Die Phosphatkontrolle ist eine wichtige Säule in der Therapie von chronisch nierenkranken
Patienten. Die verschiedenen Phosphat-Binder-Klassen haben jedoch unterschiedliche
Nebenwirkungs- und Risikoprofile. Im Rahmen einer Pro-Contra-Diskussion auf dem 10.
Erfurter Experten-Meeting Dialyse am 23.06.2012 wurde deutlich, dass das nicht resorbierbare,
kalzium- und metallfreie Sevelamer mit geringen Risiken einhergeht und außerdem aktiv
die Gefäße schützt.
Herausforderung medikamentöse Differenzialtherapie
Herausforderung medikamentöse Differenzialtherapie
In der täglichen Praxis ist die Auswahl wichtiger therapeutischer Optionen und die
medikamentöse Differenzialtherapie eine Herausforderung für den behandelnden Nephrologen.
Nicht immer ist die Studienlage eindeutig. Darüber hinaus gibt es das Problem, dass
die chronische Nierenerkrankung (CKD) häufig als Ausschlusskriterium für die Teilnahme
an Studien gilt und somit nur wenige Daten für diese spezielle Patientengruppe generiert
werden.
Viele Fragestellungen sind also nach wie vor offen, weshalb einige Behandlungsansätze
innerhalb der Fachgruppe kontrovers diskutiert werden. Das 10. Erfurter Experten-Meeting
Dialyse bot diesen Kontroversen im Rahmen von moderierten Pro-Contra-Debatten ein
Podium. Zum Thema "Aluminium- und kalziumbasierte Phosphatbinder vs. Sevelamer?" diskutierten
Prof. Jürgen Bommer, Heidelberg, und Prof. Jan T. Kielstein, Hannover.
Hohes Serumphosphat: höhere Mortalität und schnelleres Voranschreiten der chronischen
Nierenerkrankung
Hohes Serumphosphat: höhere Mortalität und schnelleres Voranschreiten der chronischen
Nierenerkrankung
Einig waren sich beide Diskutanten darüber, dass eine Phosphat-Binder-Therapie bei
CKD-Patienten obligat ist. Eine phosphatarme Diät wird von den wenigsten Patienten
durchgehalten und geht außerdem mit einem großen Mulnutritionsrisiko einher. Eine
medikamentöse Intervention ist somit erforderlich, da hohe Serum-Phosphat-Spiegel
mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind [
1
]. Darüber hinaus können hohe Phosphatwerte bei Prädialysepatienten das Fortschreiten
der chronischen Nierenerkrankung vorantreiben, da sie den nephroprotektiven Effekt
der ACE-Hemmung (ACE: Angiotensin Converting Enzyme) abschwächen, wie eine Auswertung
der REIN[
1
]-Studie [
2
] zeigte. Dies illustriert, wie wichtig die Phosphatkontrolle bereits in frühen CKD-Stadien
ist.
Welche Phosphat-Binder-Therapie sollte zum Einsatz kommen?
Welche Phosphat-Binder-Therapie sollte zum Einsatz kommen?
Während sich Prof. Kielstein wegen der Gefahr der Aluminiumintoxikation deutlich gegen
den Einsatz aluminiumhaltiger Phosphatbinder aussprach – und scherzend hinzufügte,
"Aluminium sei in Dialysezentren nur noch sinnvoll, um den Patienten mal eine Stulle
einzuwickeln" –, sah Prof. Bommer durchaus noch eine "Indikationsnische" für diese
sehr effektiven und kostengünstigen Präparate. Allerdings sollte man diese nur unter
strenger Überwachung der Serum-Aluminium-Spiegel und auch nur bedingt im Rahmen einer
Langzeittherapie einsetzen.
Sehr kritisch bewertet Prof. Bommer die Risiken von kalziumhaltigen Phosphatbindern,
die bis vor Kurzem in Deutschland noch immer die Standardtherapie waren. Zahlreiche
Studien hätten belegt, dass diese Präparate die Gefäßverkalkung forcierten [
3
], [
4
], [
5
]. Auch mehrten sich die Hinweise, dass kalziumhaltige Phosphatbinder die Mortalität
negativ beeinflussten. So zeigte eine jüngst publizierte, industrieunabhängige, randomisierte
Studie [
6
] mit einer Beobachtungszeit von 3 Jahren, dass Prädialysepatienten signifikant von
der kalziumfreien Therapie mit Sevelamer hinsichtlich des Überlebens profitierten.
Bei Studien mit Dialysepatienten, wie etwa der RIND[
2
]-Studie [
7
] über 5 Jahre und der großen DCOR[
3
]-Studie [
8
] mit Patienten mit Behandlungszeiten von über 2 Jahren, fand sich eine signifikant
geringere Mortalität unter Sevelamer im Vergleich zu kalziumhaltigen Phosphatbindern.
Die geringere Mortalität war dabei besonders bei älteren Patienten (> 65 Jahre) in
der DCOR-Studie nachweisbar. Da eine vermehrte Verkalkung der Gefäßwand nicht mit
einer sofort erhöhten Mortalität einhergeht, ist es verständlich, dass der positive
Effekt der kalziumfreien Therapie auf die Mortalität erst nach 2 Jahren offensichtlich
wird [
9
].
Sevelamer schützt aktiv die Gefäße
Sevelamer schützt aktiv die Gefäße
Der gefäßschützende Effekt von Sevelamer (Renvela®) geht weit über die "Kalziumfreiheit"
und die Nichtresorbierbarkeit des Moleküls hinaus. Wie Prof. Kielstein betonte, beeinflusst
das Präparat aktiv das Verkalkungsgeschehen. So konnte gezeigt werden, dass unter
Therapie mit dem kalzium- und metallfreien Phosphatbinder die Spiegel des Kalzifikationsinhibitors
Fetuin-A stiegen, die CRP-Konzentrationen (CRP: C-reaktives Protein) abnahmen und
sich die endotheliale Dysfunktion gemessen an der flussvermittelten Vasodilatation
(FMD) bei Patienten im CKD-Stadium 4 verbesserte [
10
]. Darüber hinaus senkte Sevelamer die Konzentration von FGF-23 (Fibroblast Growth
Factor 23), das mit einem schlechten Outcome bei Hämodialysepatienten assoziiert ist
[
11
], deutlich stärker als Phosphat-Binder-Präparate auf Basis von Kalziumkarbonat, wie
eine jüngst publizierte Studie [
12
] zeigte. Mit Abnahme der FGF-23-Spiegel wurde auch hier eine verbesserte flussvermittelte
Vasodilatation beobachtet.
Beide Diskutanten waren sich über die medizinischen Vorteile der Phosphat-Binder-Therapie
mit Sevelamer im Vergleich zu kalzium- oder metallhaltigen Präparaten einig. Als weiteres
Argument wurde angeführt, dass Sevelamer als einziger Phosphatbinder auch in Pulverform
zur Verfügung steht, was sich positiv auf die Compliance auswirken könnte. Denn das
Pulver ist ein Hydrogel, das sich mit der zugeführten Flüssigkeit verbindet und den
Flüssigkeitshaushalt nicht wesentlich belastet. Somit können Dialysepatienten, deren
erlaubte Trinkmenge stark begrenzt ist, bei jeder Mahlzeit diese Suspension zusätzlich
trinken – was bei den Patienten die Therapietreue erhöhen kann.
Prof. Bommer führte abschließend an, dass die Diskussion "Sevelamer vs. kalziumhaltige
Phosphatbinder" obsolet wäre, wenn kein ökonomischer Zwang bestünde. Angesichts der
Folgen der Gefäßverkalkung auf Mortalität und Morbidität der Patienten – Letztere
schlägt sich mit höheren Kosten auf das Gesundheitssystem nieder – stelle sich jedoch
die Frage, ob derzeit nicht am falschen Ende gespart werde.
Elisabeth Fauth, Frankfurt am Main
Quelle: Kongressbericht zum 10. Erfurter Experten-Meeting Dialyse "Pro-Contra-Debatte:
Aluminium- und kalziumbasierte Phosphatbinder vs. Sevelamer?", unterstützt von Genzyme
– a Sanofi Company