Rechtliche Beurteilung des Beschlusses des G-BA
Gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 SGB V ist der G-BA als juristische Person des öffentlichen
Rechts gesetzlich errichtet. In 1. Linie ist er gemäß § 92 SGB V für den Erlass von
Richtlinien zuständig. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt er die zur Sicherung
der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. § 92 Abs. 1 SGB V enthält
hierfür eine nicht abschließende Aufzählung der durch Richtlinien zu regelnden Bereiche.
In dieser Aufzählung wird die Bedarfsplanung ausdrücklich erwähnt, sodass diese über
Richtlinien des G-BA zu koordinieren ist. In § 92 Abs. 8 SGB V ist geregelt, dass
die Richtlinien Bestandteil der Bundesmantelverträge sind und somit als deren normative
Teile für die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen
verbindlich sind. Darüber hinaus sind die Bundesmantelverträge gemäß § 82 Abs. 1 S.
2 SGB V Bestandteil der Gesamtverträge, sodass die Vertragspartner der Gesamtverträge,
die Kassenärztlichen Vereinigungen und die für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden
der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen, hieran ebenfalls gebunden sind. Die Satzungen
der Kassenärztlichen Vereinigungen wiederum müssen Bestimmungen gemäß § 81 Abs. 3
Nr. 2 SGB V enthalten, wonach u. a. die Richtlinien des G-BA nach § 92 SGB V für die
Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder verbindlich sind.
Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Bedarfsplanungs-Richtlinie für den Gemeinsamen
Bundesausschuss ist in § 101 Abs. 1 SGB V geregelt. Mit § 101 Abs. 1 in Verbindung
mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 SGB V überträgt der Gesetzgeber die Konkretisierung des
für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen maßgeblichen Rechts auf den G-BA, sodass
dieser für den Erlass und die Anpassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie zuständig ist.
Normsetzungsbefugnis des G-BA im Bereich der Bedarfsplanung
Nach §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9, 99 Abs. 1 SGB V hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen
Bundesausschuss, in nicht zu beanstandender Weise, die Befugnis zur Normkonkretisierung
im Bereich der vertragsärztlichen Bedarfsplanung durch Erlass von Richtlinien übertragen
(vgl. BSG, Urteil v. 7.10.2007 – B 6 KA 45/06 R). Über die Norm des § 104 Abs. 2 SGB
V wird bestimmt, dass das Nähere über das Verfahren bei der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen
bei Überversorgung „nach Maßgabe des § 101“ in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte
(Ärzte-ZV) zu regeln ist. Hierin ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
eine abgestufte Form der Normsetzungsdelegation sowohl an den Verordnungsgeber der
Ärzte-ZV als auch an den G-BA vorgenommen worden. Daraus ergibt sich, dass auch die
Verfahrensweise im Zusammenhang mit der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen in
den Richtlinien des G-BA näher ausgestaltet werden kann, soweit die Ärzte-ZV entsprechende
Regelungen nicht selbst trifft (BSG, Urteil v. 17.10.2007 – B 6 KA 45/06 R; vgl. BSGE
94, 181). Zur Aufnahme von neuen Arztgruppen in die Bedarfsplanung ist der G-BA im
Rahmen der Bedarfsplanungs-Richtlinie somit prinzipiell ermächtigt (vgl. auch § 4
Abs. 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie).
Erfordernis einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage
Eine Zulassungssperre kann einem Zulassungsbegehren grundsätzlich nur dann entgegengehalten
werden, wenn sie bereits bei Stellung des Antrags auf Zulassung angeordnet war (§
19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Daher besteht nach Ansicht des G-BA ein Bedürfnis für
die Normierung einer Entscheidungssperre, die so lange gilt, bis der zuständige Landesausschuss
die Feststellungen über das Vorliegen von Überversorgung als Voraussetzung für die
Anordnung von Zulassungsbeschränkungen getroffen hat. Die in §§ 101 und 104 SGB V
festgesetzte Normsetzungsdelegation sowohl an den Verordnungsgeber der Ärzte-ZV als
auch an den G-BA zeige, dass die Verfahrensweise im Zusammenhang mit der Anordnung
von Zulassungsbeschränkungen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
auch näher ausgestaltet werden dürfe (vgl. Tragende Gründe des G-BA zum Beschluss
über eine Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie: Aufnahme bisher unbeplanter Arztgruppen
und Übergangsregelung, vom 06.09.2012).
In den tragenden Gründen seines Beschlusses beruft sich der G-BA zum Erlass einer
Übergangsregelung und Anordnung einer Zulassungssperre auf das Urteil des BSG vom
17.10.2007 (B 6 KA 45/06 R), da nach seiner Auffassung der dort entschiedene Sachverhalt
mit dem Vorliegenden vergleichbar sei. Dieser Rechtsauffassung kann jedoch aus folgenden
Gründen nicht zugestimmt werden.
§ 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV enthält folgende Regelung:
„Wegen Zulassungsbeschränkungen kann ein Antrag nur dann abgelehnt werden, wenn diese
bereits bei Antragstellung angeordnet waren“.
Das Bundessozialgericht führt zu dieser Norm in seinem Urteil vom 17.10.2007 (Az.:
B 6 KA 45/06 R) Folgendes aus:
„Nach dieser Vorschrift kann ein Zulassungsantrag wegen Zulassungsbeschränkungen nur
abgelehnt werden, wenn diese bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung angeordnet waren.
Sie betrifft den Fall, dass aufgrund der Entwicklung der Arztzahlen für eine Arztgruppe
Zulassungsbeschränkungen neu eingeführt werden, und regelt hierfür die Übergangsproblematik“.
Von dieser Vorschrift kann jedoch nach Ansicht des BSG in bestimmten Fallkonstellationen
abgewichen werden:
„Allerdings kann für besondere Konstellationen zunächst ab einem bestimmten Zeitpunkt
eine Entscheidungssperre normiert werden, die so lange gilt, bis der zuständige Landesausschuss
die gemäß § 103 Abs. 1 SGB V erforderlichen Feststellungen über das Vorliegen von
Überversorgung als Voraussetzung für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen getroffen
hat. Zulassungsanträge, die während eines solchen Zeitraums eingereicht werden, sind
abzulehnen, falls nach Antragstellung eine Zulassungsbeschränkung angeordnet wird
[…]“
Eine rechtliche Grundlage für eine solche besondere Konstellation, die eine Entscheidungssperre
rechtfertigen kann, stellt nach Ansicht des BSG die Regelung in Art. 33 § 3 Abs. 2
Satz 2 GSG vom 21.12.1992 für die Situation nach Einführung der verschärften Bedarfsplanung
zum 1.1.1993 dar. Diese Regelung hatte einen Wortlaut, deren Wortlaut mit der durch
den G-BA in § 48 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie mit Wirkung zum 06.09.2012 eingeführten
Regelung fast identisch war:
„(2) Der Zulassungsausschuss kann über Zulassungsanträge, die nach dem 31. Januar
1993 gestellt werden, erst dann entscheiden, wenn der Landesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen die Feststellung nach § 103 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
getroffen hat. Anträge nach Satz 1 sind wegen Zulassungsbeschränkungen auch dann abzulehnen,
wenn diese noch nicht bei Antragstellung angeordnet waren.“ (vgl. Gesundheitsstrukturgesetz
vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266, 2331)
In seiner Entscheidung vom 02.10.1996 (Az.: 6 RKa 52/95) hat das BSG ausdrücklich
festgestellt, dass die gesetzliche Übergangsbestimmung in Art. 33 § 3 Abs. 2 Satz
2 GSG damals Vorrang vor der Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV hatte:
„Etwas anderes gilt indes gemäß Art. 33 § 3 Abs. 2 Satz 2 GSG für diejenigen Zulassungsanträge,
die in den ersten Monaten der Geltung des GSG im Jahre 1993, jedoch nach dem 31. Januar
1993 gestellt worden sind. Diese Anträge sind auch dann abzulehnen, wenn Zulassungsbeschränkungen
zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht angeordnet waren, sondern erst im Laufe
des Jahres 1993 verhängt worden sind. Art. 33 § 3 Abs. 2 Satz 2 GSG hat Bedeutung
nur im Zusammenhang mit der ersten Überprüfung der Versorgungslage durch den Landesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen nach dem Inkrafttreten des GSG (Peters / Hencke, Handbuch
der Krankenversicherung – SGB V, § 95 RdNr. 61; Hauck / Haines, SGB V-Komm, § 103
RdNrn 7, 33; Hess, NZS 1994, S 97, 99). Die Vorschrift ist durch den Ausschuss für
Gesundheit des Deutschen Bundestages in die Übergangsbestimmungen des GSG eingefügt
worden (vgl. BT-Drucks 12/3930, S 148), um durch eine Abweichung von § 19 Abs. 1 Ärzte-ZV
sicherzustellen, dass Zulassungssperren schon ab 1. Februar 1993 greifen und nicht
abhängig davon sind, wann der Landesausschuss erstmalig die Feststellung trifft, dass
eine Überversorgung vorliegt (vgl. BT-Drucks 12/3937, S 22).“
In dem betreffenden Rechtsstreit wurde der Zulassungsantrag des Klägers daher auch
nur deshalb abgelehnt, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift
hier erfüllt waren und der Zulassungsantrag des Klägers nach dem 31.01.1993 gestellt
worden war.
Eine Art. 33 § 3 Abs. 2 Satz 2 GSG vergleichbare Übergangsbestimmung hat der Gesetzgeber
jedoch in Art. 15 des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl. I., S. 2983, 3022) nicht vorgesehen.
Anders als mit Inkrafttreten des GSG besteht daher vorliegend keine spezialgesetzliche
Grundlage für die vom G-BA als „Entscheidungssperre“ bezeichnete temporäre Zulassungsbeschränkung
ab dem vom 06.09.2012 für die gemäß § 48 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie ab dem
01.01.2013 in die Bedarfsplanung erstmalig einbezogenen Arztgruppen. Diese ist jedoch
für Regelungen im Bereich der Bedarfsplanung nach der Rechtsprechung des BSG eindeutig
erforderlich (BSG, Urt. v. 17.10.2007, Az.: B 6 KA 45/06 R):
„Die Vorschriften über die Bedarfsplanung und über Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung
wirken auf die Berufsfreiheit der Bewerber um eine vertragsärztliche Zulassung ein.
Eingriffe in dieses Recht sind gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage
einer gesetzlichen Regelung zulässig, die hinreichend deutlich die Entscheidung des
Gesetzgebers über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs erkennen lässt. Für die
Vorschriften über Zulassungsbeschränkungen für Vertragsärzte, die als Berufsausübungsregelungen
zu qualifizieren sind, denen keine einer Berufswahl nahe kommende Bedeutung zukommt,
muss die Regelungstiefe im Gesetz selbst nicht besonders intensiv ausgeprägt sein
(vgl. BSGE 94, 181 = SozR 4–2500 § 103 Nr. 2, jeweils RdNr. 21, mwN).“
In dem Urteil vom 17.10.2007 hat das BSG die gesetzlichen Vorgaben der §§ 101, 104
Abs. 2 SGB V jedoch prinzipiell als ausreichende gesetzliche Vorgaben in materieller
und verfahrensrechtlicher Hinsicht angesehen:
„Soweit § 104 Abs. 2 SGB V vorsieht, dass das Nähere über das Verfahren bei der Anordnung
von Zulassungsbeschränkungen „nach Maßgabe des § 101“ in der Zulassungsverordnung
zu regeln ist, wird hierdurch eine abgestufte Form der Normsetzungsdelegation sowohl
an den Verordnungsgeber der Ärzte-ZV als auch an den Gemeinsamen Bundesausschuss vorgenommen.
Daraus ergibt sich, dass auch die Verfahrensweise im Zusammenhang mit der Anordnung
von Zulassungsbeschränkungen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
näher ausgestaltet werden kann, soweit die Ärzte-ZV entsprechende Regelungen nicht
selbst trifft (vgl. BSGE 94, 181 = SozR 4–2500 § 103 Nr. 2, jeweils RdNr. 11).“
In dem durch Urteil vom 17.10.2007 entschiedenen Sachverhalt hat das BSG die in Berlin,
von dem damaligen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, beschlossene temporäre
Zulassungssperre vom 24.03.2003 zur Schaffung eines neu gebildeten einheitlichen Planungsbereichs
„Berlin – Bundeshauptstadt“ als durch die gesetzlichen Grundlagen in den §§ 101, 104
Abs. 2 SGB V als gedeckt angesehen (BSG, Urt. v. 17.10.2007, Az.: B 6 KA 45/06 R):
„Die Übergangsregelung in Nr. 3 des Beschlusses des Bundesausschusses vom 24.3.2003
zur Änderung der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte enthält eine solche Ausgestaltung des Verfahrens
zur Umsetzung von Zulassungsbeschränkungen für diejenigen Zulassungsanträge, die im
zeitlichen Kontext mit einer Änderung von Grundlagen der Bedarfsplanung gestellt werden.
Wie bereits ausgeführt, ordnet sie im Zusammenhang mit der Veränderung der maßgeblichen
Planungsbereiche im Land Berlin ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens eine Entscheidungssperre
an, solange der hierfür zuständige Landesausschuss die erforderlichen Feststellungen
zum Versorgungsgrad im neuen Planungsbereich noch nicht getroffen hat, und bestimmt
die Maßgeblichkeit der auf dieser Grundlage erlassenen Zulassungsbeschränkungen auch
für Zulassungsanträge, die zwar nach Inkrafttreten der Änderung, aber noch vor Anordnung
einer Zulassungsbeschränkung gestellt wurden. Die Regelung erfolgt in Umsetzung des
gesetzlichen Auftrags an den Bundesausschuss, in Richtlinien die erforderlichen Vorschriften
für eine funktionsfähige und deren Sinn und Zweck verwirklichende Bedarfsplanung zu
schaffen.“
Allerdings hat das BSG im Rahmen dieser Entscheidung ausdrücklich darauf abgestellt,
dass die Entscheidungssperre für den neu geschaffenen Planungsbereich „Berlin – Bundeshauptstadt“
gerade nicht unter die Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV fallen würde, da diese
Regelung den Fall betreffe, „dass aufgrund der Entwicklung der Arztzahlen für eine
Arztgruppe Zulassungsbeschränkungen neu eingeführt werden“:
„Die hier zu beurteilenden besonderen Konstellationen aus Anlass von Rechtsänderungen,
welche die Grundlagen der Bedarfsplanung beeinflussen, werden vom Anwendungsbereich
des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV von vornherein nicht erfasst. Dies zeigt sich bereits
darin, dass weder Art. 33 § 3 Abs. 2 GSG noch § 95 Abs. 12 SGB V einen Hinweis darauf
enthält, dass durch diese Vorschriften von § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV abgewichen
wird. Die besonderen Fallgestaltungen, welche aus Anlass von Rechtsänderungen bei
den Grundlagen der Bedarfsplanung entstehen, müssen deshalb vom jeweiligen Normgeber
im Kontext mit diesen Änderungen einer spezifischen und dem Zweck der Bedarfsplanung
entsprechenden Lösung zugeführt werden. Auf die pauschale, für andere Problemlagen
normierte Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV kann zur Bewältigung dieser Aufgabe
nicht zurückgegriffen werden. Im Hinblick auf ihren anders gelagerten Anwendungsbereich
führt die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV mithin nicht dazu, dass dem Normgeber
der Bedarfsplanungs-RL-Ärzte die Kompetenz fehlt, Regelungen für die Übergangsprobleme
anlässlich von Rechtsänderungen in den Grundlagen der Bedarfsplanung zu treffen. Vielmehr
greift insoweit der in § 104 Abs. 2 SGB V enthaltene Vorbehalt („nach Maßgabe des
§ 101“) zugunsten des Bundesausschusses ein. Aus demselben Grund widerspricht die
vom Bundesausschuss getroffene Regelung auch nicht den Vorgaben des höherrangigen
Verordnungsrechts.“
Die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossene temporäre Zulassungssperre
vom 24.03.2003 zur Schaffung eines neu gebildeten einheitlichen Planungsbereichs „Berlin
– Bundeshauptstadt“, betraf daher die Grundlagen der bereits in Berlin bestehenden
Bedarfsplanung, die einer Änderung dahingehend zugeführt werden sollte, dass die bestehenden
Planungsbereiche für die Stadt Berlin zu einem Planungsbereich zusammengefasst werden
sollten.
Vereinbarkeit mit § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV
Diese Fallkonstellation ist jedoch von der Entscheidung des G-BA vom 06.09.2012 zu
unterscheiden. Mit der Schaffung des § 48 Bedarfsplanungs-Richtlinie führt der G-BA
für die bisher nicht in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen erstmalig Zulassungsbeschränkungen
ab dem 01.01.2013 ein. Die dem Urteil des BSG vom 17.10.2007 zugrunde liegende besondere
Konstellation aus Anlass von Rechtsänderungen, welche, auch in der Begründung des
Urteils, von der Neueinführung von Zulassungsbeschränkungen für einzelne Arztgruppen
zu unterscheiden ist, ist vorliegend nicht gegeben. Das BSG hat hier entschieden,
dass in diesem besonderen Einzelfall die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV
keine Anwendung findet, da dem G-BA nach § 104 Abs. 2 SGB V nicht die Kompetenz fehle,
Übergangsregelungen anlässlich von Rechtsänderungen in den Grundlagen der Bedarfsplanung
zu schaffen. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um solche Rechtsänderungen, sondern
um die erstmalige Einbeziehung der Arztgruppen, seit der Einführung der Bedarfsplanung
durch das GSG im Jahre 1993.
Insbesondere werden vorliegend auch keine Planungsbereiche zusammengelegt, sodass
eine durch die Zusammenlegung entstehende Rechtsänderung oder die Möglichkeit, den
Vertragsarztsitz aus einem nicht zulassungsbeschränkten Gebiet in ein zuvor zulassungsbeschränktes
Gebiet zu verlegen, nicht besteht. Die erstmalige Aufnahme der Arztgruppen über § 48
Bedarfsplanungs-Richtlinie ist eine Neueinführung der Bedarfsplanung mit zulassungsbeschränkendem
bzw. zulassungsuntersagendem Charakter. Dies hat auch der G-BA erkannt, indem er §
48 Bedarfsplanungs-Richtlinie mit „Aufnahme bisher nicht beplanter Arztgruppen und
Übergangsregelung“ überschreibt. Wird nun die Sachlage der unstreitigen Einführung
neuer Regelungen der Zulassungsbeschränkung unter die Ausführungen des BSG hinsichtlich
der Norm des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV (Die Vorschrift betrifft den Fall, dass aufgrund der Entwicklung der Arztzahlen für
eine Arztgruppe Zulassungsbeschränkungen neu eingeführt werden, und regelt hierfür
die Übergangsproblematik) subsumiert, ist eindeutig der Wille des Gesetzgebers zu
erkennen, den der Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie zugrunde liegenden Sachverhalt
über § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV zu regeln. Das BSG nimmt unzweideutig Bezug auf die
Neueinführung von Zulassungsbeschränkungen und die durch § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV
geregelte Übergangsproblematik. Insoweit hat das BSG den Sachverhalt, der dem Beschluss
des G-BA zugrunde liegt, bereits im Urteil vom 17.10.2007 (B 6 KA 45/06 R) mitentschieden
und klargestellt, dass dem G-BA für Fälle dieser Konstellation die Regelungsbefugnis
fehlt, soweit der Gesetzgeber, wie im Rahmen des Art. 33 § 3 Abs. 2 GSG von 1993,
keine spezialgesetzliche Ermächtigungsnorm zur Einführung von vorübergehenden Entscheidungssperren
geschaffen hat.
Art. 33 § 3 Abs. 2 GSG und § 95 Abs. 12 SGB V ordnen zwar ebenfalls eine von § 19
Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV abweichende Regelung an, jedoch stehen sowohl das SGB V als
auch das GSG von der Normenhierarchie über der Ärzte-ZV. Andererseits liegt ausweislich
der Gesetzesmaterialen (BT-Drucks 13/8035, S. 22, zu § 95 Abs. 12) der Sinn der Regelung
des § 95 Abs. 12 Satz 2 SGB V darin, die Geltung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV auszuschließen
(vgl. BSG v. 05.11.2003 –B 6 KA 53/02 R). Eine dem Gesetzgeber vergleichbare Regelungskompetenz
besitzt der G-BA jedoch nicht. Er kann lediglich normkonkretisierende Beschlüsse erlassen,
die in Fällen der fehlenden Regelung in der Ärzte-ZV auch Übergangsvorschriften beinhalten
können. Vorliegend widerspricht jedoch die Regelung in § 48 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie
der höherrangigen Rechtsnorm des § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV. Die vorliegende Situation
betrifft die vom BSG in seinem Urteil vom 17.10.2007 (B 6 KA 45/06 R) entschiedene
Fallkonstellation des vom Gesetzgeber gewollten Anwendungsbereichs des § 19 Abs. 1
Satz 2 Ärzte-ZV Fall, die der G-BA fälschlicherweise verneint. Folglich verstößt §
48 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV.
Die Qualifikation der Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA als „bindendes Recht“ bedeutet
darüber hinaus nicht, dass die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V den Rang eines Parlamentsgesetzes
oder einer Rechtsverordnung nach Art. 80 Abs. 1 GG haben. Vielmehr handelt es sich
um untergesetzliche Rechtsnormen, die unterhalb formeller und materieller Gesetze
angesiedelt sind (BSGE 78, 75; BSGE 96, 261; BSG SozR 4–2500 § 92 Nr.5).
Die Ärzte-ZV, die gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB V vom Bundesministerium für Gesundheit
mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird, ist demgegenüber als Rechtsverordnung
gem. Art. 80 GG ein materielles Gesetz. Aufgrund der unmittelbaren Änderungen der
Ärzte-ZV durch das GKV-VStG wurde sie, in den durch Gesetz geänderten Bereichen, in
den Rang eines Parlamentsgesetzes erhoben. Ein Parlamentsgesetz, wie auch ein materielles
Gesetz, stehen im Rang über den Richtlinien des G-BA und den Bundesmantel- und Gesamtverträgen.
Somit verstößt die Regelung des § 48 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie gegen höherrangiges
Recht in Form des Anwendung findenden § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV.
Vereinbarkeit mit den Vorgaben des SGB V
Wie bereits dargestellt, hat der G-BA generell die Berechtigung zum Erlass der Bedarfsplanungs-Richtlinie,
in der auch festgelegt werden kann, welche Arztgruppen in die Bedarfsplanung einbezogen
werden sollen. Von der gesetzlichen Ermächtigung ist daher eine Konkretisierung der
Bedarfsplanung dahingehend gedeckt, dass für diejenigen Arztgruppen Verhältniszahlen
festgelegt werden, bei denen gemäß § 101 Abs. 2 Nr. 2 SGB V in Verbindung mit § 4
Abs. 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie nach dem aktuellen Stand bundesweit eine Zahl von
mehr als 1000 Vertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die
Feststellung, dass in den in § 48 Bedarfsplanungs-Richtlinie aufgeführten Arztgruppen
bundesweit jeweils mehr als 1000 Ärzte tätig sind, wurde in den tragenden Gründen
oder an anderer Stelle seitens des G-BA allerdings nicht dokumentiert.
Auch nach der Einfügung des § 48 Abs. 1 in die Bedarfsplanungs-Richtlinie ist jedoch
die Regelung in § 4 Abs. 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie in dem bisherigen Umfang erhalten
geblieben:
„(5) Für Arztgruppen, bei denen nach dem Stand vom 31. Dezember 1990 bundesweit eine
Zahl von weniger als 1 000 Vertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen
hat, werden Allgemeine Verhältniszahlen nicht bestimmt (§ 101 Abs. 2 Nr. 2 SGB V).
Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft in Abständen von zwei Jahren, welche weiteren
Arztgruppen entsprechend ihrer zahlenmäßigen Entwicklung oder aufgrund der Änderung
der fachlichen Ordnung (§ 101 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) in die Planung einbezogen werden.“
Da der G-BA es in den tragenden Gründen zu seinem Beschluss mit der Feststellung bewenden
lässt, dass „in den vergangenen 5 Jahren ein stetiger Wachstumstrend bei den bisher
nicht beplanten Arztgruppen zu beobachten war“, ohne jedoch für jede einzelne Arztgruppe
die nach § 4 Abs. 5 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie erforderlichen Feststellungen
zu treffen, stellt sich die Frage, nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten die Einbeziehung
der in § 48 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie genannten Arztgruppen in die Bedarfsplanung
erfolgt ist.
Sofern die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 5 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie erfüllt
wären, würde der G-BA gemäß § 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie arztgruppenspezifische
Verhältniszahlen festlegen können. Dies hat er zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unstreitig
nicht getan. Aus den noch festzulegenden arztgruppenspezifischen Verhältniszahlen
könnte der Landesausschuss gem. § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB V, bei Vorliegen der Voraussetzungen,
eine Überversorgung feststellen, was dazu führt, dass der Planungsbereich geschlossen
wird. Aufgrund der fehlenden arztguppenspezifischen Verhältniszahlen kann der Landesausschuss
die Entscheidung nach § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB V jedoch derzeit nicht treffen.
Mit der Regelung des § 48 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie hat der G-BA die Entscheidungsgewalt
über die Umstände der Überversorgung temporär auf sich verlagert. Hierfür müsste ihm
eine ausdrückliche gesetzliche Regelungsbefugnis zustehen. Wie bereits dargestellt,
handelt es sich bei der Aufgabenzuweisung aus § 104 Abs. 2 SGB V um eine abgestufte
Form der Normgesetzgebungsbefugnis, die auch Verfahrensweisen im Zusammenhang mit
der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen umfasst. Vorliegend besteht jedoch, wie
oben dargestellt, keine Rechtsgrundlage für den Beschluss des G-BA vom 06.09.2012
hinsichtlich des § 48 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie, sodass die Aufgabenzuweisung
aus § 104 Abs. 2 SGB V hier nicht den Umfang der Beschlussfassung rechtfertigt. Daher
verstößt die Regelung des § 48 Bedarfsplanungs-Richtlinie gegen die gesetzliche Vorgabe
in § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach die Landesausschüsse zur Feststellung von Überversorgung
berechtigt sind.
Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG
Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) regelt, dass alle Deutschen das Recht haben,
Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 82, 209, 223), dass jeder Einzelne das Recht
hat, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen und zur
Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Neben der freien Berufswahl umfasst dieses
Recht auch die Freiheit der Berufsausübung und den Übergang von der unselbstständigen
in die selbstständige Tätigkeit. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vertragsärztliche
Tätigkeit für die meisten Ärzte fortwährend von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung
ist.
Der Beschluss des G-BA vom 06.09.2012 über die Einbeziehung weiterer Arztgruppen in
die Bedarfsplanung und die Entscheidungssperre sind nach der Rechtsprechung des BSG
als sog. Berufsausübungsregelungen i.S.v. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren
(BSG, Urt. v. 17.10.2007, Az.: B 6 KA 45/06 R):
„Die Vorschriften über die Bedarfsplanung und über Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung
wirken auf die Berufsfreiheit der Bewerber um eine vertragsärztliche Zulassung ein.
Eingriffe in dieses Recht auf die Berufsfreiheit sind gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2
Grundgesetz nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, die hinreichend
deutlich die Entscheidung des Gesetzgebers über Umfang und die Grenzen des Eingriffs
erkennen lässt. Für Vorschriften über Zulassungsbeschränkungen für Vertragsärzte,
die als Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren sind, denen keine einer Berufswahl
nahe kommende Bedeutung zukommt, muss die Regelungstiefe im Gesetz selbst nicht besonders
intensiv ausgeprägt sein.“
Selbst wenn man die Eingriffsintensität der Regelungen zur Bedarfsplanung nur auf
der geringeren Stufe der Berufsausübungsfreiheit annimmt, fehlt es vorliegend an der
in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vorgeschriebenen gesetzlichen Grundlage für den Beschluss
des G-BA zum Erlass der Entscheidungssperre. Zwar kann nach dem Urteil des BSG eine
Regelungsbefugnis des G-BA zum Erlass einer Entscheidungssperre bei einer Änderung
der bedarfsplanungsrechtlichen Grundlagen bestehen, jedoch besteht diese keinesfalls
für Sachverhalte, in denen eine klare Regelung durch die Ärzte-ZV erfolgt ist oder
zu erfolgen hat.
Die Anerkennung der eigenständigen Regelungsbefugnis durch den G-BA als untergesetzlichen
Normgeber findet insbesondere dort seine Grenzen, wo grundrechtsrelevante Positionen
der Betroffenen im Sinne der „Wesentlichkeitstheorie“ berührt sind. Der staatliche
Gesetzgeber muss alle wesentlichen und grundlegenden Entscheidungen selber treffen.
Je wichtiger der Inhalt einer Normierung für das ganze staatliche Gemeinwesen ist,
umso genauer muss sie bereits vom Gesetzgeber bestimmt werden (BVerfGE 33, 125, 160).
Vorliegend hat der Gesetzgeber § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV als eine, das Grundrecht
der Berufsfreiheit der niederlassungswilligen Ärzte beachtende, Regelung getroffen,
von der der G-BA nicht abweichen kann. Nur der Gesetzgeber des SGB V oder der Verordnungsgeber
der Ärzte-ZV könnten mittels entsprechender gesetzlicher Regelungen eine Abweichung
von § 19 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV zulassen. Da dies nicht geschehen ist, fehlt dem G-BA
die Kompetenz zur Beschlussfassung über die temporär wirkende Entscheidungssperre
der ab dem 01.01.2013 in die Bedarfsplanung einbezogenen Fachgebiete. § 48 Abs. 2
Bedarfsplanungs-Richtlinie verstößt daher nicht nur gegen die gesetzlichen Vorgaben
in § 19 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV, sondern beinhaltet auch einen nicht gerechtfertigten
Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, die sich ab
dem 06.09.2012 niederlassen möchten.
Fazit
Entgegen dieser Prämisse, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), welches
gemäß § 94 SGB V die Rechtsaufsicht über den G-BA führt, den Beschluss des G-BA über
die Einfügung des § 48 in die Bedarfsplanungs-Richtlinie mit Schreiben vom 18.09.2012
nicht beanstandet. Die aufsichtsrechtlichen Befugnisse des BMG gemäß § 94 Abs. 1 SGB
V sind auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Das Ministerium ist nicht berechtigt,
die Richtlinienbeschlüsse des G-BA unabhängig von einem Rechtsverstoß allein aus –
fachaufsichtsrechtlichen – Zweckmäßigkeitserwägungen heraus zu beanstanden (BSG, Urt.
v. 06.05.2009, Az.: B 6 A 1/08 R). Die Rechtsaufsicht dient damit auch dem Grundsatz
des „Vorrang des Gesetzes“. Nach den obigen Feststellungen hätte das BMG den Beschluss
des G-BA jedoch gemäß § 94 Abs. 1 SGB V beanstanden müssen.
Zulassungswilligen Ärzten der betroffenen Arztgruppen ist zu raten, den Antrag auf
Zulassung, bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen, gegenüber den zuständigen
Zulassungsausschüssen zu stellen und im Falle der Ablehnung gegen diesen Widerspruch
einzulegen, da die fehlende Beanstandung des Beschlusses des G-BA durch das BMG keine
präjudizielle Wirkung für ein gerichtliches Verfahren hat. Vielmehr sind die Entscheidungen
des G-BA im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf einen
etwaigen Verstoß gegen höherrangiges Recht, überprüfbar.
Ärzte, die zu den in § 48 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie genannten Arztgruppen
gehören und denen es durch den Beschluss des G-BA ab dem 06.09.2012 bundesweit nicht
möglich ist, sich vertragsärztlich niederzulassen, können im Rahmen einer Amtshaftungsklage
aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, wegen der verzögerten Zulassung, Schadensersatz
in Höhe ihres voraussichtlich entgangenen Gewinns vor den Zivilgerichten geltend machen.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 12.04.2006, Az.: III ZR 35/05; Urt.
vom 10.02.2011, Az.: III ZR 37/10) besteht eine prinzipielle Haftung für Fehler der
vertragsärztlichen Zulassungsgremien. Der BGH bekräftigt in den Entscheidungen, dass
diejenigen Körperschaften, die Mitglieder in den Zulassungsausschuss entsenden (Kassenärztliche
Vereinigung, Landesverband der Krankenkassen und Ersatzkassen), der Amtshaftung für
die Fehler „ihrer“ Mitglieder unterliegen.
Für das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs ist nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich,
dass ein Verschulden des Zulassungsausschusses vorliegt. Soweit die Sozialgerichte
zu dem Ergebnis gelangen, dass der Beschluss des G-BA vom 06.09.12 rechtswidrig war,
wäre die Entscheidung des Zulassungsausschusses zwar nicht mit der Rechtslage vereinbar.
Allerdings dürfte die Anwendung einer untergesetzlichen Norm durch den Zulassungsausschuss
grds. nicht als fahrlässig anzusehen sein, da eine Behörde auch an untergesetzliche
Bestimmungen, wie die Richtlinien des G-BA, gebunden ist und ihr kein eigenes Überprüfungsrecht
zusteht. In diesem Fall ist der G-BA selbst Adressat des Amtshaftungsanspruchs des
nicht zugelassenen Vertragsarztes, da auch der Erlass einer Rechtsnorm ein typisches
Handlungsinstrument der Exekutive darstellt und somit als hoheitliches Handeln anzusehen
ist. Die Amtspflichtverletzung des G-BA besteht in diesem Fall darin, dass er einen
Beschluss zur Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie gefasst hat, ohne dass hierfür
eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage vorhanden war. Die Drittbezogenheit der Amtspflicht
ergibt sich vorliegend daraus, dass durch den Beschluss zur Einfügung des § 48 Bedarfsplanungs-Richtlinie,
trotz seines abstrakt-generellen Charakters als untergesetzliche Rechtsnorm, auch
die Grundrechte der betreffenden Ärzte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG berührt werden.
Der Gesetzesvorbehalt, durch den vorliegend seitens des G-BA verstoßen worden ist,
dient dazu, die Individualsphäre und damit die Grundrechte des Einzelnen in umfassender
Hinsicht dem originären Zugriff der Exekutive zu entziehen.
Im Ergebnis wäre daher der G-BA, aufgrund eines sog. „legislativen Unrechts“, den
betreffenden Vertragsärzten zum Ersatz des durch den Beschluss kausal entstandenen
Schadens verpflichtet, der darin besteht, dass diese erst zu einem späteren Zeitpunkt
oder, für den Fall, dass durch den Landesausschuss gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie
ab dem 15.02.2013, in dem betreffenden Planungsbereich, Zulassungsbeschränkungen angeordnet
werden sollten, u. U. gar nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden.
Dr. Peter Wigge
Fachanwalt für Medizinrecht
Jens Remmert, LL.M.
Rechtsanwalt
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