Bei anaplastisch großzelligen Lymphomen (ALCL) und rezidivierenden bzw. refraktären
Hodgkin-Lymphomen (HL) waren die therapeutischen Optionen bislang limitiert. Die Prognose
– insbesondere bei ALCL, die ALK(anaplastic-lymphoma kinase)-negativ sind, sowie bei
älteren HL-Patienten – ist schlecht. Als Folge der Chemo- und Radiotherapie sind beim
HL zudem Akut- und Spätschäden wie Zweitneoplasien, Organschäden oder Infertilität
häufig. Mit Brentuximab vedotin (Adcetris® 50 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung
einer Infusionslösung) steht jetzt eine neue Therapie zur Verfügung, die zielgerichtet,
hochwirksam und sicher ist, wie Prof. Norbert Schmitz, Hamburg, erklärte. Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat
besteht aus einem monoklonalen anti-CD30-Antikörper und dem Zytostatikum Monomethyl-Auristatin
E (MMAE). Beide sind über eine spezielle Linkertechnologie verbunden, die in der Blutbahn
stabil bleibt. Erst nach Bindung des Komplexes an den CD30-Rezeptor der Tumorzelle
wird das Konjugat internalisiert und das Chemotherapeutikum freigesetzt.
Brentuximab vedotin ist seit August 2011 in den USA zugelassen zur Behandlung Erwachsener
mit rezidivierendem oder refraktärem HL nach autologer Stammzelltransplantation (ASCT)
oder mindestens 2 vorangegangenen Therapien, wenn ASCT oder Kombinationschemotherapie
nicht infrage kommt, sowie zur Therapie rezidivierender oder refraktärer ALCL. Die
europäische Zulassung wird für Oktober 2012 erwartet.
Ansprechraten hoch, Komplettremissionen häufig
Grundlage der Zulassung in den beiden Indikationen waren 2 Phase-II-Studien mit 58
stark vorbehandelten ALCL-Patienten (mittleres Alter 52 Jahre, 72 % ALK-negativ) und
102 HL-Patienten (mittleres Alter 31 Jahre, 100 Patienten mit ASCT) [
1
], [
2
]. Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat wurde als intravenöse Infusion (1,8 mg/kg alle
3 Wochen) über maximal 16 Zyklen verabreicht. Die Therapie erzielte bei ALCL-Patienten
eine objektive Ansprechrate von 86 % mit Komplettremission bei 57 %. Das progressionsfreie
Überleben (PFS) erreichte 14,3 Monate gegenüber 5,9 Monate nach vorheriger letzter
Chemotherapie. Bei HL-Patienten war die objektive Ansprechrate 75 % mit 34 % Komplettremission,
die über 20,5 Monate anhielt.
Die häufigsten Nebenwirkungen (in mehr als 20 % aller Patienten) waren Neuropathie
(41 %), Übelkeit (40 %), Müdigkeit (38 %), Fieber (34 %), Diarrhoe (29 %), Hautausschlag
(24 %), Obstipation (22 %) sowie Leukopenie (21 %). In aktuell laufenden Studien wird
Brentuximab derzeit zum Beispiel in der Erhaltungstherapie bei rezidivierenden HL
nach Hochdosischemotherapie sowie in der Primärtherapie bei HL untersucht.
Michael Koczorek, Bremen
Quelle: Einführungs-Pressekonferenz "Start für Brentuximab vedotin – Neue Perspektiven
für CD30-positive maligne Lymphome", am 4. September 2012 in Berlin. Veranstalter:
Takeda Pharma GmbH, Aachen