Schmerzen in der Leistengegend sind v.a. bei Fußballern und anderen Mannschaftssportlern
häufig. Die Beschwerden gleichen denen eines Leistenbruchs, doch eine sog. Hernie
ist bei den jüngeren Sportlern selten. Ein Experte spricht sich deshalb in der Fachzeitschrift
"Passion Chirurgie", des Berufsverbandes Deutscher Chirurgen (BDC), für eine zurückhaltende
Entscheidung zur OP aus.
"5 bis 7 % aller verletzungsbedingten Unterbrechungen des Spielbetriebes im Fußball
sind auf Leistenbeschwerden zurückzuführen. Immer häufiger lautet die Diagnose Sportlerleiste",
so Dr. Andreas Koch vom BDC. Doch der Begriff sei völlig unklar definiert, kritisiert
der Chirurg. Ursache können akute Verletzungen oder auch chronische Veränderungen
an Muskeln, Sehnen und Gelenken sein, oder aber Weichteilerkrankungen, zu denen die
Leistenhernie gehört. Koch zählt 17 verschiedene Krankheiten auf, die Beschwerden
einer Sportlerleiste auslösen: "Auch Erkrankungen in Rücken, Beinen oder Füßen können
zu Schmerzen in der Leiste führen. Der Arzt müsse deshalb immer den ganzen Patienten
untersuchen", fordert der Chirurg, der als Mannschaftsarzt des FC Energie Cottbus
Erfahrungen mit der Sportlerleiste gesammelt hat.
Hinter der Sportlerleiste verbergen sich zahlreiche Beschwerden mit unterschiedlichen
Ursachen. Nicht selten rennen Sportler mit ihrem Problem von Pontius zu Pilatus, denn
die häufigsten Differenzialdiagnosen reichen von der klassischen Pubalgie bis hoch
zur 12. Rippe (Athlete‘s Rib Syndrome; Subluxation der 11./12. Rippe).(©Kristan/fotolia.com)
Beim einzelnen Patienten die richtige Ursache zu erkennen, fällt auch Experten schwer.
Koch plädiert deshalb zunächst für gezielte physiotherapeutische Maßnahmen zur muskulären
Stabilisierung. Auch Injektionen mit Schmerzmitteln oder Kortison können helfen, die
Beschwerden zu lindern. Die komplexen Schmerzen um das Schambein herum sind von reinen
Leistenschmerzen abzugrenzen, die eine Operation erforderlich machen. Bei einer Nervenkompression
muss die Einengung rechtzeitig beseitigt werden, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.
Generell komme eine Operation erst in Frage, wenn keine andere Ursache gefunden wird
oder ein eindeutiger Leistenschmerz ohne Beeinträchtigung des Schambeins und der Adduktorenmuskulatur
vorliegt.
Herniennetze: Haltbarkeit bisher unbekannt
Die Chirurgen stabilisieren dabei die Hinterwand des Leistenkanals, was durch die
Einlage eines Kunststoffnetzes oder durch Nahtverfahren ohne Netz erfolgen kann. Bei
Sportlern hingegen kommt häufig ein Nahtverfahren zum Einsatz. Bei der Entscheidung
für oder gegen ein Netz muss nach Ansicht von Koch berücksichtigt werden, dass ein
junger sportlicher und körperbewusster Mensch mindestens 50 Jahre mit einem solchen
Netz beschwerdefrei leben sollte. Die Haltbarkeit der heute verwendeten Netze sei
aber nicht bekannt. "Verwachsungen mit der Umgebung können später erneut Schmerzen
auslösen", warnt er. Eine übereilte Operation bei Beschwerden die auch das Schambein
und die Muskelansätze betreffen könne langfristig nachteilige Folgen für die Patienten
haben.
Der Artikel von Dr. Koch ist auf der Homepage des BDC frei verfügbar: www.bdc.de
Nach einer Pressemitteilung (BDC e.V.)