Key words
Health-enhancing physical activity - physical activity promotion - recommendations on physical activity for health
Bewegung und Gesundheit
”Ich sollte mich mehr bewegen“ antworten Menschen häufig auf die Frage, wie sie ihre Gesundheit verbessern können. Das Wissen über die positiven Wirkungen regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Gesundheit und zur Vorbeugung von Diabetes mellitus gehört mittlerweile zum Allgemeingut eines Großteils der Bevölkerung. In der Wissenschaft sind die positiven Wirkungen regelmäßiger gesundheitswirksamer körperlicher Aktivität auf einer breiten Evidenzbasis abgesichert [1]
[2]. Bewegung ist ein bedeutender Einflussfaktor auf die Lebenserwartung, das Wohlbefinden und die Lebensqualität [3]. So vermindert ein körperlich aktiver Lebensstil unter anderem das Krankheitsrisiko für ischämische Herzkrankheiten, Schlaganfall, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes. Er beeinflusst Risikofaktoren wie Blutfettwerte günstig und hilft bei der Gewichtsreduktion beziehungsweise Prävention von Adipositas [1].
Menschen können durch einen körperlich aktiven Lebensstil einen entscheidenden Beitrag zur Primär- aber auch Sekundär- und Tertiärprävention von Typ-2-Diabetes leisten. Dennoch dominieren in Deutschland bewegungsarme Lebensstile den Alltag vieler Menschen [4]
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[6]. Sedentäre Lebensstile sind zu einem Massenphänomen und einem ernsthaften Public Health Problem geworden [7]. Das gesundheitsförderliche Potenzial regelmäßiger körperlicher Aktivität wird nur unzureichend aus-geschöpft [8].
Die Ursachen und Gründe sind vielfältig. So haben beispielsweise die Industrialisierung und ”Computerisierung“ der Arbeit und Freizeit, die Technisierung der Haushalte und der Umwelt sowie das Verschwinden von Bewegungsmöglichkeiten und -räumen die Lebensgewohnheiten und Lebenswelten von Menschen erheblich verändert.
Zentrale Aspekte wirksamer Interventionsansätze in der Bewegungsförderung
Für die Entwicklung nachhaltig wirksamer Maßnahmen zur Verhaltensänderung ist es notwendig, sowohl die inneren als auch die äußeren Bedingungen für körperlich (in)aktive Lebensstile sowie die dahinter liegenden Mechanismen zu verstehen. Interventionen zur Bewegungsförderung, die sich zu stark auf intraindividuelle Outcome-Variablen wie Wissen, Einstellungen oder Motivation fokussierten, waren häufig nicht erfolgreich [im Überblick: 10]. Gesicherte Aussagen über die Nachhaltigkeit der Effekte sind auf Basis der derzeit vorliegenden Studienlage kaum möglich [8], es verdichten sich jedoch die Hinweise darauf, dass diejenigen Interventionsansätze, die sowohl personenbezogene Faktoren als auch soziokulturelle und physische Umweltfaktoren sowie gesellschaftlich-politische Rahmenbedingungen adressieren, den größten Erfolg versprechen [9]
[10]. Um körperliches Aktivitätsverhalten als Teil eines gesunden Lebensstils zu verankern, setzen entsprechende komplexe Interventionsansätze auf eine Integration von Maßnahmen in die Lebenswelten von Menschen und zielen dabei sowohl auf eine Veränderung von Verhältnissen (Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen) als auch auf das individuelle Verhalten von Menschen. Aufgrund der guten Erreichbarkeit von Menschen können in diesem Zusammenhang die Entwicklung bewegungsförderlicher Settings und die Bewegungsförderung im Setting als Schlüsselstrategien bezeichnet werden [11]. Bewegungsförderung in oder über Lebenswelten zu etablieren, erfordert allerdings ein konzertiertes Vorgehen und idealerweise eine übergreifende Zusammenarbeit aller Akteure aus den unterschiedlichen Ressorts und Sektoren wie Gesundheit und Soziales, Bauen und Verkehr, Bildung und Wissenschaft sowie Kultur und Sport (Infokasten) [11].
Infokasten
Ergebnisse des Experten-Workshop 3 ”Nachhaltigkeit bei der Primärprävention, Früherkennung und Lebensstilinterventionen von Diabetes Mellitus/ Metabolischem Syndrom“:
Die teilnehmenden Experten und Praktiker bestätigen die berichteten Kriterien wirksamer Bewegungsförderung auf Basis ihrer Praxiserfahrungen. Als weitere förderliche Einflussfaktoren auf die Nachhaltigkeit von Interventionsansätzen in Lebenswelten wurden die Partizipation der Zielgruppe, die Qualitätssicherung sowie eine langfristige Finanzierung auf der Projekt- und Maßnahmenebene hervorgehoben. Zudem wurde bekräftigt, dass neben der Beratung und gegebenenfalls Moderation der Prozesse durch Experten die relevanten politischen Entscheidungsträger auf der einen und die angesprochenen Bürger auf der anderen Seite möglichst von Beginn an beteiligt werden müssen. Die Teilnehmer plädierten in diesem Zusammenhang für die Etablierung lokaler Netzwerke vor Ort; zum Beispiel unter Federführung der kommunalen Gesundheitskonferenz. Hierdurch, so die Überzeugung der Teilnehmer, können der Austausch und die Zusammenarbeit verbessert, Maßnahmen besser als bisher gebündelt und abgestimmt sowie ganzheitlicher betrachtet werden.
Bewegungsempfehlungen für die Gesundheit
Ein Baustein komplexer Rahmenprogramme zur Bewegungsförderung mit verhaltens- und verhältnispräventiven Komponenten sind dabei Bewegungsempfehlungen für die Gesundheit. Die in 2008 vom US Department of Health and Human Services veröffentlichten und von der Weltgesundheitsorganisation aufgegriffenen Bewegungsempfehlungen für die Gesundheit entsprechen am besten dem aktuellen Forschungsstand [8]
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[13]. Demnach sollten unter anderem gesunde Kinder und Jugendliche mindestens eine Stunde pro Tag und gesunde Erwachsene mindestens 150 Minuten pro Woche mit mittlerer Intensität oder 75 Minuten pro Woche mit höherer Intensität körperlich aktiv sein. Die Empfehlungen sind in der Bevölkerung allerdings noch zu wenig bekannt und werden von professionellen Akteuren des Gesundheitssystems noch zu selten rezitiert. Sie bedürfen einer zielgruppengerechten Aufbereitung und Kommunikationsstrategie um wirksam zu werden. Deshalb wurden die Empfehlungen für den deutschsprachigen Raum am Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen medial von den Autoren aufbereitet. Es wurden bevölkerungsbezogene Interventionsmaterialien entwickelt, um einen Beitrag zur Gesundheitskompetenzerweiterung zu leisten [Abb. 1] und [Abb. 2] [14]. Sie informieren Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene über gesundheitswirksame Bewegungsformen, den empfohlenen Umfang, die Dauer und die Intensität körperlicher Aktivität für die Gesundheit. Die Materialien orientieren sich an Methoden des Social Marketing und der Gesundheitskommunikation, verdeutlichen komplexe Zusammenhänge, besitzen motivationale Funktion und animieren den Betrachter zur Auseinandersetzung mit der Thematik [15]
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[20]. Zudem erlauben sie eine Kontrolle von Tages- bzw. Wochenzielen. Sie können beispielsweise im Rahmen von Arztgesprächen als ergänzende Motivationsstütze an Patienten ausgehändigt werden.
Abb. 1 Bewegungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche.
Abb. 2 Bewegungsempfehlungen für Erwachsene.
Fazit
Zusammenfassend ist auf Basis der Literatur und der Diskussionen im Expertenworkshop festzuhalten, dass der Zusammenhang zwischen körperlichem Aktivitätsverhalten und Gesundheit als evident und Bewegungsförderung als gesundheitswirksam gilt! Ein ”Mehr“ an Nachhaltigkeit in der Primärprävention erscheint auf kommunaler Ebene durch komplexe Maßnahmen und längerfristig angelegte Arbeitsformen als plausibel. Die Nachhaltigkeit stellt aber eine der größten Herausforderungen dar!
Autorenerklärung
Die Autoren erklären, dass für diesen Artikel keine Interessenkonflikte bestehen.