Einleitung: Inhalative Kortikosteroide (ICS) sollen die Lungenfunktion bei Patienten mit chronisch
obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD), gemessen anhand des forcierten expiratorischen
Volumens (FEV1), positiv beeinflussen. Randomisierte Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen
und eine Mortalitätsabsenkung bestätigte sich nicht. Ein günstiger Effekt auf die
Exazerbationsrate und die Lebensqualität standen einem erhöhten Infektionsrisiko gegenüber.
Studien: Im Rahmen des Updates der Cochrane-Analyse von 2006 wurden 8 neue Studien aufgenommen.
Insgesamt erfüllten nun 55 randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien die Einschlusskriterien.
Verschiedene inhalative Kortikosteroide und unterschiedliche Dosierungen waren erlaubt.
Eine bronchiale Hyperreagibilität und die Ansprechbarkeit auf kurzwirksame Beta-2-Agonisten
waren keine Ausschlusskriterien. Hauptzielvariablen waren die Lungenfunktion, Mortalität,
Exazerbationen und die Lebensqualität.
Ergebnisse: 16 154 Patienten erhielten ICS oder Placebo. Die Studiendauer betrug in 18 Studien
bis 2 Monate, in 17 Studien 2–6 Monate und war in 20 Studien länger als 6 Monate.
Das Risiko für Datenverzerrung (Bias) wurde insgesamt gering eingeschätzt, aber viele
Studien hatten ein unklares Risiko bezüglich der Randomisierungsmethode und der verdeckten
Zuordnung. Eine signifikant verzögerte Abnahme der FEV1 bestand nach den Langzeitstudien mit einer Ausnahme nicht. In der allgemeinen inversen
Varianzanalyse betrug die mittlere Differenz zwischen ICS und Placebo 5,8 ml/Jahr
(95%-Konfidenzintervall [KI] -0,28 bis 11,88; 2333 Patienten) und in der Analyse der
gepoolten Mittelwerte 6,88 ml/Jahr (95%-KI 1,80–11,96; 4823 Patienten). Die Mortalität
war nicht signifikant verschieden (Odds Ratio [OR] 0,98; 95%-KI 0,83–1,16; 8 390 Patienten).
ICS reduzierten die Exazerbationsrate signifikant (-0,19/Jahr; 95%-KI -0,30 bis -0,08;
2253 Patienten). Die Lebensqualität verschlechterte sich langsamer, wenn die Patienten
ICS erhielten. Prädiktoren für eine positive Wirkung der ICS konnten nicht identifiziert
werden. Oropharyngeale Candidosen traten bei ICS dosisabhängig häufiger auf (OR 2,65;
95%-KI 2,03–3,46; 5586 Patienten). In den Langzeitstudien nahm das Risiko für Pneumonien
bei insgesamt 6235 Patienten signifikant zu (OR 1,56; 95%-KI 1,30–1,86). Negative
Auswirkungen auf die Knochenmineralisierung und Frakturrate wurden nicht nachgewiesen.
Fazit der Cochrane-Autoren
Inhalative Kortikosteroide beeinflussten die FEV1 und die Mortalität bei Patienten mit COPD nicht. Sie verlangsamten jedoch die Verschlechterung
der Lebensqualität und reduzierten die Exazerbationsrate. Diese positiven Effekte
seien gegen die erhöhte Infektionsgefahr abzuwägen. Welche Patienten profitieren,
welche klinischen und biologischen Faktoren Prädiktoren sind, ob langfristige Nebenwirkungen
auftreten und welche Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht, seien die wichtigsten offenen
Fragen.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Originalarbeit: Yang IA, Clarke MS, Sim EHA, et al. Inhaled corticosteroids for stable chronic obstructive
pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 7.
DOI: 10.1002/14651858.CD002991.pub3
www.thecochranelibrary.com
Inhalative Steroide sind der Grundstein der Therapie bei Patienten mit Asthma. Im
Gegensatz dazu empfehlen aktuelle nationale und internationale Leitlinien bei Patienten
mit COPD den Einsatz von Bronchodilatatoren als Basis der medikamentösen Therapie.
Nur bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und häufigen Exazerbationen wird
zusätzlich der Einsatz von inhalativen Steroiden empfohlen.
Die Erkenntnisse aus der jetzt vorliegenden Cochrane Analyse von Yang et al. bestärken
diese Empfehlungen. Die Analyse der verschiedenen Studien zeigt einen klaren Effekt
von inhalativen Steroiden auf die Reduktion von akuten Exazerbationen in dieser Patientengruppe.
In Bezug auf andere Parameter wie Mortalität oder Progression der Erkrankung zeigt
die Behandlung mit inhalativen Steroiden keinen Effekt.
Dies bedeutet für den klinischen Alltag, dass eine Behandlung von Patienten mit COPD
mit dem Einsatz von Bronchodilatatoren beginnen sollte. Kommt es trotz dieser Behandlung
zu Exazerbationen, ist es möglich, zusätzlich ein inhalatives Steroid einzusetzen.
COPD ist eine chronische Erkrankung, die in unterschiedlicher Ausprägung (Phänotypen)
auftreten kann. Ein Phänotyp, der dabei identifiziert werden kann, umfasst Patienten
mit häufigen Exazerbationen (Hurst et al. NEJM 2013; 363: 1128–1138). Gerade bei diesen
Patienten ist der Einsatz eines inhalativen Steroids eine sinnvolle Erweiterung der
Therapie zur Vermeidung von Exazerbationen.