Bei der 56. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)
in St. Gallen, Schweiz, plädierten die Experten für mehr Registerdaten zur Klärung
offener Fragen bei seltenen Gerinnungsfaktor-Defekten. Mit epidemiologischen Daten,
geeigneten Tests für Diagnostik und Monitoring sowie adäquaten Behandlungsoptionen
könnte man den betroffenen Patienten noch besser gerecht werden.
Registerdaten können bei differenzierter Therapie helfen
In Europa leiden schätzungsweise 30 Millionen Menschen an einer seltenen Krankheit,
darunter etwa 65 000 Patienten mit angeborenen Defekten der Blutgerinnung. Dazu zählen
Defekte bei Fibrinogen, Faktor (F) II, FV, FV + FVIII, FVII, FX, FXI und FXIII. Diese
seltenen Gerinnungsstörungen repräsentieren nur 3–5 % aller angeborenen Blutungserkrankungen,
wie Dr. Flora Peyvandi, Mailand, Italien, erläuterte. Sie appellierte an ihre Kollegen,
Behandlungsdaten zu diesen Erkrankungen im Register der EN-RBD (European Network of
Rare Bleeding Disorders, www.enrbd.eu) zu sammeln. Solche Registerdaten können dazu
beitragen, zwischen Patienten zu unterscheiden, die nur bei chirurgischen Eingriffen
eine spezielle Behandlung benötigen, und solchen mit Risiko für schwerere spontane
Blutungen, die eine prophylaktische Behandlung brauchen.
In der Diagnostik besteht laut Prof. Hans-Peter Kohler, Bern, Schweiz, allgemeiner
Konsens, dass bei Verdacht auf eine Gerinnungsstörung zunächst Routinelaboruntersuchungen
wie Thrombozytenzahl, Thromboplastinzeit (TPZ, Quick-Wert), aktivierte partielle Thromboplastinzeit
(aPTT) und eine Fibrinogen-Bestimmung durchgeführt werden sollten. Im nächsten Schritt
folgen differenziertere spezifische Untersuchungen, die Vorhandensein und Aktivität
bestimmter Gerinnungsfaktoren messen. "Bei diesem etablierten und nach wie vor zweckmäßigen
Vorgehen ist die Diagnostik seltener Gerinnungsstörungen im Allgemeinen eindeutig",
so Kohler.
FVII-Mangel: die häufigste der seltenen Gerinnungsstörungen
Der angeborene FVII-Mangel ist mit einer Prävalenz von 1:500000 die häufigste, autosomal-rezessiv
vererbte seltene Gerinnungsstörung, wie Dr. Günter Auerswald, Bremen, erläuterte.
Das klinische Bild reicht von asymptomatischen Fällen mit erhöhter Blutungsneigung
nach chirurgischen Eingriffen und Verletzungen bis hin zu spontanen, schweren und
sogar lebensbedrohlichen Blutungen. Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer
Blutungsneigung treten zumeist Schleimhautblutungen auf, die meist mit Antifibrinolytika
behandelt werden können. Therapieoptionen bei schwerer Blutungsneigung sind aus Plasma
gewonnene FVII-Konzentrate, Prothrombin-Komplex-Konzentrate und rekombinanter aktivierter
FVII.
Martina Freyer, München
Quelle: Symposium "Unmet needs in the management of rare bleeding disorders" im Rahmen
der 56. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH)
am 2.2.2012 in St. Gallen. Veranstalter: Novo Nordisk