Einleitung
Dyspnoe ist eines der häufigsten Symptome bei Patienten, ungeachtet der vielfältig
zugrundeliegenden Störungen und Erkrankungen. Dabei wird die „Dyspnoe als ein subjektives
Mißempfinden im Zusammenhang mit der Atmung“ definiert und unterliegt daher in hohem
Maße der Persönlichkeit des Patienten. Aktuell wird die Entstehung der Dyspnoe damit erklärt, dass die Stimulation zentraler
Areale (über chemische Faktoren, wie pH-Wert, CO2- und O2-Sensoren) sowie Mechanorezeptoren aus der Muskulatur sowie den Sehnen und intrapulmonalen
Rezeptoren (C-Fasern im Lungenparenchym; J-Fasern in den Bronchien und Gefäßen) nicht
zu einer entsprechenden ventilatorischen Antwort führt [1]
[2]
[3]. Es wurden verschiedene Instrumente zur Erfassung und Quantifizierung der akuten
und chronischen Dyspnoe etabliert, wobei das Spektrum von visuellen Analogskalierungen
bis hin zur Beschreibung der Dyspnoe im Rahmen von mehrdimensionalen Fragebögen zur
Lebensqualität reicht [4]
[5]
[6]
[7].
Während eine Reihe von Daten zur Häufigkeit und Differenzierung von Patienten mit
akuter Dyspnoe vorrangig aus Notaufnahmen von Krankenhäusern publiziert wurden [8]
[9]
[10]
[11], sind solche Informationen zur chronischen Dyspnoe seltener. Für Deutschland liegen
Informationen zur chronischen Dyspnoe aus einer Befragung in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein
in 126 Allgemeinpraxen mit mehr als 4000 Patienten (Alter im Mittel bei 56 Jahren)
vor [12]. Dabei bejahte jeder vierte Patient die Frage nach dem Symptom „Atemnot beim Treppensteigen“,
und jeder zehnte Patient gab „Luftnot beim Gehen in der Ebene“ an. Nächtliche Luftnot
wurde von weniger als 10 % der Patienten angeben. In einer populationsbezogenen Studie
in Australien (Befragung von 5331 Probanden) gaben 11,1 % chronische Dyspnoe an [13]. Im Rahmen einer populationsbezogenen Studie in Norddeutschland wurden zwischen
1997 – 2001 insgesamt 4310 Probanden befragt, wobei 17,7 % über eine Luftnot bei Belastung
berichteten (unpublizierte Daten). In Studien aus allgemeinärztlichen Praxen [14]
[15] wird die Dyspnoe als führender Konsultationsgrund bei etwa 4 % aller Inanspruchnahmen
angegeben.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Erfassung der Häufigkeit des Vorliegens einer
chronischen Dyspnoe bei konsekutiven Patienten in zwei kardiologischen und einer pneumologischen
Praxis mittels Fragebogen.
Methodik
In zwei Facharztpraxen für Kardiologie (1 × Stadt mit > 200 000 Einwohnern [Praxis
1]; 1 × Stadt mit 11 000 Einwohnern und ländlichem Umfeld [Praxis 2]) und in einer
Facharztpraxis für Pneumologie (Stadt mit > 500 000 Einwohnern [Praxis 3]) wurden
im II. Quartal 2011 Patienten zur Teilnahme an einer anonymisierten Befragung zum
Vorliegen einer chronischen Dyspnoe eingeladen. Nach Aufklärung über die Zielstellung
der geplanten Befragung mit nachfolgender Datenerhebung wurde das Einverständnis der
Patienten dokumentiert.
Vom Praxispersonal wurde den Patienten ein speziell entwickelter Fragebogen ausgehändigt,
welcher das Vorliegen einer chronischen Dyspnoe (d. h. länger als zwei Wochen bestehend)
erfasste. Wenn dieser Sachverhalt positiv beantwortet wurde, sind weitere Fragen zu
ausgewählten Symptomen/Beschwerden und zum Rauchverhalten gestellt worden ([Abb. 1]). In dem vom Arzt auszufüllenden Teil wurden zwei Fragen („Sind Vorbefunde bekannt?“
bzw. „Sind auffällige Laborbefunde vorhanden?“) gestellt, und anschließend sollte
ein Gesamturteil („Ist die Dyspnoe ausreichend durch die vorliegenden Informationen
erklärt?“) abgegeben werden.
Abb. 1 Fragebogen.
Die Patienten wurden konsekutiv zur Teilnahme an der Befragung eingeladen, wobei Patienten
mit alleiniger Vorstellung zum Erhalt eines Rezeptes, zur Teilnahme an einer Patientenschulung,
zur Durchführung geplanter Prozeduren (Desensibilisierung, Schrittmacherabfrage, Anlegen
eines Langzeit-EKGs oder einer 24-Stunden-Blutdruck-Messung, Karotis-Duplex-Sonografie
u. a. m.) nicht berücksichtigt wurden.
Datenerfassung
Die Ergebnisse der Fragebögen wurden in einer webbasierten, anonymisierten Datenbank
erfasst und ausgewertet (mit Unterstützung der Fa. Docxcellence GmbH, Berlin).
Zur Durchführung der Befragung existiert ein Votum der Ethikkommission der Ernst-Moritz-Arndt
Universität Greifswald vom 22.02.2011 (Reg.-Nr. 03/10a).
Ergebnisse
Zur Auswertung standen 1286 Fragebögen mit vollständigen Angaben zur Verfügung. Drei
Bögen wurden aufgrund unvollständiger Angaben von der Auswertung ausgeschlossen. Es
wurde in den Praxen nach Beginn der Studie deutlich, dass ein Teil der Patienten nicht
selbstständig zur Beantwortung der Fragen in der Lage war. Etwa ein Drittel der Patienten
benötigte Unterstützung zum Ausfüllen der Fragebögen durch das Praxispersonal. Aufgrund
mangelnder personeller Ressourcen wurde die Befragung in der Praxis 2 (Kardiologie)
vorzeitig eingestellt, jedoch wurden die Daten in die Analyse einbezogen.
Das Geschlechterverhältnis der teilnehmenden Personen war weitgehend ausgeglichen,
wobei in 73 Fällen die Angaben zum Geschlecht fehlten. Die Angaben zum Körpergewicht
und der Körpergröße waren häufig unvollständig, sodass keine Korrektur der Daten hinsichtlich
des BMI möglich war.
Der Anteil der Patienten mit einer chronischen Dyspnoe (inklusive „Dyspnoe und Schwächegefühl“)
lag in der Praxis 1 (Kardiologie) bei 15,3 %; in der Praxis 2 (Kardiologie) bei 50,9 %
und in der Praxis 3 (Pneumologie) bei 57,7 %. Ausschließlich eine „chronische Dyspnoe“
lag bei 10,4 %, 39,6 % bzw. 31,4 % der Patienten vor ([Abb. 2]).
Abb. 2 Umfang und Verteilung der Patienten in den drei Praxen.
In [Tab. 1] wurde der prozentuale Anteil der von den Patienten mit einer chronischen Dyspnoe
(inklusive „Dyspnoe und Schwächegefühl“) positiv beantworteten Fragen dargestellt.
Tab. 1
Ergebnisse der Befragung bei Patienten (Anteil positiver Antworten in Prozent).
Fragestellung
|
Praxis 1
|
Praxis 2
|
Praxis 3
|
„Haben Sie gelegentlich auch in Ruhe Luftnot oder wachen Sie nachts wegen Luftnot
auf?“
|
39,7
|
16,6
|
30,5
|
„Haben Sie am Abend gelegentlich geschwollene Beine?“
|
40,3
|
48,1
|
49,0
|
„Müssen Sie nachts häufig zum Wasserlassen aufstehen?“
|
45,8
|
46,3
|
51,9
|
„Ist bei Ihnen eine chronische Lungen- oder Herzerkrankung bekannt?“
|
54,2
|
37,0
|
83,9
|
„Sind bei Ihnen andere Erkrankungen bekannt?“
|
81,9
|
48,1
|
68,0
|
„Ist bei Ihnen eine Allergie (oder „Heuschnupfen“) ärztlich festgestellt worden?“
|
16,7
|
9,3
|
40,7
|
„Sind Sie Raucher bzw. waren Sie Raucher?“
|
19,4
|
24,1
|
41,9
|
Von den Ärzten und Ärztinnen wurde angegeben, dass bei 91,6 % (Praxis 1), 83,3 % (Praxis
2) und 24,9 % (Praxis 3) der Patienten Vorbefunde bekannt waren. Auffällige Laborbefunde
lagen nur bei 9,7 % (Praxis 1), bei 3,7 % (Praxis 2) und 8,8 % (Praxis 3) der Patienten
vor.
Im Ergebniss mussten die Ärzte und Ärztinnen ein Urteil zur Dyspnoe („Ist die Dyspnoe
ausreichend durch die vorliegenden Informationen erklärt?“) abgeben, wobei in der
Praxis 1 diese Frage bei 60 % (43/72, d. h. 59,7 %), in der Praxis 2 bei 91 % (49/54,
d. h. 90,7 %) und in der Praxis 3 bei 78 % (322/410, d. h. 78,5 %) der Patienten positiv
beantwortet wurde ([Abb. 3]).
Abb. 3 Anteil der Patienten mit ausreichend geklärter Ursache der Dyspnoe.
Diskussion
Der Anteil der Patienten mit einer chronischen Dyspnoe (inklusive „Dyspnoe und Schwächegefühl“)
wurde mithilfe eines Fragebogens in kardiologischen Facharztpraxen mit 15,3 % bzw.
50,9 % und in einer pneumologischen Facharztpraxis mit 57,7 % der befragten Patienten
ermittelt. Ausschließlich eine chronische Dyspnoe wurde von 10,4 %, 39,6 % bzw. 31,4 %
der befragten Patienten angegeben. Die Unterschiede des prozentualen Anteils der Patienten
mit einer chronischen Dyspnoe sind augenfällig, können jedoch nicht mit den zur Verfügung
stehenden Daten (Datenumfang, Art der Erhebung) erklärt werden. Als mögliche Ursache
kann eine unterschiedliche Patientenstruktur bzw. Überweisungsverhalten in den beiden
kardiologischen Praxen gelten, wobei diese Frage nicht Gegenstand der Auswertung war.
Über alle drei Praxen gesehen, gaben im Mittel 24,4 % aller befragten Patienten eine
alleinige chronische Dyspnoe an. Dieser Anteil von Patienten mit chronischer Dyspnoe
wurde auch bei einer Befragung von mehr als 4000 Patienten in Allgemeinpraxen dokumentiert
[12].
Auffällig bei der Auswertung der Daten war ein sehr unterschiedlicher Anteil der Patienten
mit bekannten Vorbefunden, wobei dieser in den kardiologischen Praxen bei 80 – 90 %
und in der pneumologischen Praxis lediglich bei 25 % der Patienten angegeben wurde.
Die Ursachen für diesen Unterschied zwischen den Praxen in unserer Untersuchung bleiben
offen.
Die von uns durchgeführte Befragung zeigt, dass eine von den Patienten mitgeteilte
chronische Dyspnoe (inklusive „Dyspnoe und Schwächegefühl“) mittels des verwendeten
Fragebogens und bei Kenntnis von Vorbefunden, welche durch die Patienten mitgebracht
wurden, in 60 – 90 % der Fälle als ausreichend geklärt angesehen werden kann. Die
Mittelung der Ergebnisse unserer Befragung über die drei Praxen macht, ungeachtet
der methodischen Limitierungen eines solchen Vorgehens, deutlich, dass bei etwa 75 %
(414/536) aller Patienten mit chronischer Dyspnoe (inklusive „Dyspnoe und Schwächegefühl“)
die Ursache als ausreichend geklärt angesehen wird.
Somit kann festgestellt werden, dass bei nur 25 % der Patienten mit chronischer Dyspnoe
weiterführende Untersuchungen zur ausreichenden Klärung der Ursache notwendig sind.
Die Limitierungen der vorliegenden Studie sind u. a. in der fehlenden Vollerfassung der Patienten in
den untersuchten Praxen zu suchen. Die Erhebung eines (wenn auch kurzen) Fragebogens
in einer Facharztpraxis ist mit einer relevanten zusätzlichen Belastung für das Praxispersonal
verbunden. In unserer Erhebung wurde deutlich, dass etwa ein Drittel der Patienten
Unterstützung beim Ausfüllen des Fragebogens benötigte. Daher sollten bei zukünftigen
Untersuchungen mit Fragebögen zusätzliche personelle Ressourcen eingeplant werden.
Der von uns verwendete Fragebogen wurde bisher nicht zur Erhebung einer chronischen
Dyspnoe in der Praxis validiert. Dieses stellt jedoch ein generelles Problem der meisten
verwendeten Fragebögen dar, welche überwiegend zur Erfassung der Dyspnoe bei bestimmten
Erkrankungen oder für epidemiologische Studien validiert wurden [16].