Der Begründer der Schulterchirurgie, E. A. Codman, veranstaltete 1915 ein Meeting
mit
der Thematik „Hospital Efficiency“. Mit dieser Tagung wollte er 2 Punkte
fokussieren:
1. die Behandlung soll so erfolgreich sein wie möglich und
2. gemessen wird der Erfolg an den bestmöglichen, auch durch Nachuntersuchung
verifizierten Ergebnissen.
Dieses Ansinnen einer Qualitätskontrolle war begleitet von erheblichen Widerständen,
die sich Codman entgegenstellten und sein weiteres Leben prägten.
Die Überlegungen von Codman begleiten auch die einzelnen Beiträge dieses Heftes.
Schmiddem, Krettek und Meller weisen in ihrem Beitrag auf die Vielzahl der in
der Literatur publizierten Untersuchungstechniken und Tests zu spezifischen
Schulterpathologien hin, welche ihrerseits wiederum durch weitere Studien auf ihre
Spezifität und Sensitivität untersucht wurden.
In ihrer Arbeit werden nur die Tests mit der höchsten Sensitivität und Spezifität
angeführt, um eine möglichst große Praxisnähe zu gewährleisten.
Die Behandlung der AC-Gelenkssprengung und insbesondere eine Vielzahl der
Operationsmöglichkeiten werden in der Literatur intensiv diskutiert. Auch hier ist
die Tendenz in Richtung minimalinvasive Eingriffe, welche exemplarisch von Horst
und Pape dargestellt werden.
Seit der Einführung des Begriffes „Frozen Shoulder“ durch Codman wurden in der
Folgezeit unterschiedliche Diagnosen unter diesem Begriff subsummiert. Aus diesem
Grund wird die Frozen Shoulder heute als eine eigenständige Erkrankung gesehen, bei
der Einschränkungen der aktiven und passiven Beweglichkeit im Vordergrund stehen
ohne weitere begleitende Ursachen. In der Arbeit von Loos und Gohlke wird auf
diese Thematik sowie die vielfältigen Behandlungsmethoden eingegangen, die sich aus
konservativen und operativen Maßnahmen zusammensetzen.
Auch die Behandlung der proximalen Humerusfraktur wird kontrovers diskutiert. Neuere
Implantate wurden zunächst mit einer großen Euphorie aufgenommen, inzwischen zeigen
jedoch Studien, dass bei einem bestimmten Krankengut die konservative Behandlung
ähnliche Ergebnisse erbringt wie die operative Behandlung (Krettek et al.).
Dennoch hat natürlich die operative Behandlung bei bestimmten Frakturtypen, sei es
mit Platte oder Nagel, gute Ergebnisse erbracht, wie Jäger et al. in ihrer
Arbeit darstellen. Entscheidend ist naturgemäß die Indikationsstellung, bei der die
verschiedenen operativen Verfahren ebenso wie die konservativen Maßnahmen ihren
Platz einnehmen.
Scapulafrakturen sind immer ein Indikator für eine massive traumatische
Gewalteinwirkung und in 90 % mit oft schweren Begleitverletzungen verbunden.
Friedrichs und Bühren weisen darauf hin, dass die Komplexität der
Fraktur, die Instabilität des Schultergürtels, die Dislokation der Fraktur und das
Vorliegen einer Gelenkstufe das Gesamtergebnis bestimmen und stellen
dementsprechende Therapieempfehlungen vor.
Bei zunehmendem Funktionsanspruch der in Zukunft länger im Arbeitsprozess stehenden
Bevölkerung und einer auch im Alter noch sportlich aktiven Gesellschaft kommt der
Rotatorenmanschettenläsion eine hohe sozioökonomische Bedeutung zu. Gerade die
Altersjahrgänge über 60 weisen in einem Drittel Manschettenrupturen auf, zu deren
Therapie eine differenzierte Entscheidung gefunden werden muss. War bis zum Ende der
90er-Jahre die offene Rotatorenmanschettenchirurgie der „Golden Standard“, stehen
uns heute moderne arthroskopische Verfahren zur Verfügung, die mit Ausnahme der
Lappenplastiken die offene Chirurgie ersetzt haben. Dennoch betrachten
Lichtenberg et al. die offene Chirurgie als Fundament, deren Techniken
heutzutage ebenso beherrscht werden müssen wie die arthroskopischen Verfahren.
Weber-Spickschen und Agneskirchner weisen auf die strenge Unterscheidung
zwischen Laxität und Instabilität hin, wobei die Laxität als Normvariante nicht
pathologisch einzustufen sei, während die Instabilität auf dem Boden einer
vermehrten Translationsfähigkeit zwischen Oberarmkopf und Glenoid Symptome
verursacht. Im Fokus der Arbeit stehen sowohl nicht operative Maßnahmen als auch
spezielle Operationsmethoden, wie die arthroskopische Latarjet-Operation nach
rezidivierenden Luxationsereignissen und relevantem Knochenverlust.
Die Schulterendoprothetik umspannt ein weitreichendes Indikationsspektrum von den
degenerativen, entzündlichen, über infektiöse, tumoröse, instabilitätsassoziierte
und neurogene Erkrankungen bis hin zu den traumatischen und posttraumatischen
Gelenkflächendefekten. Magosch und Habermeyer erläutern in ihrer Arbeit, dass
diese Erkrankungs- und Traumafolgen jeweils ein entsprechendes Implantat erfordern.
Ziel der modernen Schulterendoprothetik sei die anatomische und damit auch
biomechanische Rekonstruktion des Glenohumeralgelenks. Bei
Rotatorenmanschetteninsuffizienz und nicht rekonstruierbarer Rotatorenmanschette
unterschiedlicher Ätiologien bleibe unter Berücksichtigung des Patientenalters die
Implantation einer inversen, extraanatomischen Schulterprothese.
Hudeck, Zitzmann und Gohlke weisen darauf hin, dass bei Wechseloperationen die
Analyse der häufig komplexen Ausgangslage ebenso essenziell ist wie die Auswahl
geeigneter Wechselkomponenten. Die Ursachen, die zu einem Revisionseingriff führen,
lassen sich der Häufigkeit nach in 3 Hauptkategorien einteilen:
1. fehlgeschlagene anatomische Frakturprothesen
2. Infektionen und
3. mechanische Komplikationen
Die Autoren gehen auf die unterschiedlichen Ätiologien ein und stellen entsprechende
Lösungsmöglichkeiten vor.
Zusammenfassend gibt das Heft einen sehr guten Überblick über den derzeitigen Stand
in der Diagnostik und Therapie der Erkrankungen und Verletzungen des
Schultergelenks, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Überlegungen, die
Codman bei der Planung seines Meetings über „Hospital Efficiency“ im Blickpunkt
gehabt hat.
Ihre
Michael J. Raschke, Münster
Hans-Jörg Oestern, Celle
Florian Gebhard, Ulm
Ulrich Stöckle, Tübingen