Einführung
Pruritus wird als chronische Juckempfindung definiert, wenn sie mehr als 6 Wochen
anhält. Wie hoch die Inzidenz des chronischen Pruritus ist, ist bislang nicht genau
bekannt. Eine vorläufige Studie geht von einer Inzidenz von ca. 7 % für den chronischen
Pruritus in Deutschland aus. In größeren Patientenbefragungen schwankt die Angabe
zur Prävalenz zwischen 8 und 23 % der erwachsenen Bevölkerung. Chronischer Pruritus
kann in jedem Lebensalter auftreten. Aktuelle Studien zeigen, dass der chronische
Pruritus häufig bei älteren Patienten und tendenziell eher bei Frauen auftritt [1]. Bei Kindern geht man von einer niedrigen Inzidenz des chronischen Pruritus mit
ca. 2,8 % aus. Dies ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass Kinder weniger Komorbiditäten
vorweisen, die oftmals bei den älteren Patienten zu finden sind. In einer retrospektiven
Untersuchung wurde kürzlich die Häufigkeit der Ursachen von chronischem Pruritus in
einem konsekutiven Patientenkollektiv (8 – 95 Jahre) evaluiert. Bei den über 260 untersuchten
Patienten waren Dermatosen (44,4 %) am häufigsten, gefolgt von systemischen (13,3 %)
und neurologischen (0,4 %) Erkrankungen [1]. Fast die Hälfte hatte keine offensichtlich zusammenhängende Ursache, ließ aber
eine allmähliche Akkumulation von pruritogenen Faktoren wie z. B. Hyperurikämie, Diabetes
mellitus, Medikamenteneinnahme, trockene Haut erkennen, die in der Summe letztlich
zu einem multifaktoriellen Pruritus führten. Dies war insbesondere bei den über 65-jährigen
Patienten zu beobachten [1].
Die klinische Symptomatik von Pruritus
Die klinische Symptomatik von Pruritus
Pruritus kann auf völlig erscheinungsfreier, normal aussehender Haut auftreten oder
in Zusammenhang mit einer Dermatose. Laut neuerer Nomenklatur ([Tab. 1]) [2] wird dies
Tab. 1
Klassifikation von Pruritus: Klinische Einteilung und Differenzialdiagnosen (aus:
Ständer et al. AWMF-S2k Leitlinie Chronischer Pruritus, www.awmf.org).
Klinische Symptomatik
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Differenzialdiagnose
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Beispiele
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Pruritus auf entzündlicher Haut
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entzündliche Dermatosen
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atopisches Ekzem, allergisches Kontaktekzem, Arzneimittelexantheme, Urtikaria
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infektiöse Dermatosen
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bakterielle Infektionen (z. B. Follikulitis), Mykosen, Pediculosis, Skabies, virale
Infektionen (z. B. Varizellen)
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Autoimmundermatosen
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Dermatitis herpetiformis Duhring, bullöses Pemphigoid
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Schwangerschaftsdermatosen
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atopische Eruption der Schwangerschaft (AEP), Polymorphe Exantheme der Schwangerschaft
(PEP), Pemphigoid gestationis
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Neoplasien
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kutanes T-Zell-Lymphom, insbesondere erythrodermatische Verläufe
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Pruritus auf nicht-entzündlicher Haut (früher: Pruritus sine materia)
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endokrine und metabolische Erkrankungen
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chronische Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Hepatopathien mit Cholestase
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hämatologische und lymphoproliferative Erkrankungen
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Eisenmangel, myelodysplastisches Syndrom, M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome, Polyzythämia
vera, systemische Mastozytose
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solide Malignome
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z. B. Prostata-, Colon-, Bronchialarzinom
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neurologische Erkrankungen
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brachioradialer Pruritus, Notalgia parästhetica, postzosterische Neuralgie, Vulvodynie,
Neuropathien unterschiedlicher Genese, Multiple Sklerose, spinale oder zerebrale Tumore/Infarkte
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psychosomatische und psychiatrische Erkrankungen (somatoformer Pruritus)
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Depression, Schizophrenie, taktile Halluzinosen
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Schwangerschaft
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intrahepatische Schwangerschaftscholestase
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Medikamente (ohne Erythem)
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z. B. Hydroxyethylstärke-Pruritus
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Pruritus auf nicht-entzündlicher, normaler Haut (früher: Pruritus sine materia)
-
Pruritus auf entzündlicher Haut (bei Dermatosen)
genannt. Da Pruritus zu reflektorischem Kratzen führt, wird dieses initiale Bild durch
die mechanische Bearbeitung der Haut durch Fingernägel oder andere Werkzeuge wie beispielsweise
Kratzbürsten verändert. Die so entstandenen Läsionen werden als Kratzläsionen bezeichnet.
Bei flächigem Reiben kann es zu Lichenifizierungen kommen. Weitere Kratzläsionen umfassen
z. B. kleine blutende oder krustige Erosionen bis hin zu Ulzerationen, die teilweise
unter Narbenbildung mit Pigmentverschiebungen abheilen. Besteht ein chronischer Pruritus
mit fortdauerndem Kratzen, kommt es zu den sogenannten chronischen Kratzläsionen,
die unter eigenem Namen bekannt sind wie z. B. Lichen simplex oder Prurigo nodularis.
Diese Namen sind an sich irreführend, da es sich nicht um eigene Krankheitsentitäten
handelt, sondern um Reaktionen der Haut auf einen chronischen, mechanischen Reiz.
Nun lassen sich die sichtbaren Hautveränderungen bei Patienten mit chronischem Pruritus
nicht immer eindeutig zuordnen, da
-
akute oder chronische Kratzläsionen Dermatosen überlagern können (s. [Abb. 1]: Erosionen auf Ekzem) und
-
Dermatosen können Kratzläsionen imitieren: z. B. bei Dermatitis herptiformis Duhring
oder bullösem Pemphigoid.
Abb. 1 Sekundäre Kratzläsionen an der Beugeseite des rechten Armes eines 6-jährigen Mädchens
mit atopischer Dermatitis.
Daher ist bei sichtbaren Hautveränderungen, die nicht eindeutig zugeordnet werden
können, die Durchführung einer Hautprobe und dermatopathologische Befundung bzw. die
Einbeziehung eines dermatologischen Fachkollegens ratsam.
Neue Erkenntnisse zu der Pruritus-Induktion in der Haut
Neue Erkenntnisse zu der Pruritus-Induktion in der Haut
Lange ging man davon aus, dass Pruritus eine schwache Schmerzempfindung darstellt.
Vor 15 Jahren konnte diese Hypothese wiederlegt werden, da erstmals eigene Neurone
für die periphere und zentrale Juckempfindung nachgewiesen werden konnten [3]. So konnten prurizeptive kutane und spinale Histamin-sensible bzw. Cowhage (Juckbohne,
Mucuna pruriens)-sensible Neurone nachgewiesen werden. Prurizeptive C-Fasern liegen
in der Haut als freie, unmyelinisierte Nervenendigungen an der Epidermis-Dermisgrenze
bzw. in der Epidermis. Diese C-Fasern sind mit einer großen Anzahl an Neurorezeptoren
und Neuropeptiden ausgestattet. Diese neuen Erkenntnisse trugen in den letzten Jahren
entscheidend zum Verständnis der Neurobiologie des Pruritus bei. Für die Modulation
des Pruritus in der Haut ist zudem eine Interaktion zwischen Entzündungs- und Nervenzellen
von enormer Bedeutung. So spielen Immunzellen, wie T-Lymphozyten, eosinophile Granulozyten
und Mastzellen bei der Initiierung und Chronifizierung des Pruritus im Rahmen von
Entzündungsprozessen eine entscheidende Rolle [4]
[5].
Pruritus in der Haut
Viele Krankheiten wie Dermatosen, systemische (chronische Nierenerkrankung, Lebererkrankung),
neoplastische (M. Hodgkin), neurologische, gynäkologische und psychiatrische Erkrankungen
sowie die Einnahme von Medikamenten können eine schwere Juckempfindung verursachen
[6]
[7]
[8]
[9]. Die verschiedenen Krankheiten, die durch einen chronischen Pruritus charakterisiert
sein können, sprechen auf unterschiedliche Therapie an, die in [Tab. 2] dargestellt sind.
Tab. 2
Therapie bei chronischem Pruritus – aktuelle Empfehlungen der Leitlinie (nach [2]). Für nur wenige Indikationen gibt es Evidenzen aus kontrollierten Studien (*),
die anderen Empfehlungen basieren auf Fallserien.
Therapie
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Indikation
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Basistherapie
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kausale Therapie der auslösenden Erkrankung
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Vermeidung von Faktoren, die die Hauttrockenheit fördern
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bei Hauttrockenheit rückfettende Basistherapie
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bei Schlafstörung: sedierende H1-Antihistaminika, Tranquilizer, trizyklische Antidepressiva
oder Neuroleptika
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psychosomatische Betreuung, ggf. Verhaltenstherapie bei automatisiertem Kratzverhalten
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bei erosiven Kratzläsionen: desinfizierende Maßnahmen (z. B. Lavasept), Lokalsteroide
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Antihistaminika
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wirkungsvoll bei Urtikaria
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schwach wirksam bei atopischem Ekzem, bei bestimmten Formen von chronischem Pruritus
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Schmerzmodulatoren Gabapentin Pregabalin
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Doxepin (trizyklisches Antidepressivum)
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HIV-induzierter Pruritus
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Urtikaria
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Mirtazapin (tetrazyklisches Antidepressivum)
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Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer Paroxetin Fluvoxamin Sertralin
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cholestatischer Pruritus*
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paraneoplastischer Pruritus*
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aquagener Pruritus
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atopisches Ekzem
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kutanes T-Zell-Lymphom
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Polyzythämia vera
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Prurigo nodularis
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Pruritus unklarer Ursache
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somatoformer Pruritus
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Opioidrezeptor-Antagonisten Naltrexon Naloxon
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cholestatischer Pruritus*
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aquagener Pruritus
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inflammatorische Dermatosen (z. B. Urtikaria, Psoriasis)
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Hydroxyäthylstärke-induzierter Pruritus
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Prurigo nodularis
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Pruritus unklarer Genese
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Opioidrezeptor-Agonist Nalfurafin
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Neurokininrezeptor-1-Antagonist Aprepitant
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UV-Phototherapie
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aquagener Pruritus
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cholestatischer Pruritus
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inflammatorische Dermatosen
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kutanes T-Zell Lymphom
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nephrogener Pruritus* (UVB)
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paraneoplastischer Pruritus (z. B. bei M. Hodgkin)
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Polyzythämia vera
-
Prurigo nodularis
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Pruritus unklarer Ursache
|
Bei der Urtikaria und der atopischen Dermatitis stellt der Pruritus ein Hauptmerkmal
der klinischen Beschwerdesymptomatik dar [10]. Interessanterweise ist die Qualität des Pruritus bei beiden Dermatosen unterschiedlich.
So kratzen sich Patienten mit atopischer Dermatitis oftmals bis die Haut blutet ([Abb. 1]). Patienten mit Urtikaria hingegen reiben sich eher die Haut [10]. Dies erklärt, warum klinisch bei der Urtikaria Hautexkoriationen, im Gegensatz
zur atopischen Dermatitis, nicht zum Erscheinungsbild gehören ([Abb. 2]).
Abb. 2 Primäre Hautläsionen mit Urtikae am Oberkörper eines 26-jährigen Patienten mit chronisch
spontaner Urtikaria.
Urtikaria und Pruritus
Schon zu Zeiten des Hippokrates war das Krankheitsbild der Urtikaria bekannt und ist
auch heutzutage eine der am weit verbreitesten Hauterkrankungen. Dabei begründet sich
die Urtikaria aus einer Vielfalt an Ursachen, wobei die eigentliche Auslösung des
Pruritus Mastzell- und Histamin-vermittelt ist. So wird die Urtikaria in mehr als
80 % der Fälle durch einen entzündlichen Fokus, eine subklinische Infektion, autoimmune
Reaktionen oder durch psychischen Stress ausgelöst [11]. Erwähnenswert ist auch die nicht-spezifische pharmakologische oder Toxin-vermittelte
Freisetzung entzündlicher Botenstoffe von basophilen Granulozyten und Mastzellen,
die die Urtikaria triggern kann.
Die klinischen Symptome, die typischerweise von Urtikaria-Patienten angegeben werden,
sind u. a. Pruritus und die Bildung von Quaddeln, die stecknadelkopfgroß bis landkartenartig
auf der Haut verteilt sein können ([Abb. 2]). Des Weiteren klagen über 50 % der Urtikaria-Betroffenen über u. U. schmerzhafte
Angioödeme der Augen, Zunge, Lippen, Pharynx, Genitalien oder Extremitäten, die nicht
selten auch lebensbedrohlich sein können. Die Unterscheidung der Urtikaria in 3 Untergruppen
ist abhängig von spontanem Auftreten und exogenen Auslösefaktoren und erfolgt folgendermaßen:
die spontane Urtikaria (akut < 6 Wochen oder chronisch > 6 Wochen), die physikalische
Urtikaria (bsp. Kältekontakturtikaria oder verzögerte Druckurtikaria) oder andere
Formen wie die cholinergische bzw. aquagene Urtikaria. Diesen Formen gemein ist die
stark reduzierte Lebensqualität der Patienten, die unter Symptomen wie Quaddeln, Juckreiz
oder Angiödemen zu leiden haben.
Um nun eine angemessene Therapie für den Patienten zu ermöglichen, ist es zunächst
von entscheidender Wichtigkeit, den Subtyp der Urtikaria genau zu bestimmen. Als pharmakologische
Standardtherapie der akuten und chronischen Urtikaria werden zunächst H1-Antihistaminika
eingesetzt [12], wobei zu beachten ist, dass die meisten Urtikaria-Patienten auf die normale Standarddosis
der H1-Antihistaminika nicht ansprechen. In diesem Fall sieht die europäische Leitlinie
vor, dass die Dosierung der H1-Antihistaminika bis um das Vierfache erhöht werden
kann, wobei die potenziellen Nebenwirkungen sowie die individuellen Risikofaktoren
in Erwägung gezogen werden sollten. Diesbezüglich konnte erstmals mit Erfolg ein Kälteurtikaria-Patient
mit einer 4-fach erhöhten Dosis an Antihistaminika behandelt werden. In diesem Falle
handelte es sich um die 4-fache Dosis von Desloratadin (20 mg) im Vergleich zu einer
einfachen Dosis (5 mg) [13]. Dies ist gerade vor dem Hintergrund interessant, dass insbesondere Kälteurtikaria
oftmals therapieresistent gegenüber Antihistaminika sind. Bei der chronisch spontanten
Urtikaria führt bei den milderen Formen oftmals schon eine 2-fach-Dosierung zu einer
erfolgreichen Therapie des Pruritus und der Urtikae, die oftmals weniger in ihrer
Anzahl sind und oftmals sehr viel kleiner werden unter der Antihistaminikatherapie.
Erst kürzlich wurde von uns gezeigt, dass das neue Pruritogen IL-31 auch bei Patienten
mit chronischer Urtikaria erhöht ist [14]. Dass IL-31 wesentlich an der Hautentzündung und der Vermittlung von Pruritus beteiligt
ist, wurde 2004 erstmals im Mausmodell gezeigt [15]. Therapeutische Umsetzungen dieser interessanten Forschungsansätze stehen jedoch
noch aus.
Pruritus bei Atopischer Dermatitis
Pruritus bei Atopischer Dermatitis
Das Symptom des Pruritus bei atopischer Dermatitis ist laut aktuellen Studien typischerweise
einer großen Vielfältigkeit in Qualität und Verlauf unterlegen. Diese Schwankungen
werden in einer aktuellen Studie dokumentiert, wobei herausgestellt wird, dass bei
87 % der Patienten Pruritus täglich auftritt, bei 8 % mehrere Male in der Woche und
bei 5 % nur weniger häufig. Dabei ist es interessant hervorzuheben, dass die Mehrzahl
der Patienten nur kurze gänzlich juckfreie Perioden benennen können, unabhängig von
der Präsenz von Ekzemen: Bei 38 % belief sich dieses Intervall auf kürzer als eine
Woche, bei 23 % zwischen 1 und 4 Wochen. Bei 10 % der AD-Patienten gab es juckreizfreie
Perioden von 1 – 6 Monaten, wobei nur 1 % über 6 Monate von Pruritus gänzlich befreit
sind. Dagegen war der Anteil an Patienten, die nie juckreizfrei sind, bedeutend größer:
28 % haben angegeben, kontinuierlich unter Pruritus zu leiden [16]. So stark das Krankheitsbild bei den individuellen Patienten schwankt, so gibt es
doch eine Gemeinsamkeit: Der Schlaf ist bei AD-Patienten oft von der Krankheit geprägt,
84 % der Patienten geben Schlafstörungen an, die durchschnittliche mittlere Pruritusintensität
auf der visuellen Analogskala (VAS) liegt zwischen 8 und 9, mit Höhepunkten nachts
und morgens. Der Pruritus bei AD-Patienten wird typischerweise durch 2 Arten von Verläufen
charakterisiert: a) der akute Pruritus, der mit einem Wiederaufblühen der Ekzeme auftritt,
und b) der Pruritus, der chronisch ist und unabhängig von sowohl Ekzemen als auch
der AD auftritt. Letzterer muss zudem mit einer symptomatischen, antipruristischen
Therapie behandelt werden.
Der Pruritus der AD-Patienten ist oft therapieresistent gegenüber H1-Antihistaminika,
was den Schluss zulässt, dass der Histamin-1-Rezeptor hierbei pathophysiologisch einen
untergeordneten bzw. keinen Einfluss auf den Pruritus hat. Die Möglichkeiten der Therapie
des Pruritus bei AD sind eher begrenzt und bedauerlicherweise oft für den Patienten
unbefriedigend. Da gerade bei AD ausgeprägter Pruritus eines der charakteristischen
Symptome ist, verspricht die Untersuchung von neuroimmunen Interaktionen neue, aufschlussreiche
Therapieansätze.
So ist nachgewiesen worden, dass in der Haut der AD-Patienten eine erhöhte Konzentration
von Neurotrophin-4 in Prurigoläsionen vorliegt [17]. Hinsichtlich der Pathophysiologie ist es wichtig zu bemerken, dass Neuropeptide
wie Substanz P (SP) und Neurotrophine wie Brain-derived neurotrophic factor (BDNF)
und Nerve growth factor (NGF) Plasma/Serum-Konzentrationen mit der Krankheitsaktivität
bei der AD miteinander in Beziehung stehen [18]
[19]
[20]. Dabei können NGF und BDNF von Immunzellen wie eosinophilen Granulozyten freigesetzt
werden [21]
[22]. Die funktionelle Aktivität peripherer Nervenfasern kann über diesen Mechanismus
beeinflusst werden, was auch bei NGF und Eosinophilen der Fall ist [23]. Die Neurotrophine sind auch elementar bei den Umbauprozessen im allergisch entzündlichen
Gewebe sowie bei der Wundheilung. Hierbei erhöhen sie die funktionelle Aktivität und
die Proliferation von Fibroblasten [24]. Dies bietet auch die Möglichkeit, aus pathophysiologischer Sicht das Endprodukt
der Lichenifikation im Rahmen des Remodeling der entzündlichen Haut, die symptomatisch
für das Krankheitsbild der AD ist, zu erklären. In neuesten Untersuchungen ist es
gelungen nachzuweisen, dass die periphere BDNF-Konzentration mit den nächtlichen Kratzaktivitäten
bei von AD betroffenen Kindern in Zusammenhang steht [25]. Aus diesen Gegebenheiten lässt sich die Hypothese ableiten, dass der Pruritus bei
AD durch neuroimmune Interaktionen beeinflusst werden kann, jedoch konnte ihre genaue
Funktion bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Es ist auch erwägenswert, Neuromodulatoren
zur Therapie des Pruritus und der kutanen Entzündung bei der atopischen Dermatitis
einzusetzen. Dieses wird in zurzeit laufenden klinischen Studien genauer untersucht.
Zusammenfassend präsentiert sich die Beschwerdesymptomatik bei den mit Pruritus assoziierten
Dermatosen unterschiedlich. Aufgrund der unterschiedlichen Beschwerdesymptomatik und
der daraus resultierenden unterschiedlichen Ausprägung von sekundären Kratzläsionen
mit entsprechenden Entzündungen an der Haut müssen diese Erkrankungen auch unterschiedlich
behandelt werden, wie in diesem Artikel für die atopische Dermatitis und die Urtikaria
erläutert wurde. Die Diagnostik und Therapie des Pruritus ist aufgrund der unterschiedlichen
klinischen Symptomatik oftmals nicht einfach und bedarf häufig der interdisziplinären
Zusammenarbeit.