensqualität erhalten,
verbessern und ihr Leben verlängern können [Abb. 1].
Aus den Erkenntnissen über erfolgreiche Präventionsmaßnahmen muss eine variable Baukasten-Systematik
entstehen, die individuell eingesetzt und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst
werden kann. Dazu bedarf es eines neuen, motivierenden wie koordinierenden ”Begleiters“
für eine erfolgreiche Gesunderhaltung: den Präventions- oder Gesundheitsmanager (siehe
http://www.image-projekt.eu).
Unabhängig von gut gemeinten Appellen, besteht also dringender Handlungsbedarf. Dazu
gibt es eine neue Modell-Initiative der DDS: ”Xund in BaWü“ – mit der Umsetzung machbarer
Prävention, beginnend als Pilotprojekte in Regionen von Baden-Württemberg. Mit seiner
Gesundheitsstrategie hat dieses Bundesland für die Prävention die aktive Handlung
beschlossen. Der Kooperation des Ministeriums und des Landesgesundheitsamts mit der
DDS hat sich bereits die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg angeschlossen.
Das Vorhaben soll 2012 beginnend mit vielen Partnern umgesetzt werden.
Abb. 1
EU-Projekt IMAGE – Leitfaden Prävention Diabetes
EU-Projekt IMAGE – Leitfaden Prävention Diabetes
Das EU-Förderprojekt IMAGE – mit 56 Partnerorganisationen aus 24 Ländern – wurde Ende
2010 erfolgreich abgeschlossen. Ziel von IMAGE (Development and Implementation of
a European Guideline and Training Standards for Diabetes Prevention) war es, evidenzbasierte
Ergebnisse für die Prävention des Typ-2-Diabetes zu schaffen und diese sowohl in Praxisempfehlungen
als auch in Ausbildungs-Curricula für Präventionsmanager umzusetzen. Die DDS hat aktiv
und fördernd am IMAGE-Projekt mitgewirkt: ”Leitfaden Prävention Diabetes“ (Leitfaden
Prävention Diabetes – 340 Seiten – Paperback, ISBN 978-3-87490-814-6 im Buchhandel
für EUR 25,– (5,00 € als Spende an die DDS). Nach der Faktenschrift ”Prävention vor
Kuration“ und dem Buch ”Diabetes in Deutschland“, existiert damit eine strukturierte
Systematik als Leitfaden für eine durchführbare Prävention: Grundlagen und in den
Experten-Teams zusammengestellte bzw. erarbeitete Vorgaben für eine praxisgerechte
Umsetzung.
Handwerkszeug für Risiko-Erkennung und Prävention
Handwerkszeug für Risiko-Erkennung und Prävention
Die DDS bietet wertvolle Hilfe von neutraler und unabhängiger Seite – ein Paket von
Informationen für Experten und deren ”Kunden“.
Gesundheit im Unternehmen – Prävention im Setting Betrieb
Gesundheit im Unternehmen – Prävention im Setting Betrieb
Nutzen Sie als Diabetologe oder Diabetes-Experte Ihre Kontakte zu Unternehmen in Ihrer
Nähe: Für Betriebsmediziner, betriebliche Gesundheitsmanager (BGM) oder Personal-Verantwortliche
– bietet die DDS einen Leitfaden: ”Diabetes-Prävention im Unternehmen“. Neben aktuellen
Zahlen und Fakten wird darin eine umfangreiche Anleitung für die Prävention zur Gesunderhaltung
der Mitarbeiter (und ihrer Familien) angeboten – zu Übergewicht und den Faktoren des
metabolischen Syndroms über Typ-2-Diabetes bis zu Diabetes-Folgeerkrankungen.
Informationen für Menschen, denen Gesundheit wichtig ist
Informationen für Menschen, denen Gesundheit wichtig ist
In der Broschüre ”Was tun, damit ich gesund bleibe?“ erfährt der Interessent, was
er selbst tun kann, um länger gesund zu bleiben. Es geht um Tipps für machbare Lebensstil-Intervention,
um Wohlstandserkrankungen möglichst zu verhindern oder zu verzögern (2. Auflage, Mai
2011, 24 Seiten). Zur Erkennung eines Risikos für Typ-2-Diabetes wurde der Gesundheits-Check
Diabetes FINDRISK millionenfach implementiert. Mit nur 8 einfachen Fragen kann schnell
(und nicht-invasiv) ein mögliches Risiko, in den nächsten 10 Jahren an Typ-2-Diabetes
zu erkranken, erfasst werden. Den Fragebogen gibt es in 9 Sprachen: deutsch, englisch,
französisch, griechisch, italienisch, serbo-kroatisch, spanisch, russisch und türkisch
sowie online unter http://www.diabetesstiftung.de.
Bei Feststellen eines Diabetes-Risikos oder bereits bestehender Erkrankung liefert
der Wegweiser ”Was tun, wenn der Verdacht auf Diabetes besteht?“ viele nützliche Tipps
(5. Auflage, Oktober 2010, 12 Seiten).
Koordinierung und Qualität in der Prävention – KoQuaP
Koordinierung und Qualität in der Prävention – KoQuaP
Unter dem Dach der DDS ist KoQuaP entstanden: Koordinierung und Qualität in der Prävention
– ein Qualitätsmanagement-System von Präventionsaktivitäten. Die unabhängige Einrichtung
soll helfen, die Wirksamkeit angebotener Präventions-Maßnahmen zu analysieren und
deren Qualität zu sichern. Parallel dazu ermöglicht eine breite Datenbasis eine vergleichende
Wirksamkeits-Bewertung von unterschiedlichen Maßnahmen. Hierdurch können u. a. neue
Erkenntnisse über die ”Good Practice Faktoren“ sinnvoller und machbarer Lebensstil-Intervention
gewonnen werden.
Überall gewinnt Qualitätsmanagement an Bedeutung, nicht nur in Industrie und Handel,
sondern auch im Sozial- und Gesundheitswesen. Prinzipiell hat strukturiertes Qualitätsmanagement
das Ziel, Strukturen, Prozesse und Ergebnisse zu optimieren. Die gesetzlichen Krankenkassen
als wesentliche Kostenträger im Gesundheitswesen auch für präventive Maßnahmen (§
20, SGB V) sind an gesetzliche Regelungen gebunden, müssen eine ökonomische Kostenpolitik
und sollen den gegenwärtigem Stand der Wissenschaft verfolgen, wobei Qualitätssicherung
eine wichtige aber bisher nur unzureichende Rolle spielt. Die DDS hat es sich – auf
Basis der in IMAGE erarbeiteten Instrumente – zur Aufgabe gemacht, ein Zentrum für
Koordination von Qualität in der Prävention aufzubauen, um damit Präventionsaktivitäten
zu unterstützen und zu evaluieren.
Im KoQuaP-Konzept ist eine regelmäßige, strukturierte Parametererhebung zu definierten
Messzeitpunkten vorgesehen: Initial vor der Intervention (umfangreicher) sowie in
3-monatigen Intervallen nach Beginn der Intervention. Die Messungen sollen einfach
durchführbar sein und von den Präventionsmanagern im Rahmen der Interventionskurse
durchgeführt werden [Abb. 2]. Die Dokumentation erfolgt über eine Online-Plattform, bei der Eingabefehler wie
fehlende Plausibilität und Unvollständigkeit direkt rückgemeldet werden. Die vertraulichen
Daten werden unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Bestimmungen anonymisiert
und der auswertenden Stelle, dem KoQuaP (Akronym für Koordinierung und Qualität in
der Prävention; http://www.koquap.de), zur Verfügung gestellt.
Mit dieser strukturierten Datenaggregation und -analyse soll der Beweis angetreten
werden, dass sich Präventionsprogramme lohnen und nachhaltige Gesundheitsförderung
flächendeckend implementiert werden kann. KoQuaP soll in diesem Konzept als zentrale
und neutrale Schaltstelle dienen. In diesem Zusammenhang sind auch die Definition
und aktives Schnittstellenmanagement durch geeignete Kommunikationsprozesse unerlässlich
(z. B. Arzt-Patienten-Beziehung).
Regionale Qualitätszirkel für die Präventionsmanager sowie Interviews und Befragungen
sind zusätzlich als Instrumente der Qualitätssicherung vorgesehen.
Abb. 2
Modellland Baden-Württemberg – mit Pilot-Projekten: ”Xund in BaWü“
Modellland Baden-Württemberg – mit Pilot-Projekten: ”Xund in BaWü“
Trotz der erschreckenden Zahlen über Diabetes und dessen Folgen auch in Baden-Württemberg,
fehlen bisher Initiativen und Netzwerke zur Prävention durch Veränderung der Verhältnisse
– ebenso wie des Verhaltens der Risikopersonen. Auf Initiative der DDS, zusammen mit
dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren und dem Landesgesundheitsamt,
soll in Regionen in Baden-Württembergs mit der Initiative ”Gesund durch Prävention“
ein besonderer Fokus auf Menschen mit einem metabolischen Syndrom / kardiovaskulärem
Risiko gelegt werden. Das entwickelte 3-Stufen-Modell hat folgende Kernziele:
-
Schaffung von Awareness bei allen Beteiligten: Ärzten/Gesundheitsanbietern Hochrisikopersonen
und Patienten, Betrieben …
-
… schließlich auch in der gesamten Bevölkerung …
-
… mit dem Ausbau vorbildlicher Interventionszentren für Prävention.
-
Aufbau funktionierender Strukturen und Netzwerke, die mittelfristig eine wohnortnahe
Prävention / (Lebensstil-)Intervention ermöglichen.
-
Bereitstellung niederschwelliger Angebote für eine Früherkennung des persönlichen
Risikos, zur aktiven Gesunderhaltung oder frühestmöglichen Krankheitserkennung – möglichst
auch unter Anleitung.
-
Den betroffenen Bürgern ein einfach zugängliches Netzwerk zur Verfügung stellen, das
die Maßnahmen (der Prävention / Intervention) koordiniert und mithilfe der ”Information
zur Motivation“ eine Verbesserung der Compliance fördert.
Dies erfordert eine individuelle und auf die jeweilige Lebenssituation bezogene Beratung
und Unterstützung, die generell jeden befähigen kann, Eigenverantwortung für seine
Gesundheit zu übernehmen und den höchstmöglichen Nutzen (medizinisch und psychosozial)
– mithilfe der Betreuung in einem Experten-Netzwerk – zu erzielen. Damit einher geht
die Chance, gemeinsam mit Experten die Entscheidungen für die bestmögliche Intervention
zu treffen – unter Einbeziehung persönlicher Lebensstil-Intervention und medikamentöser
Optionen.
Beispielhafte Initiative
Dieses nunmehr in Baden-Württemberg beginnende Modellprojekt für die Risiko-Früherkennung
und Umsetzung von Prävention durch Lebensstil-Intervention soll beispielhaft sein
(Abb). Dazu die Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren
in Baden-Württemberg, Katrin Altpeter, anlässlich des Symposiums im Landesgesundheitsamts
in Stuttgart: ”Dabei ist Diabetes kein unabwendbares Übel. Der Einzelne kann durch
seinen Lebensstil entscheidend dazu beitragen, das Auftreten von Diabetes-Typ-2 hinauszuzögern
oder ganz zu verhindern.“ Die Sozialministerin lobte die Initiative ”Xund in Baden-Württemberg“
der DDS. Denn dadurch werde die Gesundheitsstrategie in der Umsetzung unterstützt.
So versprechen sich die Beteiligten, die Folgeerkrankungen eines zu spät entdeckten
Diabetes durch Früherkennung und Prävention zu reduzieren.
Autorenerklärung
Die Autoren erklären, dass für diesen Artikel keine Interessenkonflikte bestehen.