Einleitung
Dem Strahlenschutz kommt im Kindesalter eine besonders große Bedeutung zu. Dies wurde
erst kürzlich in einer Übersichtsarbeit von Alzen und Benz-Bohm erneut dargelegt [1] und spiegelt sich in der Tatsache wider, dass auch aktuelle Studien sich weiterhin
mit der Dosisbestimmung und -minimierung bei Röntgenaufnahmen von Kindern beschäftigen
[2]
[3]
[4]
[5]. Ein hohes Potenzial zur Übertragung von Strahlendosen haben insbesondere Durchleuchtungsuntersuchungen
aufgrund der sehr variablen Untersuchungsdauer, die von der Kooperationsfähigkeit
und somit dem Alter des zu untersuchenden Kindes mitbestimmt wird. Daher ist eine
regelmäßige Erfassung der bei den einschlägigen radiologischen Untersuchungen von
Kindern auftretenden Dosisflächenprodukte (DFP) besonders wichtig. Sie dient nicht
nur zur Qualitätskontrolle des einzelnen Untersuchers oder Instituts, sondern auch
zur Festlegung der offiziellen Referenzwerte. Im Jahr 2010 hat das Bundesamt für Strahlenschutz
die geltenden Referenzwerte für radiologische Untersuchungen anhand der ihm vorliegenden
selektionierten DFP-Angaben deutlich nach unten korrigiert [6]. Insbesondere für die Miktionszysurethrografie (MCU) wurden die Referenzwerte für
das Dosisflächenprodukt stark gesenkt, in Abhängigkeit der Altersgruppe der untersuchten
Kinder um 75 – 83 %. Die dieser Anpassung der Referenzwerte zugrunde liegenden Daten
sind die den ärztlichen Stellen im Rahmen der Qualitätssicherung bekannt gewordenen
DFP-Werte einer größeren Zahl ausgewählter Untersuchungen, die allerdings nicht zwingend
eine repräsentative Stichprobe aller MCU-Untersuchungen an Kindern darstellen.
Ziel der Arbeit war es, das gesamte mit einem handelsüblichen Durchleuchtungsgerät
im klinischen Alltag in einer kinderradiologischen Abteilung auftretende Spektrum
von DFP-Werten bei MCU-Untersuchungen von Kindern zu erfassen und mit den geltenden
neuen Referenzwerten zu vergleichen.
Patienten und Methoden
Es wurden retrospektiv alle MCU-Untersuchungen ausgewertet, die durch die beiden zur
Stammbesetzung einer kinderradiologischen Abteilung gehörenden Kollegen in den letzten
5 ½ Jahren durchgeführt wurden (Juli 2006 – Dezember 2011). Erfasst wurden die Untersuchungen,
die mit der Fragestellung nach vesicoureteralen Refluxen durchgeführt wurden. Nicht
erfasst wurden: 1. Untersuchungen, die im Rahmen der Abklärung bestimmter Fehlbildungen
(Analatresien, Vaginalatresien mit Kloakenfehlbildung, u. a.) vom üblichen Untersuchungsgang
abweichen und z. B. zur Suche einer möglichen Fistel-Fistel-Verbindung mit der Darstellung
des Enddarms kombiniert werden; 2. verständlicherweise die Refluxprüfungen, die sonografisch
durchgeführt wurden (Miktionsurosonografie = MUS) und 3. solche Untersuchungen, die
durch Kollegen durchgeführt wurden, die nur vertretungsweise oder kurzfristig in der
Abteilung eingesetzt waren.
Alle Untersuchungen wurden an der abteilungseigenen digitalen Durchleuchtungseinheit
(Easy Diagnost – DSI, Philips) mit gittergesteuerter Pulsierung in „Last-Image-hold“-Technik
durchgeführt, bei der die unter DL erzielten Monitorbilder digital in den Bildspeicher
übernommen werden und auf die Anfertigung von Röntgenaufnahmen weitgehend verzichtet
wird. Alle Untersuchungen wurden mit einem Zusatzvorfilter von 1 mm Al und 0,2 mm
Cu, ohne Streustrahlenraster und mit einer Pulsrate von 3 Bildern pro Sekunde durchgeführt.
Auf eine konsequente Einblendung wurde geachtet. Das verwendete Bildwandlersystem
besteht aus einem BV mit den zur Verfügung stehenden Bildwandlerformaten 17 cm, 25 cm
sowie 38 cm. Die Bildwandler-Eingangsdosisleistung beim 25 cm Eingangsfeld liegt bei
der verwendeten Pulsrate bei 0,18 μGy/s. Das Dosisflächenprodukt wird hierbei errechnet.
Bei Säuglingen wurde die „Kinder-“/„Baby“- Taste aktiviert, ein Modus, der garantiert,
dass bei einem kleinen Durchleuchtungsvolumen die durch die automatische Dosisleistungsregelung
eingestellte Röhrenspannung nicht unter 60 kV sinkt. Bei Säuglingen, die die Harnblase
bereits bei geringer Füllung entleerten, wurde die Füllung 1- bis 2-mal wiederholt
(sogenanntes zyklisches MCU). Die Untersuchungen erfolgten bei wachen, nicht sedierten
oder narkotisierten Kindern.
Insgesamt wurden 413 Untersuchungen bei 379 Kindern ausgewertet, hiervon 227 Mädchen
und 152 Jungen. Das Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Untersuchung betrug im Mittel
2,6 Jahre (1. Lebenstag bis 17,7 Jahre), 7 Kinder waren älter als 12 Jahre. Eine Darstellung
der Altersverteilung liefert [Abb. 1]. Von den 413 Untersuchungen waren 338 Erstuntersuchungen und 75 Wiederholungsuntersuchungen
bei vorbestehendem Reflux zur Beurteilung einer Maturation oder zur Therapiekontrolle
nach antirefluxiver Harnleiterplastik oder Ureterostiumunterspritzung. Nicht in allen
Fällen einer Kontrolluntersuchung war hierbei auch die Erstuntersuchung in unserer
Klinik durchgeführt worden. In einem kleinen Teil der Fälle wurde im Verlauf eine
2. Kontrolluntersuchung durchgeführt.
Abb. 1 Übersicht über die Altersverteilung der untersuchten Kinder zu den jeweiligen Untersuchungszeitpunkten.
Von den 338 Erstuntersuchungen wurden 215 aufgrund eines erstmaligen oder rezidivierenden
Harnwegsinfekts durchgeführt, 123 Untersuchungen aufgrund von sonografischen Auffälligkeiten
(operationspflichtige Subpelvinstenose, einseitiger Megaureter, V. a. Harnröhrenklappe
u. a.).
Ergebnisse
Die mittlere Durchleuchtungszeit betrug 33,6 s vergleichbar zu den Angaben in der
Literatur [7]
[8]
[9]. Das mittlere Dosisflächenprodukt aller Untersuchungen lag bei 0,97 dGycm² (0,1 – 11,1 dGycm²)
mit einer Standardabweichung von 1,34 dGycm². Eine detaillierte Übersicht über alle
aufgetretenen Dosisflächenprodukte im Vergleich zu den aktuellen Referenzwerten ist
in [Abb. 2] zu finden, eine Darstellung der mittleren DFP-Werte in den 4 Altersgruppen, zu denen
das Bundesamt für Strahlenschutz Referenzwerte herausgegeben hat, sowie über die Referenzwerte
aus den Jahren 2003 und 2010 liefert [Abb. 3], hierbei wurden in der Gruppe „Neugeborene“ Säuglinge bis zu einem Alter von 3 Monaten
zusammengefasst. In [Abb. 4] sind in Form eines ‚Boxplots’ Angaben zur Verteilung der aufgetretenen Dosisflächenprodukte
in den verschiedenen Altersgruppen und der Häufigkeit der Überschreitung der Referenzwerte
zusammengefasst. Die in den 4 Altersgruppen aufgetretenen Dosisflächenprodukte lagen
im Mittel bei 25 % bis knapp 55 % des jeweiligen Referenzwerts (40,1 %/25,0 %/54,6 %
bzw. 29,2 % für die Altersgruppen Neugeborene/8 – 12 Monate/3 – 7 Jahre bzw. 8 – 12
Jahre). Der Mittelwert des Dosisflächenprodukts aller 413 Untersuchungen lag mit 0,97 dGycm²
knapp unter dem niedrigsten Referenzwert von 1,0 dGycm² = 10 cGycm², der für Neugeborene
gilt. Die Referenzdosiswerte wurden bei 12 von 216 Untersuchungen von den Kindern
überschritten, deren Alter in einer der 4 vom Bundesamt für Strahlenschutz genannten
Altersklassen lag ([Tab. 1]). Dies entspricht 5,6 % der Untersuchungen. Es handelt sich hierbei um 7 Jungen
und 5 Mädchen. Drei der Kinder waren aus der Altersgruppe der Säuglinge, 8 aus der
Altersgruppe der 3- bis 7-Jährigen und ein Kind aus der Altersgruppe der 8- bis 12-Jährigen.
Die mittlere Durchleuchtungszeit lag bei diesen 12 Kindern mit 78 s deutlich höher
als die mittlere Durchleuchtungszeit aller Kinder mit knapp 34 s. Folgende Auffälligkeiten
wurden im Befundbericht der MCU-Untersuchungen dieser Kinder beschrieben: 6 der Kinder
konnten oder wollten lange Zeit kein Wasser lassen, in 3 Fällen wurde nach sehr langem
Zuwarten letztlich ein Töpfchen auf dem Untersuchungstisch montiert, der hierzu vertikal
gestellt werden musste. Ein Junge mit Urethralklappe vermochte wiederholt nur äußerst
kleine Urinportionen zu lassen, sodass es zunächst nicht möglich war, die kontrastierte
Urethra zu dokumentieren. Bei einem Jungen mit Doppelnierenanlage, Ureterozele und
hochgradigem Reflux in die untere Nierenanlage kam es zunächst immer wieder zu Unterbrechungen
der Miktion unmittelbar nach Miktionsbeginn. Bei einem Jungen mit Lipomeningomyelozele
und eingeschränkter Blasenkontrolle dauerte es längere Zeit, bis nach zunächst nur
winzigen Urinportionen zumindest ein kurzer Harnstrahl zustande kam. Für ein Mädchen
war im Befund der Zuweiser eine Detrusor-Sphinkter Dyskoordination beschrieben mit
abgeflachtem, mehrgipfligem Profil im Flow EMG (Uroflowelektromyografie). Bei einem
Mädchen war die Kooperationsfähigkeit stark eingeschränkt wegen eines Dysmorphiesyndroms
mit Intelligenzminderung bei gleichzeitig bestehendem Anfallsleiden (ICD 10 E34.3
und G40.0) und bei einem Jungen waren wegen fehlender Angaben im Untersuchungsbericht
die Gründe für das erhöhte DFP retrospektiv nicht mehr eruierbar.
Abb. 2 Dosenflächenprodukte aller Untersuchungen. Markiert sind die neuen Referenzwerte
(2010) für die 4 vorgegebenen Altersklassen durch horizontale schwarze Linien.
Abb. 3 Übersicht über die mittleren Dosisflächenprodukte in den 4 Altersgruppen (schwarz,
jeweils links) im Vergleich zu den Referenzwerten aus den Jahren 2003 (dunkelgrau,
jeweils rechts) und 2010 (hellgrau, jeweils mittig).
Abb. 4 Darstellung der DFP-Verteilung in den 4 Altersgruppen als Boxplot: Die Kästchen entsprechen
jeweils den mittleren 50 % der Untersuchungsergebnisse, die senkrechten Linien dem
Bereich der im oberen und unteren Viertel aufgetretenen DFP-Werte. Die Referenzwerte
sind durch horizontale schwarze Balken markiert.
Tab. 1
Mittlere Dosisflächenprodukte der einzelnen Altersgruppen und Häufigkeit der Überschreitung
der Referenzwerte.
|
Altersgruppe
|
|
Neugeborene
|
10 Mon ± 2
|
5 Jahre ± 2
|
10 Jahre ± 2
|
|
Anzahl der Untersuchungen
|
80
|
28
|
78
|
30
|
|
Referenzdosis (dGycm²)
|
1,0
|
2,0
|
3,0
|
6,0
|
|
mittlere DFP (dGycm²)
|
0,4
|
0,5
|
1,6
|
1,8
|
|
Minimum
|
0,1
|
0,2
|
0,2
|
0,3
|
|
Maximum
|
1,8
|
1,4
|
6,9
|
11
|
|
SD
|
0,3
|
0,3
|
1,4
|
1,5
|
|
Überschreitung der Referenzdosis
|
|
|
|
|
|
Anzahl der Fälle
|
3
|
0
|
8
|
1
|
|
Anzahl in %
|
3,75 %
|
0,00 %
|
10,26 %
|
3,33 %
|
Diskussion
Der beste Strahlenschutz ist die vollständige Vermeidung ionisierender Strahlung,
sodass der Miktionsurosonografie (MUS) eine zunehmende Bedeutung als Alternative zur
klassischen MCU zukommt. Die MUS ist inzwischen gut evaluiert [10]
[11]
[12]
[13] und wird in den Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) (S1-Leitlinie,
Stand 3/2011) zur Abklärung einer Harntransportstörung als Alternative zur MCU-Untersuchung
bei Mädchen mit einseitiger Dilatation der ableitenden Harnwege oder zur Refluxprüfung
bei gesichertem erstem fieberhaftem Harnwegsinfekt empfohlen [14]
[15]. Eine MUS ist jedoch aus verschiedenen Gründen nicht in jeder Abteilung durchführbar.
So bedarf es hierzu moderner Schallgeräte mit einem speziellen Untersuchungsmodus
und einer entsprechenden Expertise auf Seiten der Untersucher. Eine Miktionsurosonografie
ist relativ zeitaufwendig und blockiert Abteilungen mit nur einem Schallgerät unter
Umständen den sonografischen Arbeitsplatz. Ferner ist bislang nur ein einziges Ultraschallkontrastmittel
(Levovist) zur Durchführung einer MUS bei Kindern zugelassen, das jedoch derzeit auf
dem Markt nicht verfügbar ist [16]. Die Verwendung anderer Ultraschallkontrastmittel bedeutet somit eine sogenannte
„Off-Label“-Anwendung. Das MCU hat aus diesen und weiteren Gründen bislang immer noch
eine weite Verbreitung und einen akzeptierten Stellenwert als Basisuntersuchung zur
Refluxprüfung bei Kindern, der sich auch in den Leitlinien der kinderradiologischen
Fachgesellschaft widerspiegelt [17].
Da die Refluxprüfung in der Kinderradiologie eine durch die Zuweiser häufig angeforderte
Untersuchung ist, ist es um so wichtiger, sie in den Fällen, in denen sie durch eine
MCU durchgeführt wird, mit möglichst geringer Röntgendosis durchzuführen.
Für die bei einer Untersuchung auftretende Durchleuchtungszeit gibt es hierbei keine
Referenzwerte. Die in unserer Studie aufgetretenen Durchleuchtungszeiten von im Mittel
knapp 34 s (Maximum 3,1 min, Standardabweichung 19,8 s) lagen im Bereich der in der
Literatur zu findenden Angaben. So geben Persinakis et al. für 118 MCU-Untersuchungen
bei pädiatrischen Patienten eine mittlere Durchleuchtungszeit von 44 s für Mädchen
und 55 s für Jungen an [7]. Darling et al. berichten über eine mittlere Durchleuchtungszeit von 47 s bei 10 594
Untersuchungen mit einer deutlichen Reduktion im Verlauf auf 29 s in den letzten beiden
Jahren des Untersuchungszeitraums. Ward et. al ermittelten bei 145 Kindern im Alter
von 3 Tagen bis 8 Jahren, unabhängig vom Körperdurchmesser der Kinder, eine mittlere
Durchleuchtungszeit von 2 min [9]. Da die Durchleuchtungszeit neben anderen Parametern das Dosisflächenprodukt unmittelbar
beeinflusst, wird sie indirekt auch über das DFP erfasst.
Nach Ward lässt sich durch Verwendung einer gepulsten digitalen Durchleuchtungseinheit
eine DFP-Reduktion um 80 – 90 % erreichen [9]. Bei Speicherung der digitalen Durchleuchtungsbilder ist hierbei die routinemäßige
Anfertigung von zusätzlichen Röntgenzielaufnahmen nicht erforderlich. So berichten
Feffermann et al. sowie Bazopoulos et al. über eine hohe Übereinstimmung bzgl. der
Beurteilung des Vorhandenseins vesicoureteraler Refluxe zwischen LIH-Aufnahmen und
zusätzlich angefertigten Röntgenzielaufnahmen von 94,7 bzw. 97,2 % der untersuchten
Nieren-Ureter-Einheiten, bei allerdings relativ kleinen untersuchten Fallzahlen von
65 bzw. 57 MCU-Untersuchungen [18]
[19]. Bazopoulos et al. konnten eine Reduktion der Hautdosis um über 50 % durch Verzicht
auf zusätzliche Röntgenzielaufnahmen erreichen [19]. In den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission zur diagnostischen Bildgebung
beim Kind aus dem Jahr 2006 heißt es: „In der Kinderradiologie muss bei Durchleuchtungsuntersuchungen
mit gepulster Durchleuchtung gearbeitet werden.“ und „Die Dokumentation über das Speicherbild
(last-hold-image) ist in aller Regel ausreichend.“ [20].
Die für das MCU vom Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichten Referenzwerte wurden
im Juni 2010 drastisch gesenkt, je nach Altersgruppe um 75 – 83 % der bislang geltenden
Werte. Grundlage der Korrekturen ist die 75. Perzentile der Daten, die den ärztlichen
Stellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Qualitätskontrolle bekannt gemacht
wurden. Hierbei werden die in Deutschland auftretenden DFP-Werte jedoch keineswegs
systematisch erfasst, sondern es wird von jeder Abteilung, in der solche Untersuchungen
durchgeführt werden, lediglich eine kleine Stichprobe von in der Regel 10 Untersuchungen
in größeren Abständen auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften überprüft.
Hierbei fordern nicht alle ärztliche Stellen gezielt bestimmte Untersuchungen an,
in vielen Fällen bleibt den zu überprüfenden (kinder-)radiologischen Abteilungen und
Praxiseinrichtungen die Auswahl der Untersuchungen überlassen, die der ärztlichen
Stelle bekannt gemacht werden. Es ist zu erwarten, dass die überprüften Institutionen
die Tendenz aufweisen werden, vorwiegend die Daten gut gelungener Untersuchungen mit
eher niedrigen erzielten DFP-Werten mitzuteilen, um mögliche Nachfragen und eventuelle
Rechtfertigungen zu vermeiden. Institute mit niedrigen Untersuchungszahlen brauchen
z. T. keine DFP-Werte anzuzeigen. Gerade in solchen Instituten könnten jedoch aufgrund
geringerer Erfahrung potenziell höhere DFP-Werte auftreten. Es ist also davon auszugehen,
dass die den ärztlichen Stellen bekannt gemachten DFP-Werte keine repräsentative Stichprobe
aller auftretenden Dosisflächenprodukte darstellen. Da zudem nur 4 Altersgruppen abgefragt
werden, in die dtl. weniger als 50 % aller Untersuchungen fallen, wie weiter unten
erörtert wird, wird insgesamt nur ein kleiner, selektionierter Teil der Untersuchungen
erfasst.
In der vorliegenden Untersuchung sollte daher überprüft werden, welches Spektrum an
DFP-Werten in der täglichen Routine bei der Durchführung eines MCU nach dem aktuellen
Stand der Technik tatsächlich auftreten und wie sich diese Werte in Bezug auf die
geltenden Referenzwerte verhalten. Insbesondere sollte keine Auswahl von bestimmten
DFP-Werten erfolgen, sondern es wurden alle im Untersuchungszeitraum aufgetretenen
Werte erfasst, deren Untersuchungen den oben beschriebenen Einschlusskriterien genügten.
Dies ist insofern von Bedeutung, als die Dauer von Durchleuchtungsuntersuchungen und
somit auch die auftretende Strahlendosis gerade bei der Untersuchung von Kindern stark
vom Verhalten und der Kooperationsfähigkeit des einzelnen Patienten abhängt und somit
stärkeren Schwankungen unterliegt. Lässt ein Kind beispielsweise bereits bei sehr
geringer Harnblasenfüllung das erste Mal Wasser, so ist eine zweite, ggf. sogar eine
dritte Füllung mit zusätzlichen kurzen Durchleuchtungszeiten abzuwarten (Zyklisches
MCU). Ist das Kind sehr ängstlich und rutscht durch eine unvorhergesehene starke Bewegung
plötzlich aus der ‚Fixierung’, zum Beispiel den haltenden Händen des Untersuchers
an den Füßen, so ist eine Korrektur der Position erforderlich, die u. U. eine kurze
Durchleuchtung erforderlich macht, damit z. B. die Urethra eines Knaben bei beginnender
Miktion sofort im Untersuchungsfeld liegt. Wird der Beginn der Miktion durch ein etwas
älteres Kind mehrfach angekündigt, ohne dass sie auch tatsächlich erfolgt, kann dies
zu einer Erhöhung der Dosis führen, ebenso wie ein wiederholtes abruptes Unterbrechen
der Miktion, wodurch eine Darstellung der kontrastierten Urethra verhindert wird.
Aufgrund der Selektion der den ärztlichen Stellen bekanntgemachten DFP-Werte einerseits
und der zu erwartenden möglichen Schwankungsbreite der auftretenden DFP-Werte andererseits
ist es nur schwer abschätzbar, ob tatsächlich 75 % der bundesweit durchgeführten MCU-Untersuchungen
bei Kindern den geänderten Referenzwerten genügen, die auf der Basis der 75. Perzentile
der gemeldeten Werte erstellt wurden.
Da die auftretenden Dosisflächenprodukte stark von der Körpergröße bzw. dem durchleuchteten
Körpervolumen und damit eng korreliert vom Alter eines untersuchten Kindes abhängen,
wurden Referenzwerte für 4 Altersgruppen definiert: Neugeborene, 8 – 12 Monate, 3 – 7
Jahre und 8 – 12 Jahre.
In diese Altersklassen fielen 164 der 413 in unserer Studie erfassten Untersuchungen
(39,7 %). Da in den ersten 30 Lebenstagen nur relativ selten MCU-Untersuchungen durchgeführt
werden, wurden bei den Auswertungen in dieser Arbeit alle Kinder bis zum Alter von
3 Monaten in die Altersklasse Neugeborene aufgenommen, so dass der Anteil der auswertbaren
Untersuchungen auf 52,3 % (216 Untersuchungen) angehoben werden konnte.
Die in der vorliegenden Studie erhobenen Daten zeigen, dass in nahezu allen Fällen
die Referenzwerte eingehalten wurden. Sogar der Mittelwert aller Untersuchungen lag
mit 0,97 dGycm² knapp unterhalb des Referenzwerts für Neugeborene von 1,0 dGycm².
Bei 12 von 216 Untersuchungen (5,6 %) von Kindern im Alter der Referenzaltersgruppen
wurde der Referenzwert überschritten. Nach dem Bundesamt für Strahlenschutz [6] stellen die Referenzwerte obere Richtwerte dar, die im Mittel nicht überschritten
werden sollen, keine festen Obergrenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Auch
die Internationale Strahlenschutzkommission hält unter anderem wegen der möglichen
Variabilitäten der Untersuchungsbedingungen vorgegebene feste Obergrenzen des DFP
für eine Untersuchung nicht als geeignetes Mittel zum Strahlenschutz [21]. Entsprechend bestätigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass es bei komplexeren
Befunden (Doppelniere mit Ureterozele, Urethralklappe, Meningozele mit gestörter Harnblasenfunktion)
sowie bei eingeschränkter Kooperationsfähigkeit der Kinder in wenigen Fällen zu einem
DFP oberhalb der Referenzwerte kommen kann. Am häufigsten trat dies in der Altersgruppe
der 3- bis 7-jährigen Kinder auf, die beginnen, einen eigenen Willen zu entwickeln,
wodurch auch die Kooperationsbereitschaft eingeschränkt sein kann.
Es ist somit durchaus zulässig, dass einzelne Untersuchungen den Referenzwert überschreiten.
Eine Vorschrift dazu, in wie viel Prozent der Einzelfälle ein Referenzwert höchstens
überschritten werden darf, existiert nicht. Zum einen führt das Bundesamt für Strahlenschutz
(BfS) aus, dass Referenzwerte als Perzentile einer beobachteten Verteilung der mittleren
Patientendosen verschiedener Anwender (z. B. die 75. Perzentile) festgelegt sind [6], sodass man rückfolgern könnte, dass auch beim einzelnen Untersucher in nicht mehr
als 25 % der Fälle die Referenzwerte überschritten werden sollte. Zum anderen wird
jedoch durch das BfS betont, wie oben zitiert, dass lediglich die Mittelwerte der
auftretenden Dosisflächenprodukte die Referenzwerte nicht überschreiten sollen. Dies
ist eine relativ schwache Vorgabe, da bei schiefen Verteilungen durchaus mehr als
die Hälfte der Fälle den Mittelwert überschreiten kann, sodass Konstellationen denkbar
sind, in denen die Anforderung des BfS erfüllt ist, obwohl in mehr als der Hälfte
der Fälle der Referenzwert überschritten wird. Noch schwächer sind die Vorgaben durch
die Röntgenverordnung (§ 17a, Absatz1), nach der erst eine beständige, ungerechtfertigte
Überschreitung der Dosisreferenzwerte den zuständigen Landesbehörden zu melden ist
[22].
Es erscheint zunächst erstaunlich, dass die in der vorliegenden Studie berichteten
DFP-Werte deutlich unter den stark gesenkten Referenzwerten lagen, obwohl davon auszugehen
ist, dass die Referenzwerte auf der Basis von Untersuchungen erstellt wurden, deren
DFP-Werte im unteren Bereich der auftretenden Dosisflächenprodukte lagen. Eine mögliche
Erklärung könnte daran liegen, dass die den ärztlichen Stellen gemeldeten Werte, die
an älteren, nicht digitalen Durchleuchtungsanlagen erzielt wurden, ebenfalls in die
Erstellung der Referenzwerte eingeflossen sind. Auf Anfrage wurde den Autoren von
Seiten des Bundesamts für Strahlenschutz mitgeteilt, dass bei der Erstellung der Referenzwerte
nicht zwischen den Angaben von DFP-Werten an konventionellen Durchleuchtungsanlagen
und an digitalen Durchleuchtungsanlagen unterschieden wurde. Für den Gesetzgeber ist
es eine schwierige Aufgabe einheitliche Referenzwerte für technisch so unterschiedliche
Gerätetypen festzulegen. Problematisch wäre es, Gerätetypen, die die gesetzlichen
Bestimmungen einhalten, für bestimmte Untersuchungen auszuschließen. Da sich jedoch
mit der digitalen Technik das Dosisflächenprodukt gegenüber der konventionellen Technik
erheblich senken lässt, wie oben ausgeführt [9], und zudem zu erwarten ist, dass die Zahl der im Einsatz befindlichen Altgeräte
insbesondere auch durch Verschärfungen der gesetzlichen Bedingungen deutlich abnimmt
(so sind seit dem 1.1.2012 Durchleuchtungsuntersuchungen nur noch an Geräten mit dosissparenden
Kennlinien zulässig), sind weitere zukünftige Überarbeitungen der Referenzwerte wünschenswert,
die das sich ändernde Gerätespektrum widerspiegeln. Hierzu bieten die hier vorgestellten
Daten einen Anhaltswert, reichen jedoch bei Weitem nicht aus, da sie lediglich an
einem einzigen Zentrum erhoben wurden und daher nicht repräsentativ sein können.
Beurteilung
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sich bei Verwendung der zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten zum Strahlenschutz (erfahrender Untersucher, digitale Durchleuchtung
mit niedriger Pulsfrequenz‚ ‘Last-Image-hold’-Modus mit weitgehendem Verzicht auf
die Anfertigung von zusätzlichen Aufnahmen, Zusatzfilterung, Verzicht auf Streustrahlenraster,
Verwendung einer in der SV-RL geforderten geringen Bildverstärkereingangsdosisleistung
und konsequente Einblendung) bei Kindern in der täglichen Routine niedrige DFP-Werte
bei der MCU-Untersuchung erzielen lassen, sodass sich nicht nur für ausgewählte Fälle,
sondern für das Gesamtkollektiv – auch bei schwierigen Untersuchungsbedingungen –
die stark gesenkten Referenzwerte des Bundesamts für Strahlenschutz in aller Regel
einhalten und in den meisten Fällen deutlich unterschreiten lassen. Die im Jahr 2010
gesenkten Dosisreferenzwerte sind jedoch weiterhin optimierbar.